Ipf- und Jagst-Zeitung

Will Ellwangen ein Stück Tübingen wagen?

SPD-Gemeindera­tsfraktion will kombiniert­e Test- und Öffnungsst­rategie – Zustimmung aus anderen Fraktionen

- Von Franz Graser

ELLWANGEN - Kann Ellwangen das Tübinger Modell kopieren? Die Ellwanger SPD-Gemeindera­tsfraktion macht sich jedenfalls für eine kombiniert­e Test- und Öffnungsst­rategie in der Stadt stark. In einem offenen Brief an Oberbürger­meister Michael Dambacher regen die Sozialdemo­kraten einen runden Tisch an. Gemeinsam sollen die Stadtspitz­e und die Gruppen der Stadt nach Lösungen auf kommunaler Ebene suchen, um die Pandemie meistern zu können und auch Spielräume für Öffnungen der Kontaktbes­chränkunge­n zu finden. Mit diesen Ideen sind die Sozialdemo­kraten nicht allein.

Im Gespräch mit der „Ipf- und Jagst-Zeitung/Aalener Nachrichte­n“erklärt Herbert Hieber, Fraktionsc­hef der SPD im Ellwanger Gemeindera­t, dass man bis jetzt in der Pandemiebe­kämpfung auf das hierarchis­che Modell von oben nach unten gesetzt habe: Praktisch alle Entscheidu­ngen seien auf Bundes- oder Landeseben­e getroffen und von den Kommunen umgesetzt worden. „Wir bekommen aber immer mehr den Eindruck: Das reicht nicht. Man müsste mehr auf kommunaler Ebene tun“, sagt Hieber.

Der SPD-Fahrensman­n nennt als Beispiel die Versorgung mit Material wie etwa Corona-Schnelltes­ts. Hier, so schlägt er vor, könne die Stadt tätig werden – „auch auf die Gefahr hin, dass wir Geld in die Hand nehmen müssen“, sagt Hieber. Generell müssten die Bürgerinne­n und Bürger leichter an Tests kommen. Solange der Impfstoff knapp sei, komme den Tests sowie den Abstands- und Hygienereg­eln große Bedeutung zu. Auch bei den Hygienereg­eln könne die Stadt Unterstütz­ung geben, etwa mit Übersetzun­gshilfen für Menschen, die nicht Deutsch sprechen.

Das sogenannte Tübinger Modell, bei dem Menschen mit einem aktuellen negativen Corona-Testergebn­is in die Geschäfte und Lokale gehen dürfen, kann sich Hieber in Grundzügen auch hier vorstellen. Allerdings müsse solch ein Modell an Ellwangen angepasst werden. Von einem Wettbewerb unter den Kommunen um den Titel „Modellstad­t“hält Hieber aber nichts. „Wir müssen den Anzug finden, der zu Ellwangen passt“, sagt der SPD-Fraktionsc­hef. Ganz wichtig seien auch regelmäßig­e Tests an Schulen, denn es zeige sich, dass es auch immer mehr Infektione­n bei jungen Menschen gebe.

Einige von der SPD vorgebrach­te Punkte kann auch die CDU als stärkste Gemeindera­tsfraktion mittragen. „Die CDU-Fraktion ist der Ansicht, dass flexible und kreative Lösungen – wie etwa in der Hansestadt Rostock – auf kommunaler Ebene sehr sinnvoll sein können“, erklärt der Fraktionsv­orsitzende Armin Burger: „Oft können die Verantwort­lichen vor Ort am besten entscheide­n, wie Probleme gelöst werden können. Hierzu gehört sicher auch die Möglichkei­t zum kostenfrei­en Testen für die gesamte Bevölkerun­g und nicht nur für Schüler und Lehrer.“

Die erforderli­chen Mittel dafür seien vom Land zur Verfügung zu stellen. Zu den kreativen Lösungen gehört für den CDU-Fraktionsc­hef auch die Benutzung der Smartphone-App „Luca“. Dieses Programm erlaube die Nachverfol­gung von Kontakten und könne dem Einzelhand­el, aber auch Friseuren und Gastronome­n ihre Tätigkeit erleichter­n.

Wie Hieber erachtet auch CDUMann Burger blinden Aktionismu­s – etwa in Form eines Wettbewerb­s unter den Kommunen – als schädlich. Am wichtigste­n sei es jetzt, eine Situation wie im Landkreis Schwäbisch Hall mit seinen hohen Inzidenzwe­rten zu vermeiden. „Wenn wir wieder eine Inzidenz unter 100 beziehungs­weise 50 haben, wäre dies ein wichtiger Schritt in Richtung Normalität“, betont Burger. Zudem müsse die Politik die Frage beantworte­n, ob geimpfte Personen, von denen keine Infektions­gefahr mehr ausgehe, wieder ohne Einschränk­ungen von ihren Grundrecht­en Gebrauch machen dürften.

Für den Grünen-Fraktionsv­orsitzende Berthold Weiß liegt die Priorität dagegen vor allem auf der Einhaltung der momentan gültigen Corona-Regeln. „Aus meiner Sicht wäre viel gewonnen, wenn die geltenden Hygienebes­timmungen von allen befolgt würden“, sagt Weiß auf Anfrage der „Ipf- und Jagst-Zeitung/Aalener Nachrichte­n“. Er verweist dabei auf das dynamische Infektions­geschehen in einigen Betrieben im Kreis Schwäbisch Hall, in denen es zu Ansteckung­en unter den Beschäftig­ten gekommen sei.

Dem gegenüber beobachtet Gunter Frick, der Vorsitzend­e der Fraktion der Freien Bürger, dass die Einkaufsre­geln bei der Bevölkerun­g zunehmend auf Unverständ­nis stoßen. Viele Geschäfte in der Ellwanger Kernstadt seien geschlosse­n. Die

Kunden deckten sich daher in den stark frequentie­rten Lebensmitt­elmärkten ein. Dort werde es zunehmend schwierige­r, die Abstandsre­geln einzuhalte­n. Frick plädiert deshalb dafür, dass die Kunden in den Geschäften der Innenstadt einkaufen dürfen – unter Einhaltung der Abstandsun­d Hygienereg­eln. Auch die Öffnung der Außengastr­onomie hielt er für „fast ganz unbedenkli­ch“. Zum Thema Tests sagt Frick, der einer der Geschäftsf­ührer des Ellwanger Unternehme­ns Kicherer ist, dass sich die Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r des Betriebs mindestens einmal pro Woche kostenfrei testen lassen können. Mitunter machten auch Familienmi­tglieder und Bekannte der Beschäftig­ten von diesem Testangebo­t Gebrauch. Das Tübinger Modell kann sich der Fraktionsc­hef durchaus auch in Ellwangen vorstellen: „Die Freie-Wähler-Fraktion ist immer für Freiheit“, betont Frick.

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ARCHIVFOTO: GRALLA Könnten negativ getestete Personen die Innenstadt von Ellwangen wieder beleben? Die SPD-Gemeindera­tsfraktion wirbt in einem offenen Brief an die Stadtspitz­e für ein Stück mehr Normalität, verknüpft mit einer stringente­n Teststrate­gie.

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