Nebel um Schnelltests lichtet sich
Trotz Startschwierigkeiten läuft das Gratisangebot der Kommunen und Apotheken an
RAVENSBURG - Seit Montag soll jeder Deutsche Anspruch auf einen kostenlosen Corona-Schnelltest pro Woche haben, die notwendigen Voraussetzungen hat das Bundesgesundheitsministerium laut Kritikern jedoch nicht geschaffen. In BadenWürttemberg haben sich Städte und Kommunen mithilfe der Landesregierung selbst geholfen – nun steigen auch die Apotheken ein. Fragen und Antworten zu den kostenlosen Schnelltests für alle.
Wie war die Ausgangslage?
Bei den Antigen-Schnelltests führt geschultes Personal – etwa in Apotheken oder Testzentren – den Test per tiefen Nasen- oder Rachenabstrich durch. Ein Ergebnis gibt es nach knapp 15 Minuten. Bisher waren diese Tests beispielsweise für Lehrer, Erzieher oder Pfleger gratis. Baden-Württembergs Landesregierung hat außerdem bekannt gegeben, dass Schüler der fünften und sechsten Klassen bei ihrer Rückkehr zweimal in der Woche getestet werden (siehe Seite 2). Seit dieser Woche hat aber auch jeder andere Bürger einen Anspruch auf einen Schnelltest pro Woche. Obwohl die Hersteller ausreichend Schnelltests auf Lager haben, herrschte zum Start der kostenlosen Aktion am Montag noch Unsicherheit. Seitens der Bundesregierung hieß es, dass der Bund die Tests bezahle, aber die Länder selbst die Schnelltests bestellen und die Infrastruktur dafür schaffen müssten. Besonders die Apotheken bemängelten, es fehle an klaren Vorgaben und Regeln. Beispielsweise war unklar, wie sie diese Schnelltests beim Bund abrechnen könnten. Baden-Württemberg hatte bereits Ende Februar eine eigene Teststrategie beschlossen. Das Land stellte den Kommunen vier Millionen Schnelltests zur Verfügung. Laut Städtetag haben mehr als 850 Kommunen daraufhin eigene Testaktivitäten entwickelt. „Damit ist Baden-Württemberg deutlich weiter als andere Bundesländer“, so Gudrun Heute-Bluhm, Geschäftsführerin des baden-württembergischen Städtetags. Bis Ende März seien die Kommunen damit versorgt, ab April müssten sich dann die meisten auf dem Markt umschauen – andere tun das jetzt schon, wie beispielsweise die Stadt Ravensburg, die bereits auf eigene Faust Schnelltests gekauft hat.
Wie haben Kommunen die Schnelltests für alle umgesetzt? Einige Städte und Kommunen der Region haben bereits die kostenlosen Tests für alle eingeführt. In Biberach können sich Bürger beispielsweise Samstagvormittag und Mittwochnachmittag im Museumsinnenhof testen lassen. Laut Stadtverwaltung können sich bis zu 180 Menschen pro Öffnungszeitraum online anmelden. „Wir sind erst einmal gut versorgt mit Tests, wir brauchen aber noch klare Regeln, welche Bedeutung unsere Test-Bescheinigungen haben, wenn es dann neue Öffnungen gibt“, sagt Stadtsprecherin Andrea Apell. Denn sowohl Bürger als auch Verantwortliche in den Behörden fragen sich noch: Welche Rechte haben künftig Getestete? Welche Bescheinigungen werden von wem anerkannt – und für was? Noch sind keine Details bekannt. Ähnlich wie in Biberach läuft es in kleineren Gemeinden wie in Mengen (Kreis Sigmaringen). Hier betreibt die Verwaltung bereits seit Ende Februar ein Testzentrum für Erzieher und Lehrer. Dieses Angebot wird ab Freitag für alle Bürger ausgebaut. „In der Region sind wir da schon voraus“, so die Stadtverwaltung.
Wie geht es weiter mit dem Testangebot in Städten und Kommunen? Obwohl es in Baden-Württemberg im Vergleich zu anderen Bundesländern schon sehr viele kostenlose Schnelltests gibt, seien viele Bürgermeister immer noch verwirrt, sagt Gudrun Heute-Bluhm. „Die Bundesregierung hat das nach dem Motto verabschiedet: Die werden das schon richten.“Sie schätzt, dass bisher rund 30 Prozent der Südwest-Kommunen Anlaufstellen für Schnelltests für alle eingerichtet haben – viele würden noch nachziehen. „Wir machen das jetzt gut und schnell, aber eben nicht deutsch-perfekt.“In den nächsten Wochen müssen laut Heute-Bluhm noch die Test-Bescheinigung vereinheitlicht werden – am besten durch eine allgemeingültige App. Der Vorteil eines solchen Programms auf dem Handy: In Zukunft könnten Getestete damit nachweisen, dass sie aktuell nicht mit dem Coronavirus infiziert sind. Daran könnten dann etwa Geschäfte, Wirtshäuser oder Veranstalter den Einlass von Kunden knüpfen. Noch fehlen aber noch detaillierte Regeln. Eine weitere Entwicklung, die laut HeuteBluhm kommen wird, sind „begleitende Selbsttests“. Das Problem: Viele Menschen wollen die neuen Selbsttest für Laien nutzen, und sich nicht von geschultem Personal das Stäbchen in Nase und Rachen schieben lassen. Dann wiederum wollen viele eine Test-Bescheinigung auf Papier oder per App. Die Lösung sei der begleitende Selbsttest. HeuteBluhm kann sich vorstellen, dass in Testzentren, Apotheken, aber auch in Behörden, geschultes Personal oder einfache Verwaltungsmitarbeiter den Bürger beim Selbsttest kontrollieren und daraufhin eine Bescheinigung ausstellen. Eine dritte Entwicklung sei das Engagement der großen Unternehmen. „Viele Ausbrüche der letzten Zeit gehen auf Unternehmen zurück. Arbeitgeber müssen sich kümmern und kostenlose Testungen anbieten“, fordert Heute-Bluhm. Die grün-schwarze Landesregierung hat am Mittwoch einen Anfang gemacht und Unternehmen in der Grenzregion zu Frankreich und der Schweiz 300 000 Schnelltests für Grenzpendler zur Verfügung gestellt.
Werden Gratisschnelltests in Apotheken und Praxen angeboten? Anfang der Woche fehlten den Apotheken Informationen, wie sie die
Kosten für die Schnelltests für alle an den Bund weitergeben können. Die Testverordnung sei mittlerweile angepasst und viele Apotheken starten ihre kostenlosen Schnelltests für die breite Bevölkerung, sagt Katina Lindmayer, Sprecherin der Landesapothekerkammer. Rund 500 Apotheken in Baden-Württemberg hätten sich bereits auf dem Schnelltest-Portal des Verbandes registriert, „viele sind sehr kreativ und bauen beispielsweise Testzelte vor der Filiale auf“. Die Arztpraxen führen schon seit Monaten die aufwendigeren PCR-Tests durch, außerdem werden sie ab April in die Impfstrategie einbezogen. Neben diesen Aufgaben hätten die Ärzte gar keine Möglichkeit, sich an den Schnelltests für alle zu beteiligen, sagt ein Sprecher der Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg. „Wir gehen bei den kostenlosen Schnelltests davon aus, dass sich das Testgeschehen zu einem wesentlichen Teil auf Einrichtungen außerhalb von Praxen verlagert.“
Was hat es mit den Schnelltests vor Drogeriemärkten auf sich?
Zur Unterstützung der Testkampagne wird das Karlsruher Drogeriemarkt-Unternehmen DM in Zusammenarbeit mit der Landesregierung rund 250 seiner Märkte Zelte aufbauen, um dort kostenlose Schnelltests für jeden anzubieten. „Wir haben aber ein großes Interesse daran, dass Testmöglichkeiten für die Bürgerinnen und Bürger vor Ort ausgeweitet werden“, erklärt das Sozialministerium die Kooperation.