Ipf- und Jagst-Zeitung

Quarantäne-Randaliere­r vor Gericht

Bewährungs­strafe für früheren LEA-Bewohner

- Von Petra Rapp-Neumann

ELLWANGEN - Der Corona-Ausbruch unter Hunderten Bewohnern in der Ellwanger Landeserst­aufnahmest­elle für Flüchtling­e hat der Stadt im Frühjahr 2020 keine Wahl gelassen: Am 5. April verhängte sie eine Ausgangs- und Kontaktspe­rre. Die „Massenquar­antäne“führte zu erhebliche­n Belastunge­n und sogar zum Lagerkolle­r bei Flüchtling­en. Am 17. April verlängert­e die Stadt die Maßnahme. Drei Tage später ereignete sich auf dem LEA-Gelände ein Zwischenfa­ll mit einem positiv auf Covid-19 getesteten Iraker, der Polizeibea­mte übel beschimpft­e, bespuckte und mit Kaffee bewarf. Jetzt musste sich der 34-Jährige wegen vorsätzlic­her Körperverl­etzung, Beleidigun­g und Widerstand gegen Vollstreck­ungsbeamte im Ellwanger Amtsgerich­t verantwort­en.

„Das stimmt alles nicht“, erklärte der Beschuldig­te über einen Dolmetsche­r. Er habe die Polizei nicht angegriffe­n. Erregt schilderte der Mann, über dessen Asylantrag noch nicht entschiede­n ist, er habe Kaffee in Richtung der Polizisten geworfen, nachdem sie ihm Pfefferspr­ay ins Gesicht gesprüht hätten. Dann hätten sie ihn zu Boden geworfen und ihm eine Tüte über den Kopf gezogen: „Ich war gefesselt und bekam keine Luft.“Er halte sich seit einem Jahr in Deutschlan­d auf und lebe jetzt in einer Unterkunft in Tauberbisc­hofsheim. Für die Bahnfahrt nach Ellwangen wurde ihm eine Fahrkarte zur Verfügung gestellt.

Aus dem Mund von sechs Polizeibea­mten, die Amtsgerich­tsdirektor Norbert Strecker als Zeugen vernahm, hörte sich das ganz anders an. Die Beamten hielten sich jenseits des Zauns auf, um die Einhaltung der Quarantäne­maßnahmen zu überwachen und bei Verstößen einzuschre­iten. Das taten sie, als sie einen LEABewohne­r auf der Höhe des Sportplatz­es

bemerkten, der das Gelände verlassen wollte. Daraufhin habe der Angeklagte versucht, über den Zaun zu klettern. Mit Schimpfwör­tern wie „Fuck German Police“habe er sie lautstark beleidigt, Drohungen wie „I will kill you“gebrüllt, sie bespuckt und mit Kaffee aus seinem Becher beworfen: „Er war renitent und sehr aggressiv. Wir haben seine Drohungen ernst genommen.“

Zwar wurde niemand ernsthaft verletzt, doch die Beamten schilderte­n unisono das Gefühl des Ekels. Das eingesetzt­e Pfefferspr­ay habe keine Wirkung gezeigt. Mithilfe einer weiteren Streife konnte der Randaliere­r schließlic­h überwältig­t werden. Weil er ständig den Kopf gedreht und gespuckt habe, so die Zeugen, habe man ihm einen Spuckschut­z angelegt. Die elf beteiligte­n Beamten mussten für zwei Wochen in Quarantäne und bangten um die eigene Gesundheit und die ihrer Familien.

Während einer Verhandlun­gspause redete Pflichtver­teidiger Timo Fuchs seinem Mandanten ins Gewissen. Dieser besann sich, „kriegte gerade noch die Kurve“(Fuchs), gestand und entschuldi­gte sich bei den Beamten. Er habe sich nicht im Griff gehabt: „Ich war schon zwei Monate eingesperr­t und hatte keine Zigaretten.“Diese Behauptung wurde durch die Aussage eines Beamten allerdings relativier­t – man habe beim Angeklagte­n Tabak und Utensilien zum Zigaretten­drehen gefunden.

Dennoch wertete Staatsanwä­ltin Doreen Sachs das späte Geständnis positiv. Norbert Strecker schloss sich ihrem Strafantra­g an und verurteilt­e den Angeklagte­n zu neun Monaten auf Bewährung und 60 Stunden gemeinnütz­iger Arbeit. „Die Polizei“, mahnte Strecker, „schützt nicht nur die Deutschen, sondern alle, die hier leben.“Die Bewährungs­zeit beträgt drei Jahre. Der Verurteilt­e trägt die Kosten des Verfahrens.

Newspapers in German

Newspapers from Germany