Die Not der syrischen Kinder
Hungerkatastrophe zehn Jahre nach Kriegsbeginn
BERLIN - 50 Cent am Tag sichern, so Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU), das Überleben eines Kindes in Syrien. Das klingt nach wenig, doch das Geld fehlt. Denn es sind Millionen Kinder, die in Syrien und in den Nachbarländern auf Hilfe im Kampf gegen Hunger und Not angewiesen sind. Im vergangenen Jahr hätten 5,4 Milliarden Dollar Hilfsgelder gefehlt, um den wichtigsten Bedarf zu decken. „Wenn dieses Geld nicht da ist, dann ist die Alternative dazu, dass Essensrationen gekürzt werden, es keine Impfungen gibt und Schulprogramme eingestellt werden“, kritisierte Müller am Mittwoch in Berlin die mangelnde Hilfsbereitschaft der Weltgemeinschaft. Der Syrienkrieg habe sich zehn Jahre nach seinem Beginn zu einer Hungerkatastrophe entwickelt.
Nach Angaben des Entwicklungsministeriums und des Kinderhilfswerks Unicef sind sechs Millionen Kinder in dem Bürgerkriegsland auf humanitäre Hilfe angewiesen. „Während die Augen der Öffentlichkeit hier auf Corona gerichtet sind, habe die Not in Syrien weiter zugenommen“, sagte Christian Schneider, Geschäftsführer von Unicef Deutschland. Der Stress des täglichen Lebens habe inzwischen sogar die Angst vor dem Krieg verdrängt. Neun von zehn Kindern müssten arbeiten, um zum Überleben der Familie beizutragen, Töchter würden von ihren Eltern früh verheiratet. Die Folgen für die Entwicklung dieser Kinder seien verheerend. Jedes vierte von ihnen zeige Anzeichen psychosozialer Störungen bis hin zu Suizidgedanken.
Eine Friedenslösung für Syrien ist bislang nicht in Sicht. Und so leben gerade im Nordwesten des arabischen Landes, im Grenzgebiet zur Türkei und zum Irak, Millionen Menschen in Zelten, Camps und Notunterkünften. Dort sei auch die Gefahr für Leib und Leben der Kinder am größten. Von den 511 Mädchen und Jungen, die im vergangenen Jahr dem Krieg zum Opfer fielen, seien drei Viertel von ihnen in dieser Region getötet worden, teilte Unicef mit. Viele starben bei Angriffen auf Schulen und Gesundheitseinrichtungen. Die Situation der syrischen Kinder sei nach fast einem Jahrzehnt der Gewalt heute schlimmer als je zuvor, beklagt die Hilfsorganisation.
Die Hoffnung für Syrien liegt laut Unicef in den Kindern selbst. „Trotz der Gewalt, die sie erleben, trotz körperlicher Beeinträchtigungen infolge des Krieges geben sie den Traum von einer besseren Zukunft nicht auf“, sagte Ted Chaiban, Regionaldirektor für den Mittleren Osten und Nordafrika. In diesem Jahr benötigt Unicef rund 1,4 Milliarden Euro, um den Kindern in Syrien und seinen Nachbarländern zu helfen. Das Geld fließt in Lernprogramme, um Bildungschancen zu erhalten, aber auch in Impfungen gegen Krankheiten wie Masern und Kinderlähmung.