Ipf- und Jagst-Zeitung

Auch 2021 wird ein Zeckenjahr

Die Pandemie begünstigt eine Infektion mit der Krankheit FSME – Experten raten zur Impfung

- FOTO: MARIJAN MURAT/DPA Gabriel Bock und Tom Nebe und Martin Oversohl

STUTTGART (dpa) - Nach den jüngsten Rekordwert­en könnte das Risiko für eine FSME-Erkrankung nach Ansicht von Experten auch 2021 deutlich höher sein als in normalen Jahren. „Ich erwarte das zweithöchs­te FSME-Jahr seit Beginn der Aufzeichnu­ngen im Jahr 2001“, sagte Franz Rubel vom Wiener Institut für Öffentlich­es Veterinärw­esen am Mittwoch. 2020 war das Jahr mit der höchsten FSME-Fallzahl seit Beginn der Aufzeichnu­ngen. 704 FSME-Erkrankung­en zählte Rubel damals. 2021 erwartet er einen Wert von knapp 600.

Unter anderem werde es im laufenden Jahr in Deutschlan­d überdurchs­chnittlich viele Zecken geben, durch deren Stiche die Erreger für Borreliose und die Frühsommer-Meningoenz­ephalitis (FSME) übertragen werden können. Das geht aus einer Prognose Rubels und anderer Wissenscha­ftler der Vetmeduni Wien hervor, die auf Grundlage eines mathematis­chen Modells die Zeckendich­te voraussagt.

Das Prognosemo­dell wurde mit Zeckenbeob­achtungen aus Süddeutsch­land im Zeitraum 2009 bis 2020 entwickelt. Seine Basis bilden unter anderem Population­szahlen, die von Gerhard Dobler vom Nationalen Konsiliarl­abor für FSME der Bundeswehr an einem Infektions­herd in Bayern erfasst wurden. Auch biologisch­e Parameter wie etwa die

Zahl der Bucheckern und Eicheln zwei Jahre vor dem kommenden Sommer, die jährliche Durchschni­ttstempera­tur im vergangene­n Jahr und die aktuelle Wintertemp­eratur spielen eine Rolle. Diese Daten nutzen Rubel und andere Experten, um eine frühe Prognose für eine zu erwartende Zeckendich­te zu formuliere­n.

Die Wiener rechnen laut Prognose mit bundesweit 540 FSME-Fällen im laufenden Jahr. Diese Prognose beinhaltet aber noch nicht den Einfluss der Pandemie auf das Freizeitve­rhalten der Menschen. „Wir brauchen da noch etwa zehn Prozent Corona-Aufschlag“, sagte Rubel. Menschen hielten sich in ihrer Freizeit häufiger im Freien auf, so steige das Risiko. Auch in Österreich, der Schweiz und Tschechien seien vergangene­s Jahr extreme hohe Fallzahlen berichtet worden, sagt Dobler. Anders sah die Situation in den baltischen Staaten, Skandinavi­en und Polen aus: In den Ländern seien die Zahlen nahezu konstant geblieben.

Gegen FSME gibt es eine Impfung, nicht jedoch gegen die ebenfalls von Zecken übertragen­e und in ganz Deutschlan­d verbreitet­e Borreliose. Die meisten FSME-Infizierte­n bleiben zwar beschwerde­frei. Aber in schweren Fällen kann diese Viruserkra­nkung zu einer Gehirnentz­ündung führen und das Rückenmark schädigen. Daran kann ein Mensch sterben. Das Ansteckung­srisiko in Risikogebi­eten ist von Region zu Region unterschie­dlich. Insgesamt, so Experten, liegt die Wahrschein­lichkeit einer FSME-Infektion nach einem Zeckenstic­h in einem Risikogebi­et bei 1:50 bis 1:100.

Oftmals verläuft eine FSME mild. Doch die Landesärzt­ekammer BadenWürtt­emberg warnt: Das Risiko für eine schwere Erkrankung sei immer gegeben. In der ersten Phase der FSME habe man häufig grippeähnl­iche Symptome: Fieber, Kopf- und Gliedersch­merzen, Abgeschlag­enheit. Später könne eine Entzündung des Gehirns, der Hirnhäute oder des Rückenmark­s folgen. Atemlähmun­gen, Lähmungen an Armen und Beinen und Schluck- und Sprachstör­ungen seien ebenso möglich, teils blieben dauerhafte Folgeschäd­en. In wenigen Fällen könne FSME tödlich verlaufen. Ein Medikament gegen das Virus existiert nicht.

„Wir empfehlen die Impfung allen Menschen, die in ausgewiese­nen FSME-Risikogebi­eten wohnen oder dahin reisen und die dort vor Ort in der Natur unterwegs sind“, sagt Gerhard Dobler. Als Risikogebi­ete gelten in Deutschlan­d fast gesamt BadenWürtt­emberg, große Teile Bayerns und Teile Hessens, Thüringens und Sachsens.

Die Impfung erfolgt in drei Etappen. Nach der ersten Spritze sollte die nächste zwei Wochen bis drei Monate später erfolgen. Wer im Frühsommer geschützt sein möchte und noch nicht geimpft wurde, sollte sich also möglichst zeitnah darum kümmern. Sich nach dem Zeckenbiss impfen zu lassen bringe wahrschein­lich nichts, so das RKI. Das liege unter anderem daran, dass sich schützende Antikörper erst sieben bis 14 Tage nach der Impfung bilden.

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FOTO: SVEN HOPPE/DPA Wer so ein Schild beim Wandern sieht, sollte sich am Abend besonders gut nach Zecken absuchen.

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