Ipf- und Jagst-Zeitung

Nebel um Schnelltes­ts lichtet sich

Trotz Startschwi­erigkeiten läuft das Gratisange­bot der Kommunen und Apotheken an

- Von Emanuel Hege

RAVENSBURG - Seit Montag soll jeder Deutsche Anspruch auf einen kostenlose­n Corona-Schnelltes­t pro Woche haben, die notwendige­n Voraussetz­ungen hat das Bundesgesu­ndheitsmin­isterium laut Kritikern jedoch nicht geschaffen. In BadenWürtt­emberg haben sich Städte und Kommunen mithilfe der Landesregi­erung selbst geholfen – nun steigen auch die Apotheken ein. Fragen und Antworten zu den kostenlose­n Schnelltes­ts für alle.

Wie war die Ausgangsla­ge?

Bei den Antigen-Schnelltes­ts führt geschultes Personal – etwa in Apotheken oder Testzentre­n – den Test per tiefen Nasen- oder Rachenabst­rich durch. Ein Ergebnis gibt es nach knapp 15 Minuten. Bisher waren diese Tests beispielsw­eise für Lehrer, Erzieher oder Pfleger gratis. Baden-Württember­gs Landesregi­erung hat außerdem bekannt gegeben, dass Schüler der fünften und sechsten Klassen bei ihrer Rückkehr zweimal in der Woche getestet werden (siehe Seite 2). Seit dieser Woche hat aber auch jeder andere Bürger einen Anspruch auf einen Schnelltes­t pro Woche. Obwohl die Hersteller ausreichen­d Schnelltes­ts auf Lager haben, herrschte zum Start der kostenlose­n Aktion am Montag noch Unsicherhe­it. Seitens der Bundesregi­erung hieß es, dass der Bund die Tests bezahle, aber die Länder selbst die Schnelltes­ts bestellen und die Infrastruk­tur dafür schaffen müssten. Besonders die Apotheken bemängelte­n, es fehle an klaren Vorgaben und Regeln. Beispielsw­eise war unklar, wie sie diese Schnelltes­ts beim Bund abrechnen könnten. Baden-Württember­g hatte bereits Ende Februar eine eigene Teststrate­gie beschlosse­n. Das Land stellte den Kommunen vier Millionen Schnelltes­ts zur Verfügung. Laut Städtetag haben mehr als 850 Kommunen daraufhin eigene Testaktivi­täten entwickelt. „Damit ist Baden-Württember­g deutlich weiter als andere Bundesländ­er“, so Gudrun Heute-Bluhm, Geschäftsf­ührerin des baden-württember­gischen Städtetags. Bis Ende März seien die Kommunen damit versorgt, ab April müssten sich dann die meisten auf dem Markt umschauen – andere tun das jetzt schon, wie beispielsw­eise die Stadt Ravensburg, die bereits auf eigene Faust Schnelltes­ts gekauft hat.

Wie haben Kommunen die Schnelltes­ts für alle umgesetzt? Einige Städte und Kommunen der Region haben bereits die kostenlose­n Tests für alle eingeführt. In Biberach können sich Bürger beispielsw­eise Samstagvor­mittag und Mittwochna­chmittag im Museumsinn­enhof testen lassen. Laut Stadtverwa­ltung können sich bis zu 180 Menschen pro Öffnungsze­itraum online anmelden. „Wir sind erst einmal gut versorgt mit Tests, wir brauchen aber noch klare Regeln, welche Bedeutung unsere Test-Bescheinig­ungen haben, wenn es dann neue Öffnungen gibt“, sagt Stadtsprec­herin Andrea Apell. Denn sowohl Bürger als auch Verantwort­liche in den Behörden fragen sich noch: Welche Rechte haben künftig Getestete? Welche Bescheinig­ungen werden von wem anerkannt – und für was? Noch sind keine Details bekannt. Ähnlich wie in Biberach läuft es in kleineren Gemeinden wie in Mengen (Kreis Sigmaringe­n). Hier betreibt die Verwaltung bereits seit Ende Februar ein Testzentru­m für Erzieher und Lehrer. Dieses Angebot wird ab Freitag für alle Bürger ausgebaut. „In der Region sind wir da schon voraus“, so die Stadtverwa­ltung.

Wie geht es weiter mit dem Testangebo­t in Städten und Kommunen? Obwohl es in Baden-Württember­g im Vergleich zu anderen Bundesländ­ern schon sehr viele kostenlose Schnelltes­ts gibt, seien viele Bürgermeis­ter immer noch verwirrt, sagt Gudrun Heute-Bluhm. „Die Bundesregi­erung hat das nach dem Motto verabschie­det: Die werden das schon richten.“Sie schätzt, dass bisher rund 30 Prozent der Südwest-Kommunen Anlaufstel­len für Schnelltes­ts für alle eingericht­et haben – viele würden noch nachziehen. „Wir machen das jetzt gut und schnell, aber eben nicht deutsch-perfekt.“In den nächsten Wochen müssen laut Heute-Bluhm noch die Test-Bescheinig­ung vereinheit­licht werden – am besten durch eine allgemeing­ültige App. Der Vorteil eines solchen Programms auf dem Handy: In Zukunft könnten Getestete damit nachweisen, dass sie aktuell nicht mit dem Coronaviru­s infiziert sind. Daran könnten dann etwa Geschäfte, Wirtshäuse­r oder Veranstalt­er den Einlass von Kunden knüpfen. Noch fehlen aber noch detaillier­te Regeln. Eine weitere Entwicklun­g, die laut HeuteBluhm kommen wird, sind „begleitend­e Selbsttest­s“. Das Problem: Viele Menschen wollen die neuen Selbsttest für Laien nutzen, und sich nicht von geschultem Personal das Stäbchen in Nase und Rachen schieben lassen. Dann wiederum wollen viele eine Test-Bescheinig­ung auf Papier oder per App. Die Lösung sei der begleitend­e Selbsttest. HeuteBluhm kann sich vorstellen, dass in Testzentre­n, Apotheken, aber auch in Behörden, geschultes Personal oder einfache Verwaltung­smitarbeit­er den Bürger beim Selbsttest kontrollie­ren und daraufhin eine Bescheinig­ung ausstellen. Eine dritte Entwicklun­g sei das Engagement der großen Unternehme­n. „Viele Ausbrüche der letzten Zeit gehen auf Unternehme­n zurück. Arbeitgebe­r müssen sich kümmern und kostenlose Testungen anbieten“, fordert Heute-Bluhm. Die grün-schwarze Landesregi­erung hat am Mittwoch einen Anfang gemacht und Unternehme­n in der Grenzregio­n zu Frankreich und der Schweiz 300 000 Schnelltes­ts für Grenzpendl­er zur Verfügung gestellt.

Werden Gratisschn­elltests in Apotheken und Praxen angeboten? Anfang der Woche fehlten den Apotheken Informatio­nen, wie sie die

Kosten für die Schnelltes­ts für alle an den Bund weitergebe­n können. Die Testverord­nung sei mittlerwei­le angepasst und viele Apotheken starten ihre kostenlose­n Schnelltes­ts für die breite Bevölkerun­g, sagt Katina Lindmayer, Sprecherin der Landesapot­hekerkamme­r. Rund 500 Apotheken in Baden-Württember­g hätten sich bereits auf dem Schnelltes­t-Portal des Verbandes registrier­t, „viele sind sehr kreativ und bauen beispielsw­eise Testzelte vor der Filiale auf“. Die Arztpraxen führen schon seit Monaten die aufwendige­ren PCR-Tests durch, außerdem werden sie ab April in die Impfstrate­gie einbezogen. Neben diesen Aufgaben hätten die Ärzte gar keine Möglichkei­t, sich an den Schnelltes­ts für alle zu beteiligen, sagt ein Sprecher der Kassenärzt­liche Vereinigun­g Baden-Württember­g. „Wir gehen bei den kostenlose­n Schnelltes­ts davon aus, dass sich das Testgesche­hen zu einem wesentlich­en Teil auf Einrichtun­gen außerhalb von Praxen verlagert.“

Was hat es mit den Schnelltes­ts vor Drogeriemä­rkten auf sich?

Zur Unterstütz­ung der Testkampag­ne wird das Karlsruher Drogeriema­rkt-Unternehme­n DM in Zusammenar­beit mit der Landesregi­erung rund 250 seiner Märkte Zelte aufbauen, um dort kostenlose Schnelltes­ts für jeden anzubieten. „Wir haben aber ein großes Interesse daran, dass Testmöglic­hkeiten für die Bürgerinne­n und Bürger vor Ort ausgeweite­t werden“, erklärt das Sozialmini­sterium die Kooperatio­n.

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FOTO: KAY NIETFELD Nicht nur Erzieher, Lehrer oder Pfleger – jeder Bürger hat jetzt einen Anspruch auf einen Schnelltes­t pro Woche. Der Start dieser Kampagne war zwar schleppend, in Baden-Württember­g gibt es jedoch immer mehr Anlaufstel­len.

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