Geld in Mengen verzockt
Die Stadt im Kreis Sigmaringen zittert um drei Millionen Euro, die bei der überschuldeten Bank Greensill liegen
FRANKFURT/MENGEN - Die Turbulenzen um die Bremer GreensillBank haben auch Auswirkungen auf Kommunen in Baden-Württemberg – dazu gehören auch die Donaustadt Mengen im Kreis Sigmaringen und Bad Dürrheim im Schwarzwald. Mengen hat drei Millionen Euro bei Greensill angelegt, Bad Dürrheim zwei Millionen. „An das Geld kommen wir aktuell nicht mehr ran“, sagt Mengens Stadtkämmerer Holger Kuhn. Auch Bad Dürrheim hat aktuell keinen Zugriff auf das angelegte Geld. Hintergrund ist die Tatsache, dass die Finanzdienstleistungsaufsicht Bafin vergangene Woche ein Moratorium wegen drohender Überschuldung für Greensill angeordnet hat. Das bedeutet faktisch den Stopp aller Geschäfte bei der Bremer Bank. Auch Ein- oder Auszahlungen sind nicht mehr möglich. „Darüber sind wir geschockt. Wir hoffen auch im Fall einer Insolvenz auf einen Teilersatz, müssten aber von großen Verlusten ausgehen“, erklärt Mengens Bürgermeister Stefan Bubeck.
Ähnliche Probleme haben auch andere Städte quer durch die Republik: Ob Wiesbaden, Gießen, Osnabrück, Emmerich am Rhein, Mohnheim oder Neckarsulm. Die Liste der Kommunen und Städte, die Gelder bei Greensill angelegt haben, wird immer länger. Insgesamt sollen rund 50 Kommunen betroffen sein. Das Volumen könnte sich auf insgesamt eine halbe Milliarde Euro belaufen. Auch der Freistaat Thüringen musste zugeben, Termingeldanlagen im Volumen von 50 Millionen Euro bei Greensill angelegt zu haben. Auch öffentlich-rechtliche Sender wie NDR und SWR sind mit von der schlechten Partie.
In den meisten dieser Fälle waren wohl zwei Gründe ausschlaggebend für die Geldanlage bei Greensill: Im
Nullzinsumfeld drohen Anlegern mit größeren Vermögen mittlerweile bei Banken auch Minuszinsen. Dagegen bot Greensill immerhin noch Zinsen von bis zu knapp einem Prozent. In Bad Dürrheim hat die Stadtverwaltung die zwei Millionen Euro erst im Januar bei Greensill angelegt, was „besonders bitter“sei. Doch wäre es eben nötig gewesen, das Geld auch bei Greensill anzulegen, „da für die bisherige Anlage ein Negativzins angedroht wurde“.
Bei der Stadt Mengen verhält es sich ähnlich. Grund für die Auswahl der Greensill Bank seien Negativzinsen in Höhe von minus 0,5 Prozent für die bisherigen Anlagen bei regionalen Banken gewesen. Die Stadt Mengen verfügt nach eigenen Angaben aktuell über ein Finanzvermögen in Höhe von rund neun Millionen Euro. Davon habe die Stadt sechs Millionen bei drei Geldinstituten in unterschiedlichen Festgeldkonten zu geringen positiven Zinssätzen angelegt – darunter die Greensill Bank. „Uns ging es bei der Differenzierung der Anlagen nicht um die Höhe des Zinses, wir wollten aber auch nicht, dass sich die Einlage verringert“, sagt Mengens Bürgermeister Bubeck über den Vorgang.
Der zweite Grund liegt in der Ansicht begründet, bei Greensill handele es sich um eine seriöse und stabile Bank. Immerhin bescheinigten Rating-Agenturen dem Kreditinstitut bislang ein gutes Rating. „Gegen aktiven Betrug, der nur mit einer großen kriminellen Energie begangen werden kann, ist kein ordentlicher Kaufmann gefeit“, sagte der Mengener Stadtkämmerer Kuhn.
Zwar haben viele Kommunen den gleichen Fehler gemacht und sich in der Bank getäuscht. Allerdings zeigt der Fall auch, dass sie alle offenbar nicht genau genug hingeschaut haben. „Das sind wirklich Millionenbeträge, um die es bei den Kommunen geht“, sagte Michael Peters, Referent für Finanzmärkte bei der Bürgerbewegung Finanzwende dieser Zeitung. „Die bei einer Bank anzulegen, die ein bisschen mehr Zinsen bringt, ist fragwürdig. Man sollte sich dann schon genau überlegen, was dem für ein Risiko gegenübersteht“.
Greensill ist auf Lieferketten-Finanzierungen spezialisiert. Sie bezahlt ausstehende Forderungen eines Lieferanten an einen Kunden, sodass die Geschäfte reibungsloser und schneller laufen können. Die Forderungen wiederum hat Greensill gebündelt und in Form von Wertpapieren bei Investoren platziert, also damit spekuliert. In den vergangenen Jahren schwoll die Bilanzsumme von Greensill in Deutschland stark an. Denn die Bremer sammelten über
Onlineportale wie Zinspilot und Weltsparen viel Geld von Sparern und Anlegern ein, indem sie im Nullzinsumfeld Zinsen versprachen. Insgesamt, so heißt es in Finanzkreisen, sind bei Greensill Einlagen in Höhe von 3,6 Milliarden Euro gefährdet. Davon ist wohl der Großteil von gut drei Milliarden Euro über die gesetzliche Einlagensicherung und den Einlagensicherungsfonds der Privatbanken abgesichert. Für Städte und Kommunen allerdings gilt das nicht. Denn Kommunen sind seit 2017 von der Sicherung der Privatbanken ausgeschlossen.
Inzwischen hat bei der GreensillMutter in Großbritannien der Insolvenzverwalter das Ruder übernommen. Sollte Greensill auch in Deutschland Insolvenz anmelden, wäre es für die betroffenen Kommunen mehr als ungewiss, ob sie ihr Geld wieder sehen.
Hinweise, dass bei Greensill etwas nicht stimmen könnte, gab es schon vorher. Michael Peters: „Unter den Augen der Finanzaufsicht Bafin ist hier eine Bank offenbar in massive Schieflage geraten. Dies wirft natürlich die Frage auf, ob die Bankenaufsicht ausreichend agiert hat“, sagt Finanzexperte Peters. Angesichts des Versagens der Bafin bei Wirecard und früheren Anlagepleiten wäre es nicht das erste Mal, dass die Aufsicht zu wenig getan oder zu spät reagiert habe. Das kritisieren nun auch einige der mutmaßlich geschädigten Kommunen. Hätte die Bafin früher ihren Verdacht und die Sonderüberprüfungen öffentlich gemacht, hätte die Stadt Mengen kein Geld mehr dort angelegt, kritisierte Mengens Bürgermeister Bubeck.
Im Raum steht bei Greensill unter anderem der Verdacht der Bilanzmanipulation. Deswegen hat die Bonner Finanzdienstleistungsaufsicht Bafin auch Anzeige gegen verantwortliche Manager des Geldhauses erstattet. Vor wenigen Wochen setzte die Bonner Behörde einen Sonderprüfer bei Greensill ein, Ergebnis: Die Bank sei nicht in der Lage, den Nachweis über die Existenz bestimmter Forderungen zu erbringen.