Ipf- und Jagst-Zeitung

Das Karma des Überfliege­rs

Erling Haaland schießt Dortmund ins Viertelfin­ale der Champions League und stellt neue Rekorde auf

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DORTMUND (dpa) - Ein unersättli­cher Torjäger, ein kurioser Videobewei­s und hitzige Wortgefech­te – der erste Einzug von Borussia Dortmund ins Viertelfin­ale der Fußball Champions League seit 2017 geriet auch ohne Zuschauer zum Spektakel. Selbst Minuten nach dem 2:2 (1:0) gegen den FC Sevilla schien der Adrenalins­piegel bei allen Beteiligte­n noch immer nahe am Maximum. Auch Edin Terzic fiel es schwer, wieder zur Ruhe zu kommen. „Als kleiner Junge hatte ich den großen Traum, mit Fußball alt zu werden. Jetzt habe ich das Gefühl, ich werde alt wegen Fußball“, kommentier­te der 38-jährige BVB-Trainer im Anschluss an den furiosen Fußball-Krimi mit Happy End.

Dank Erling Haaland blieb dem Trainer die Trauer erspart. In unnachahml­icher Manier pflegte der Sturmhüne seinen Ruf als norwegisch­e Naturgewal­t

und wurde in spanischen Medien als „Gigant aus der Kälte“gefeiert. Mit seinen beiden Treffern (35./ 54., Foulelfmet­er) verbessert­e er seine sagenhafte Quote auf 20 Tore in 14 Königsklas­se-Spielen. Für diese Marke benötigte er zehn Partien weniger als der bisherige Rekordhalt­er Harry Kane (Tottenham). Zudem traf Haaland als erster Profi bei vier aufeinande­rfolgenden Einsätzen doppelt. „Erl ist herausrage­nd. Das macht uns stolz, dass er den Rekord in unserem Trikot weiterführ­t“, schwärmte Terzic.

Selbst der gegnerisch­e Trainer empfand nach der neuerliche­n Haaland-Show Ehrfurcht. „Das Spiel wurde durch einen Spieler entschiede­n, der eine neue Ära prägen wird. Da bin ich sicher“, befand Julen Lopetegui, dessen Team schon beim 2:3 im Hinspiel drei Wochen zuvor zwei Tore des besten Champions-League-Schützen

(zehn Tore) der laufenden Saison hatte hinnehmen müssen.

Der imposante Auftritt des zum „Man of the Match“gekürten und vertraglic­h bis 2024 gebundenen Angreifers schürte weitere Spekulatio­n über einen Vereinswec­hsel bereits in diesem Sommer. Darauf reagierte BVBSportdi­rektor Michael Zorc am Rande der Partie in einem „Sky“-Interview genervt: „Das Spielchen können wir natürlich jetzt jedes Mal wieder machen, brauchen wir aber nicht. Wir haben unsere Haltung, wir haben schon mehrfach betont, dass wir weiter mit ihm planen.“

Nicht nur Haaland, sondern auch Schiedsric­hter Cüneyt Cakir sorgte für reichlich Aufregung und bereichert­e mit seinem Referee-Team die Geschichte des Videobewei­ses um eine weitere Kuriosität. Der Türke verweigert­e dem vermeintli­chen 2:0 von

Haaland im Nachhinein die Anerkennun­g und gab stattdesse­n Elfmeter für den BVB wegen eines Fouls drei Minuten zuvor. Den Strafstoß von Haaland hielt FC-Keeper Yassine Bounou, hatte sich dabei aber zu früh von der Torlinie wegbewegt. Deshalb erhielt der Norweger eine zweite Chance – und traf. „Beim zweiten Elfmeter war ich schon ein wenig nervös“, gestand der Schütze.

Zu seiner Nervosität trug ein hitziges Wortduell mit Bounou bei. „Als er mich nach dem ersten Elfmeter angeschrie­n hat, dachte ich, es wäre umso besser, noch ein weiteres Tor zu schießen“, kommentier­te Haaland mit schelmisch­em Grinsen. Dass er sich nach seinem zweiten Elfmeter beim Keeper revanchier­te, sorgte für minutenlan­ge Rudelbildu­ng und brachte ihm die Gelbe Karte ein. Den Wortlaut des Disputes wollte Haaland nicht preisgeben: „Ich habe ihm das gesagt, was er zu mir gesagt hat, nachdem ich den ersten Elfmeter verschosse­n hatte. Vielleicht ist das Karma.“

Dass die Spanier trotz des 0:2 nicht aufsteckte­n und nach den Toren von Youssef En-Nesyri (69./Foulelfmet­er und 90.+6) der Verlängeru­ng nahe waren, erhöhte den Unterhaltu­ngswert der Partie. „Ein geiler Fight, ein geiles Weiterkomm­en. Das haben wir uns verdient“, urteilte BVB-Lizenzspie­lerchef Sebastian Kehl. Terzic hofft, dass der Erfolg Auftrieb für den Liga-Endspurt gibt, in dem der BVB als Tabellense­chster vier Zähler hinter Rang vier um die erneute Qualifikat­ion für die Champions League kämpft: „Wir werden uns darauf nicht ausruhen und werden den Weg weiter gehen. Das ist das Verspreche­n. Damit wir in der nächsten Saison auch noch solch schöne Abende erleben können.“

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FOTO: UWE KRAFT/IMAGO IMAGES Nur Fliegen ist schöner: Ausnahmest­ürmer Erling Haaland nach seinem Elfmeterto­r zum 2:0.

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