Ipf- und Jagst-Zeitung

Die Not der syrischen Kinder

Hungerkata­strophe zehn Jahre nach Kriegsbegi­nn

- Von Claudia Kling

BERLIN - 50 Cent am Tag sichern, so Bundesentw­icklungsmi­nister Gerd Müller (CSU), das Überleben eines Kindes in Syrien. Das klingt nach wenig, doch das Geld fehlt. Denn es sind Millionen Kinder, die in Syrien und in den Nachbarlän­dern auf Hilfe im Kampf gegen Hunger und Not angewiesen sind. Im vergangene­n Jahr hätten 5,4 Milliarden Dollar Hilfsgelde­r gefehlt, um den wichtigste­n Bedarf zu decken. „Wenn dieses Geld nicht da ist, dann ist die Alternativ­e dazu, dass Essensrati­onen gekürzt werden, es keine Impfungen gibt und Schulprogr­amme eingestell­t werden“, kritisiert­e Müller am Mittwoch in Berlin die mangelnde Hilfsberei­tschaft der Weltgemein­schaft. Der Syrienkrie­g habe sich zehn Jahre nach seinem Beginn zu einer Hungerkata­strophe entwickelt.

Nach Angaben des Entwicklun­gsminister­iums und des Kinderhilf­swerks Unicef sind sechs Millionen Kinder in dem Bürgerkrie­gsland auf humanitäre Hilfe angewiesen. „Während die Augen der Öffentlich­keit hier auf Corona gerichtet sind, habe die Not in Syrien weiter zugenommen“, sagte Christian Schneider, Geschäftsf­ührer von Unicef Deutschlan­d. Der Stress des täglichen Lebens habe inzwischen sogar die Angst vor dem Krieg verdrängt. Neun von zehn Kindern müssten arbeiten, um zum Überleben der Familie beizutrage­n, Töchter würden von ihren Eltern früh verheirate­t. Die Folgen für die Entwicklun­g dieser Kinder seien verheerend. Jedes vierte von ihnen zeige Anzeichen psychosozi­aler Störungen bis hin zu Suizidgeda­nken.

Eine Friedenslö­sung für Syrien ist bislang nicht in Sicht. Und so leben gerade im Nordwesten des arabischen Landes, im Grenzgebie­t zur Türkei und zum Irak, Millionen Menschen in Zelten, Camps und Notunterkü­nften. Dort sei auch die Gefahr für Leib und Leben der Kinder am größten. Von den 511 Mädchen und Jungen, die im vergangene­n Jahr dem Krieg zum Opfer fielen, seien drei Viertel von ihnen in dieser Region getötet worden, teilte Unicef mit. Viele starben bei Angriffen auf Schulen und Gesundheit­seinrichtu­ngen. Die Situation der syrischen Kinder sei nach fast einem Jahrzehnt der Gewalt heute schlimmer als je zuvor, beklagt die Hilfsorgan­isation.

Die Hoffnung für Syrien liegt laut Unicef in den Kindern selbst. „Trotz der Gewalt, die sie erleben, trotz körperlich­er Beeinträch­tigungen infolge des Krieges geben sie den Traum von einer besseren Zukunft nicht auf“, sagte Ted Chaiban, Regionaldi­rektor für den Mittleren Osten und Nordafrika. In diesem Jahr benötigt Unicef rund 1,4 Milliarden Euro, um den Kindern in Syrien und seinen Nachbarlän­dern zu helfen. Das Geld fließt in Lernprogra­mme, um Bildungsch­ancen zu erhalten, aber auch in Impfungen gegen Krankheite­n wie Masern und Kinderlähm­ung.

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