Auch 2021 wird ein Zeckenjahr
Die Pandemie begünstigt eine Infektion mit der Krankheit FSME – Experten raten zur Impfung
STUTTGART (dpa) - Nach den jüngsten Rekordwerten könnte das Risiko für eine FSME-Erkrankung nach Ansicht von Experten auch 2021 deutlich höher sein als in normalen Jahren. „Ich erwarte das zweithöchste FSME-Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 2001“, sagte Franz Rubel vom Wiener Institut für Öffentliches Veterinärwesen am Mittwoch. 2020 war das Jahr mit der höchsten FSME-Fallzahl seit Beginn der Aufzeichnungen. 704 FSME-Erkrankungen zählte Rubel damals. 2021 erwartet er einen Wert von knapp 600.
Unter anderem werde es im laufenden Jahr in Deutschland überdurchschnittlich viele Zecken geben, durch deren Stiche die Erreger für Borreliose und die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) übertragen werden können. Das geht aus einer Prognose Rubels und anderer Wissenschaftler der Vetmeduni Wien hervor, die auf Grundlage eines mathematischen Modells die Zeckendichte voraussagt.
Das Prognosemodell wurde mit Zeckenbeobachtungen aus Süddeutschland im Zeitraum 2009 bis 2020 entwickelt. Seine Basis bilden unter anderem Populationszahlen, die von Gerhard Dobler vom Nationalen Konsiliarlabor für FSME der Bundeswehr an einem Infektionsherd in Bayern erfasst wurden. Auch biologische Parameter wie etwa die
Zahl der Bucheckern und Eicheln zwei Jahre vor dem kommenden Sommer, die jährliche Durchschnittstemperatur im vergangenen Jahr und die aktuelle Wintertemperatur spielen eine Rolle. Diese Daten nutzen Rubel und andere Experten, um eine frühe Prognose für eine zu erwartende Zeckendichte zu formulieren.
Die Wiener rechnen laut Prognose mit bundesweit 540 FSME-Fällen im laufenden Jahr. Diese Prognose beinhaltet aber noch nicht den Einfluss der Pandemie auf das Freizeitverhalten der Menschen. „Wir brauchen da noch etwa zehn Prozent Corona-Aufschlag“, sagte Rubel. Menschen hielten sich in ihrer Freizeit häufiger im Freien auf, so steige das Risiko. Auch in Österreich, der Schweiz und Tschechien seien vergangenes Jahr extreme hohe Fallzahlen berichtet worden, sagt Dobler. Anders sah die Situation in den baltischen Staaten, Skandinavien und Polen aus: In den Ländern seien die Zahlen nahezu konstant geblieben.
Gegen FSME gibt es eine Impfung, nicht jedoch gegen die ebenfalls von Zecken übertragene und in ganz Deutschland verbreitete Borreliose. Die meisten FSME-Infizierten bleiben zwar beschwerdefrei. Aber in schweren Fällen kann diese Viruserkrankung zu einer Gehirnentzündung führen und das Rückenmark schädigen. Daran kann ein Mensch sterben. Das Ansteckungsrisiko in Risikogebieten ist von Region zu Region unterschiedlich. Insgesamt, so Experten, liegt die Wahrscheinlichkeit einer FSME-Infektion nach einem Zeckenstich in einem Risikogebiet bei 1:50 bis 1:100.
Oftmals verläuft eine FSME mild. Doch die Landesärztekammer BadenWürttemberg warnt: Das Risiko für eine schwere Erkrankung sei immer gegeben. In der ersten Phase der FSME habe man häufig grippeähnliche Symptome: Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen, Abgeschlagenheit. Später könne eine Entzündung des Gehirns, der Hirnhäute oder des Rückenmarks folgen. Atemlähmungen, Lähmungen an Armen und Beinen und Schluck- und Sprachstörungen seien ebenso möglich, teils blieben dauerhafte Folgeschäden. In wenigen Fällen könne FSME tödlich verlaufen. Ein Medikament gegen das Virus existiert nicht.
„Wir empfehlen die Impfung allen Menschen, die in ausgewiesenen FSME-Risikogebieten wohnen oder dahin reisen und die dort vor Ort in der Natur unterwegs sind“, sagt Gerhard Dobler. Als Risikogebiete gelten in Deutschland fast gesamt BadenWürttemberg, große Teile Bayerns und Teile Hessens, Thüringens und Sachsens.
Die Impfung erfolgt in drei Etappen. Nach der ersten Spritze sollte die nächste zwei Wochen bis drei Monate später erfolgen. Wer im Frühsommer geschützt sein möchte und noch nicht geimpft wurde, sollte sich also möglichst zeitnah darum kümmern. Sich nach dem Zeckenbiss impfen zu lassen bringe wahrscheinlich nichts, so das RKI. Das liege unter anderem daran, dass sich schützende Antikörper erst sieben bis 14 Tage nach der Impfung bilden.