Quarantäne-Randalierer vor Gericht
Bewährungsstrafe für früheren LEA-Bewohner
ELLWANGEN - Der Corona-Ausbruch unter Hunderten Bewohnern in der Ellwanger Landeserstaufnahmestelle für Flüchtlinge hat der Stadt im Frühjahr 2020 keine Wahl gelassen: Am 5. April verhängte sie eine Ausgangs- und Kontaktsperre. Die „Massenquarantäne“führte zu erheblichen Belastungen und sogar zum Lagerkoller bei Flüchtlingen. Am 17. April verlängerte die Stadt die Maßnahme. Drei Tage später ereignete sich auf dem LEA-Gelände ein Zwischenfall mit einem positiv auf Covid-19 getesteten Iraker, der Polizeibeamte übel beschimpfte, bespuckte und mit Kaffee bewarf. Jetzt musste sich der 34-Jährige wegen vorsätzlicher Körperverletzung, Beleidigung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte im Ellwanger Amtsgericht verantworten.
„Das stimmt alles nicht“, erklärte der Beschuldigte über einen Dolmetscher. Er habe die Polizei nicht angegriffen. Erregt schilderte der Mann, über dessen Asylantrag noch nicht entschieden ist, er habe Kaffee in Richtung der Polizisten geworfen, nachdem sie ihm Pfefferspray ins Gesicht gesprüht hätten. Dann hätten sie ihn zu Boden geworfen und ihm eine Tüte über den Kopf gezogen: „Ich war gefesselt und bekam keine Luft.“Er halte sich seit einem Jahr in Deutschland auf und lebe jetzt in einer Unterkunft in Tauberbischofsheim. Für die Bahnfahrt nach Ellwangen wurde ihm eine Fahrkarte zur Verfügung gestellt.
Aus dem Mund von sechs Polizeibeamten, die Amtsgerichtsdirektor Norbert Strecker als Zeugen vernahm, hörte sich das ganz anders an. Die Beamten hielten sich jenseits des Zauns auf, um die Einhaltung der Quarantänemaßnahmen zu überwachen und bei Verstößen einzuschreiten. Das taten sie, als sie einen LEABewohner auf der Höhe des Sportplatzes
bemerkten, der das Gelände verlassen wollte. Daraufhin habe der Angeklagte versucht, über den Zaun zu klettern. Mit Schimpfwörtern wie „Fuck German Police“habe er sie lautstark beleidigt, Drohungen wie „I will kill you“gebrüllt, sie bespuckt und mit Kaffee aus seinem Becher beworfen: „Er war renitent und sehr aggressiv. Wir haben seine Drohungen ernst genommen.“
Zwar wurde niemand ernsthaft verletzt, doch die Beamten schilderten unisono das Gefühl des Ekels. Das eingesetzte Pfefferspray habe keine Wirkung gezeigt. Mithilfe einer weiteren Streife konnte der Randalierer schließlich überwältigt werden. Weil er ständig den Kopf gedreht und gespuckt habe, so die Zeugen, habe man ihm einen Spuckschutz angelegt. Die elf beteiligten Beamten mussten für zwei Wochen in Quarantäne und bangten um die eigene Gesundheit und die ihrer Familien.
Während einer Verhandlungspause redete Pflichtverteidiger Timo Fuchs seinem Mandanten ins Gewissen. Dieser besann sich, „kriegte gerade noch die Kurve“(Fuchs), gestand und entschuldigte sich bei den Beamten. Er habe sich nicht im Griff gehabt: „Ich war schon zwei Monate eingesperrt und hatte keine Zigaretten.“Diese Behauptung wurde durch die Aussage eines Beamten allerdings relativiert – man habe beim Angeklagten Tabak und Utensilien zum Zigarettendrehen gefunden.
Dennoch wertete Staatsanwältin Doreen Sachs das späte Geständnis positiv. Norbert Strecker schloss sich ihrem Strafantrag an und verurteilte den Angeklagten zu neun Monaten auf Bewährung und 60 Stunden gemeinnütziger Arbeit. „Die Polizei“, mahnte Strecker, „schützt nicht nur die Deutschen, sondern alle, die hier leben.“Die Bewährungszeit beträgt drei Jahre. Der Verurteilte trägt die Kosten des Verfahrens.