Latte und Glück
Warum der VfR beim Kontrahenten um den Klassenerhalt Gießen mit dem 0:0 leben muss
GIESSEN - „Es hätte gepasst“, sagte VfR-Trainer Roland Seitz über die Szene in der 94. Minute im Gießener Waldstadion. Gemeint war der Kopfball von Hendrik Starostzik, der glücklicherweise aus Sicht des Fußball-Regionalligisten VfR Aalen dann doch recht deutlich am Tor von Daniel Bernhardt vorbei segelte. Es ist das Ende eine Arbeitstages gewesen, der wettertechnisch an diesem Samstag stürmisch begann, aber letztlich nur einen Punkt einbrachte. 0:0 endete ein Spiel, das wenig Highlights zu bieten hatte.
Vieles war anders als noch gegen den SSV Ulm 1846 Fußball. Vor allen Dingen auch die Aufstellung. Neben Steffen Kienle (durfte gegen Ulm nicht ran) und Kevin Hoffmann (kehrte nach Verletzung zurück) durfte auch Alessandro Abruscia mal wieder von Beginn an auf dem Spielfeld stehen. Seit Wochen scharte der Offensivmann mit den Hufen. „Natürlich will ich spielen“, sagte er noch zuletzt. Nun war es soweit. Tatsächlich sollte der ehemalige Ulmer gegen den FC Gießen eine der besten Szenen des Spiels haben: Einen Freistoß aus bester Position zirkelte Abruscia in der zweiten Halbzeit an die Latte (75.). Es war der zweite Aluminiumtreffer an diesem Tage aus Sicht des Viertligisten von der Ostalb. Im ersten Durchgang war es Nikita Marusenko gewesen, der den Ball frei vor Frederic Löhe an die Torlatte köpfte (8.). Der verpasste Sieg gegen Gießen also nur Pech? „Nein“, sagte Seitz, der mit dem Ergebnis nicht unzufrieden war und hat damit freilich recht.
Denn der VfR machte zwar fußballerisch mehr als die Heimelf, hatte auf einem schwierigen Boden bei Wind aber auch nicht die ganz großen Gelegenheiten. Abgesehen von den zwei genannten freilich und so müsse man eben auch mit einem Punkt gegen einen direkten Konkurrenten leben. „Auch wenn er keinem letztlich hilft“, sagte VfR-Mittelfeldmann Tim Grupp. Geholfen hat den Aalenern sicherlich auch nicht die zehnte Gelbe Karte, die sich der Gmünder in Diensten des VfR nach einem Trikottest bei Gabriel Weiß abholte und zur Pause dann auch gleich Feierabend machen konnte. „Der Schiedsrichter war mir zu kleinlich. Das war mir dann zu gefährlich“, erklärte Seitz die Hereinnahme von Marcel Appiah für Grupp zur Pause. Und Gießen? Die Mannschaft von Trainer Daniyel Cimen lebte vor allen Dingen von Fehlern der Aalener, die die Mannschaft von Seitz wieder im Angebot hatte. Bereits in der dritten Minute rutschte Gino Windmüller der Ball durch und Jonas Arcalean tauchte frei vor Bernhardt auf. Der konnte den Ball zur Ecke klären. Einmal war es Kolja Hermann, der seinen Gegenspieler flanken ließ und so eine Doppelchance für Tim Korzuschek begünstigte. Beide Versuche konnten letztlich geblockt werden (26.).
Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass die Aalener durch Abruscia
VfR-Spieler Kolja Herrmann zur Nullnummer in Gießen
nach zwei Minuten eine Schusschance hatten, die abgefälscht letztlich keinen Erfolg brachte. Dazu kamen zwei halbgare Freistöße von Aalens Nummer zehn und eben der Lattenkopfball von Marusenko. Dann war Pause. 0:0.
Das Spiel blieb kampfbetont aber ohne fußballerischen Glanz. Vermutlich auch ein vermessener Gedanke beim Blick auf die Tabellensituation beider Teams. Aalen brauchte länger, um sich in die Nähe des Gießener Tores zu spielen und machte zudem Fehler. So verlor etwa Daniel Stanese, der zunächst in Abwehr neben Gino Windmüller verteidigte, den Ball im Vorwärtsgang und dann ging die Post ab (64.): Über Aykut Öztürk landete der Ball bei Gabriel Weiß, der den Ball über das Gehäuße zimmerte. Zuvor hatte Bernhardt gegen Korzuschek einen möglichen Rückstand verhindert (50.).
Nach über eine Stunde sorgte der bemühte Abruscia für den ersten Torschuss des VfR in den zweiten 45 Minuten. Sein Versuch bleibt allerdings bereits in der vielbeinigen Abwehr hängen (66.). Warum es Abstiegskampf heißt, zeigte Kienle. Der Mittelstürmer ackerte unermüdlich und erkämpfte sich auch jenen Freistoß, den Abruscia in der 75. an die Latte zirkelte. „Ich glaube wir hatten ein leichtes Chancenplus“, sagte Windmüller. „Gefühlt war mehr drin“, sagte Kolja Herrmann. Ein Punkt sprang letztlich heraus, weil eben in der 94 Minute der Ball am Tor von Bernhardt vorbeisegelte. Gießen ist nun mit 32 Punkten 13. und Aalen hat nun mit ebenfalls 32 Zählern auf Rang 15 nur noch zwei Punkte Vorsprung auf den Tabellen-17. Hoffenheim II. Die U 23 der TSG gewann gegen Balingen mit 1:0.
„Gefühlt war mehr drin.“
FC Gießen: Löhe - Starostzik, Korzuschek (72. Salem), Öztürk, Ibrahimaj, Fink, Takehara, Boras, Arcalean (62. Celik), Weiß, Trkulja. VfR Aalen: Bernhardt - Sakai, Stanese, Grupp (46. Appiah), Herrmann, Abruscia (89. Müller), Windmüller, Marusenko (90. Knipfer), Kienle, Hoffmann (82. Morabet), Volz (82. Barini).
Tore: Fehlanzeige. Schiedsrichter: Luca Schlosser.