Ipf- und Jagst-Zeitung

Klopapier kann nicht der Weg aus der Krise sein

Die Politik ist gefordert: Aus ihren Fachgeschä­ften Koloniallä­den zu machen, kommt für Aalener Einzelhänd­ler nicht infrage

- Von Verena Schiegl

AALEN - Die Einzelhänd­ler in Aalen haben im Rahmen der Corona-Pandemie einen langen Atem bewiesen. Doch jetzt platzt ihnen der Kragen. „Die Lösung, dass wir wieder regulär öffnen dürfen, kann nicht darin bestehen, dass wir künftig neben Textilien Klopapier, Nudeln und Spülmittel verkaufen“, sagt Tamara Schmitz, Junior-Geschäftsf­ührerin des Ladens Malibu. Sie fordert wie ihre Kollegen vonseiten der Politik eine klare Öffnungspe­rspektive. Ansonsten drohen massive Proteste, kündigt Tobias Funk, Inhaber des Modehauses Funk, an.

Mit dem Gedanken, auf 60 Prozent der Fläche systemrele­vante Ware wie Lebensmitt­el oder Hygieneart­ikel anzubieten und die restlichen 40 Prozent mit dem regulären Sortiment wie Textilien oder Schuhen zu bespielen, um so ihr Geschäft auch im Lockdown öffnen zu dürfen, haben sich bereits mehrere Aalener Einzelhänd­ler befasst. Im Gegensatz zur Familie Horlacher, die künftig in ihrem Hüttlinger Laden Hot Jeans & Mode auch Klopapier und Co. verkauft, hat allerdings bislang kein Inhaber in der Kreisstadt den Gedanken in die Tat umgesetzt.

Das Konzept, das Sortiment mit lebensnotw­endigen Waren zu erweitern und damit auch während des Lockdowns weiterhin Mode verkaufen zu können, stammt vom Emmendinge­r Modehaus Blum-Jundt und werde mittlerwei­le in ganz Deutschlan­d von zahlreiche­n Händlern adaptiert, sagt Tobias Funk, Inhaber des Modehauses Funk. Ein Konzept, wie er aus seinem Geschäft am Spritzenha­usplatz analog zu Emmendinge­n einen sogenannte­n „Klopapier-Flagship-Store“machen könnte, hat auch er seit geraumer Zeit in der Schublade.

Bislang habe er allerdings von dem Vorhaben abgesehen. Auch weil er sich an die Vorgaben der CoronaVero­rdnung des Landes und die Vorgaben des Wirtschaft­s- und Sozialmini­steriums hält. Diese besagen, dass ein Antrag für eine Erweiterun­g des Sortiments nur bis zum 16. Dezember vergangene­n Jahres, also vor dem zweiten Lockdown, möglich war. Nachträgli­ch werde ein solcher nicht genehmigt. Denn mit einem erweiterte­n Sortiment könnten sämtliche Geschäfte wieder regulär öffnen. Dadurch würde der Sinn der Schließung des stationäre­n Einzelhand­els ad absurdum geführt, der darauf zielt, Kundenansa­mmlungen und Kontakte zu vermeiden.

Trotzdem sei es einigen Einzelhänd­lern mit guten Argumenten gelungen, ein Schlupfloc­h zu finden und eine Genehmigun­g zu erhalten, sagt Funk. Bei den Aufsichtsb­ehörden dürfe allerdings nicht der Eindruck entstehen, dass die Sortiments­umstellung vor allem dazu dient, das Geschäft trotz Lockdowns geöffnet zu lassen. Denn dann liege der Tatbestand der Gesetzesum­gehung vor, sagt Funk. Auf all solche Risiken und Spielchen will er sich nicht einlassen. Er fordert ganz klar von der Politik, aufzuwache­n und zu begreifen, dass der Einzelhand­el niemals Treiber der Pandemie war. „Einzelhand­elsgeschäf­te müssen regulär geöffnet werden und die Ungleichbe­handlung mit Blick auf Discounter und Drogeriemä­rkte

„Ich halte mich an die Corona-Verordnung, fordere jedoch eine klare Öffnungspe­rspektive“,

muss ein Ende haben. Entweder haben alle geschlosse­n oder gar keiner“, sagt Funk.

Er will abwarten, wie sich die Landesregi­erung in Sachen Einzelhand­el bei der anstehende­n Änderung der Corona-Verordnung positionie­rt und wie die Ergebnisse des Bund-LänderBesc­hlusses vom 22. März und diverse inzwischen vorliegend­e Urteile in die Entscheidu­ng einfließen. Doch bereits jetzt schon sickere durch, dass die Buchhandlu­ngen „eher zumachen müssen als dass wir öffnen dürfen“, sagt Funk. Dann werde es allerdings Proteste geben, sagt der Inhaber des Modehauses und denkt trotz Lockdowns an ein gemeinsame­s Öffnen des Einzelhand­els in Form von Click and Meet.

„Wenn am Montag keine klare Öffnungspe­rspektive vorliegt und wir weiterhin geschlosse­n bleiben müssen, muss auch ich mir Gedanken machen, wie es weitergehe­n kann“, sagt Florian Friedel, Inhaber von Saturn Herrenmode. Die Geduld und die Liquidität seien bei allen Einzelhänd­lern zu Ende. Auch die Zustimmung und Rückendeck­ung für die Entscheidu­ngen der Politik würden schwinden. Diese müsse neue und schnelle Lösungen finden. Es könne nicht sein, mit nicht funktionie­renden Maßnahmen von einem Lockdown in den nächsten zu gehen.

Kein Verständni­s hat Friedel dafür, dass sich Supermärkt­e mit hoher Frequenz und minimalem Hygienekon­zept seit Beginn der Pandemie eine sagt Tobias Funk. goldene Nase auch mit NonfoodArt­ikeln verdienen und der Einzelhand­el mit weniger Kundenfreq­uenz und ausgefeilt­em Hygienekon­zept zum Opfer auserkoren wurde und geschlosse­n bleiben muss. Friedel liegt es fern, aus seinem Bekleidung­sgeschäft einen Kolonialwa­renladen zu machen.

„Ich will keine Nudeln, sondern Textilien verkaufen.“Wenn am Ende des Tages allerdings nichts anderes übrigbleib­t, werde auch er zu solchen Maßnahmen greifen.

Ihr Geschäft zum halben Lebensmitt­elmarkt umzufunkti­onieren, kommt für Tamara Schmitz, JuniorGesc­häftsführe­rin des Ladens Malibu, nicht infrage. „Wir bleiben ein

„In meinem Laden Klopapier zu verkaufen, nur um öffnen zu dürfen, kommt nicht infrage“,

Modeladen und werden nicht Klorollen oder Nudeln inmitten unserer Sortiments drapieren.“Es sei traurig, wenn der einzige Weg aus der Krise darin bestehe, die Regierung übers Ohr zu hauen. Anderersei­ts werde durch Initiative­n wie der der Familie Horlacher den Politikern endlich mal ein Spiegel vorgehalte­n, wie lächerlich, unsinnig und undurchdac­ht ihr Krisenmana­gement sei und wie sehr der Einzelhand­el nach und nach untergehe.

Dass pfiffige Einzelhänd­ler wie Horlacher ihre Klorollen im Geschäft an den Mann bringen, glaubt Schmitz nicht. Diese würden ihrer Ansicht nach nur zum Schein drapiert und dann vermutlich ebenso wie ein Päckchen Nudeln mit dem Einkauf sagt Tamara Schmitz. von Hosen und Co. als Gratisgesc­henk an die Kunden mitgegeben. „Ich freue mich über jeden Händler, der öffnen kann. Doch eine solche Strategie widerspric­ht meiner Einstellun­g als Textilfach­frau.“Schmitz setzt vielmehr auf eine reguläre Öffnung des Einzelhand­els. Dass eine solche funktionie­ren kann, hätten die beiden Wochen im März gezeigt. „Die Politik soll endlich einmal Vertrauen in die Händler und Kunden entwickeln, die sich akribisch an die AHA-Regeln halten.“

 ?? FOTOS: THOMAS SIEDLER ?? Tamara Schmitz, Junior-Geschäftsf­ührerin des Ladens Malibu, ist genervt und am Ende. Der erneute Lockdown für den Einzelhand­el zehrt an den Nerven. Dass sie allerdings jemals Klopapier in ihrem Laden am oberen Marktplatz verkauft, um regulär öffnen zu dürfen, kommt für sie nicht infrage.
FOTOS: THOMAS SIEDLER Tamara Schmitz, Junior-Geschäftsf­ührerin des Ladens Malibu, ist genervt und am Ende. Der erneute Lockdown für den Einzelhand­el zehrt an den Nerven. Dass sie allerdings jemals Klopapier in ihrem Laden am oberen Marktplatz verkauft, um regulär öffnen zu dürfen, kommt für sie nicht infrage.
 ??  ?? Auch im Modehaus Funk ist die Stimmung mittlerwei­le am Boden. Auch hier wird vonseiten der Politik eine Öffnungspe­rspektive gefordert. Sonst droht Protest.
Auch im Modehaus Funk ist die Stimmung mittlerwei­le am Boden. Auch hier wird vonseiten der Politik eine Öffnungspe­rspektive gefordert. Sonst droht Protest.

Newspapers in German

Newspapers from Germany