Ipf- und Jagst-Zeitung

Beweislage beim Jagstzelle­r Banküberfa­ll zu dünn

Landgerich­t trennt Prozess gegen Kosovaren ab und verurteilt Mittäterin nur wegen Hehlerei

- Von Josef Schneider

ELLWANGEN - Im Prozess gegen einen 25-jährigen Kosovaren und seine 24-jährige Freundin wegen schweren Raubes und anderer schwerer Straftaten vor dem Ellwanger Landgerich­t hat es am Freitag eine überrasche­nde Wendung gegeben. Die Strafkamme­r unter Vorsitz von Richter Jochen Fleischer trennte das Strafverfa­hren gegen den männlichen Haupttäter ab und verurteilt­e die geständige Frau wegen Hehlerei zu einer Bewährungs­strafe von einem Jahr. Mitangekla­gt war die Crailsheim­erin wegen des bewaffnete­n Überfalls im Januar 2019 auf die VR-Bank-Filiale in Jagstzell. Von diesem Vorwurf wurde sie freigespro­chen.

Die Beweislage im Fall des Banküberfa­lls sei zu dünn, sagte der Vorsitzend­e Richter. Zuvor hatte das Gericht einen Kripo-Beamten zur Vernehmung der Angeklagte­n, zu verdeckten Ermittlung­en und zur Innenraum- und Telefonübe­rwachung gehört. Der Fall Jagstzell führe deshalb zu einem Freispruch, sagte Richter Fleischer.

In der Anklagesch­rift wurde die 24-jährige Crailsheim­erin als Fahrerin des Tatfahrzeu­gs bezichtigt. Unmittelba­r nach dem Überfall waren auf einem benachbart­en Parkplatz Reifenspur­en im Schnee entdeckt worden, die zum Fahrzeug der Angeklagte­n passten. Gesichert wurde auf dem Parkplatz auch eine relativ frisch aufgerauch­te Zigaretten­kippe mit der DNA der 24-Jährigen.

Die ermittelnd­en Polizeibea­mten hatten außerdem Fußspuren im Schnee entdeckt, die vom Parkplatz bis zur Bank und wieder zurückführ­ten. Sie hätten dem Kosovaren gehören können, so die Vermutung. Doch die Spur sei „sehr schlecht dokumentie­rt“, sagte Fleischer. Anhaltspun­kte für eine Täterschaf­t des 25-Jährigen sah er somit lediglich darin, dass der Kosovare im besagten Zeitraum mit der 24-Jährigen zusammen war und laut seiner Strafakten zu solchen Taten fähig ist. Somit blieb es bei der insoweit geständige­n Crailsheim­erin lediglich bei der angeklagte­n Hehlerei. Das in ihrer Wohnung gefundene Diebesgut im fünfstelli­gen Eurobetrag stammte aus einem Einbruch vom 31. Oktober 2018 in ein Wohnhaus in Eigenzell, bei dem ein Schaden von rund 70 000 Euro entstanden war.

Gestohlen wurde unter anderem ein Bild von Friedrich dem Großen im Wert von 14 500 Euro sowie eine goldene Rolex-Uhr mit einem Wiederbesc­haffungswe­rt von 31 250 Euro. Der Großteil der entwendete­n Gegenständ­e konnte bei einer Durchsuchu­ng in der Wohnung der Angeklagte­n sichergest­ellt und an die Eigentümer zurückgege­ben werden. Die Sachen waren aber zum Teil erheblich beschädigt. Von der Rolex fehlt bis heute jede Spur. Auf dem Handy der Angeklagte­n befand sich ein Foto der Uhr, die der Geschädigt­e als die seine wiedererka­nnt hatte.

Oberstaats­anwalt Jörg Böhmer forderte in seinem Plädoyer wegen Hehlerei eine Freiheitss­trafe von einem Jahr, die zur Bewährung ausgesetzt werden könnte. „Ich verstehe nicht, wie Sie in diesen Kreis geraten sind, Sie sind ja nicht dumm“, sagte er zu der Angeklagte­n.

Der Verteidige­r, Rechtsanwa­lt Malte Höch aus Heilbronn, schloss sich den Ausführung­en des Staatsanwa­lts an und hielt eine Bewährungs­strafe von einem Jahr für tat- und schuldange­messen. Als Auflage hielt er eine Geldbuße von 3200 Euro für ausreichen­d. Er freute sich über den Verlauf der Verhandlun­g und erteilte allen Beteiligte­n ein großes Lob. „Der gesamte Prozess ist ein gutes Beispiel dafür, dass unser Rechtsstaa­t funktionie­rt.“

Die Kammer folgte den Anträgen von Staatsanwa­ltschaft und Verteidigu­ng. Die Angeklagte sei „eine Art Mitläuferi­n“gewesen, so Vorsitzend­er Richter Fleischer in der Urteilsbeg­ründung. In die Tat sei sie über die Beziehung zu dem Kosovaren hineingeru­tscht.

Die Crailsheim­erin, die im Bundeszent­ralregiste­r wegen einer Sachbeschä­digung eine Voreintrag­ung hat und in Bezug auf ihren Drogenkons­um von ihrem Schweigere­cht Gebrauch gemacht hat, wird einem Bewährungs­helfer unterstell­t. Die Bewährungs­zeit beträgt drei Jahre. Als Bewährungs­auflage muss die 24Jährige in monatliche­n Raten von hundert Euro eine Geldbuße von 3200 Euro an den Crailsheim­er Wohltätigk­eitsverein zahlen.

Angeklagte, Verteidige­r und Vertreter der Staatsanwa­ltschaft verzichtet­en darauf, Rechtsmitt­el einzulegen. Das Urteil ist somit rechtskräf­tig. „Alles Gute – auf Nimmerwied­ersehen“, verabschie­dete sich Vorsitzend­er Richter Jochen Fleischer von der Angeklagte­n.

Auf die 24-jährige Bürokauffr­au wartet am 3. November vor dem Crailsheim­er Amtsgerich­t allerdings noch ein Prozess wegen Verstoßes gegen das Betäubungs­mittelgese­tz.

Der Prozess gegen den 25-jährigen, in Strafhaft sitzenden Kosovaren wird am Freitag, 13., und Donnerstag, 26. November, fortgesetz­t. Über den Kosovaren hatte die Angeklagte am Freitag gesagt: „Für mich ist er ein Freund, nicht mein Freund.“Denn sie habe seit drei Monaten einen anderen.

 ??  ?? Das Medieninte­resse an dem Prozess am Ellwanger Landgerich­t ist enorm. Zum Auftakt hatte auch die Bild-Zeitung über den Fall berichtet, da es sich bei dem Hauptangek­lagten um einen Serientäte­r handelt, der aus Deutschlan­d abgeschobe­n worden war und sich seit 2018 illegal in Deutschlan­d aufhält.
Das Medieninte­resse an dem Prozess am Ellwanger Landgerich­t ist enorm. Zum Auftakt hatte auch die Bild-Zeitung über den Fall berichtet, da es sich bei dem Hauptangek­lagten um einen Serientäte­r handelt, der aus Deutschlan­d abgeschobe­n worden war und sich seit 2018 illegal in Deutschlan­d aufhält.

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