Der Dosenfisch duftet vom Kopfe her
Jetzt, da wir die Karwoche beginnen, denken viele über Fisch als klassisches Fastengericht für Karfreitag nach. Geradeso, als habe ein in Butter gebratenes Felchen oder ein blassrosa Saibling „Müllerin Art“etwas mit Verzicht zu tun. Das eine zu lassen – zum Beispiel Fleisch essen – heißt ja noch lange nicht, darben zu müssen.
Mit Verzicht und zeltlagerhaftem Charme von Notrationen assoziieren viele Menschen Fisch aus der Dose. Und bei bestimmten Sorten stimmt das ja auch, etwa Thunfisch in Tomatensoße mit Erbsen und Zwiebelringen. Diese Kombination ist in der Lage, den sonst intensiven Geschmack des Fischs komplett zu neutralisieren. Ihn total zu überlagern, sodass sich die Frage stellt, warum man einen tendenziell stark überfischten Fisch kulinarisch derart hinrichtet, dass von seiner ureigenen aromatischen Essenz nichts mehr übrig bleibt.
Ein ähnliches Schicksal teilen Heringe in ihren ovalen Büchsen, die dort gezwungen sind, wehrlos in obskuren Soßen zu tauchen wie etwa „China-Art“oder „Honig-Senf“. Neben dem Fisch selbst ist da oft vor allem Zucker drin, was die wertvolleren Inhaltsstoffe wie Omega-3-Fettsäuren schnell wieder relativiert. Dabei gibt es mit der unverfälschten Ölsardine eine wahre Delikatesse unter den Meerestieren, die laut WWF sogar ohne schlechtes Gewissen gegessen werden darf, wenn sie nicht gerade aus der nördliche Adria stammt. Denn eine gute Ölsardine entwickelt durch die Konservierung einen einzigartigen Eigengeschmack, der mit der Zeit noch reift und sich verändert. Die Mindesthaltbarkeitsdaten von irgendwelchen EUBürokraten nehmen Kenner der eingedosten Sardine nicht weiter ernst. Es verhalte sich dabei wie mit Wein, der unter optimalen Lagerbedingungen Jahrzehnte überdauern und reifen könne, sagen Experten. Und wie bei Bordeaux oder Barolo gibt es auch bei der Ölsardine Jahrgänge.
Generell werden alle Exemplare als Jahrgangssardinen bezeichnet, die das Fang- und Verarbeitungsjahr vorn auf der Dose tragen. Aber was ist das Besondere an ihr – und lohnt es sich, zwischen fünf und zehn Euro für eine solche Büchse auszugeben? Generell gilt, dass gute Jahrgangssardinen fangfrisch und taggleich, also ohne Tiefkühlzwischenstufe, von Hand aussortiert und geputzt werden. Und fachgerecht wie auch mit Sorgfalt in die Dose kommen, bevor Meersalz und ein anständiges Olivenöl hinzugefügt werden.
Kenner bevorzugen Fische mit Haut, weil sich mit den Jahren Geschmack und Konsistenz dadurch intensivieren. Viele Anbieter achten bei Jahrgangssardinen außerdem darauf, dass sie in der bestmöglichen Saison – meist im Herbst – gefangen werden. Dann sind sie am fettesten und haben das größte aromatische Potenzial.
Aber wie am besten genießen? Auch da gilt: Einfach ist am besten. Rösten Sie ein bisschen altbackenes Brot im Toaster oder in einer Pfanne mit wenig Olivenöl an. Öffnen Sie die Dose und geben Sie ein oder zwei Sardinen darauf – und beträufeln Sie diese duftende Pracht mit ein wenig Öl aus der Fischdose. Ein kleiner Spritzer Zitronen- oder Limettensaft kann dem ganzen Geschmacksbild noch einen frischen Beiklang verleihen. Der Rest ist Meer – und sonst nichts.
Supermärkte mit Feinkostabteilungen verkaufen gute Ölsardinen mit oder ohne Jahrgang. Spezialversender im Internet bieten eine große Vielfalt. Manch Marken – wie etwa „La Perle des Dieux“– gestalten Dosen und Verpackung künstlerisch. Damit diese nicht nur eine Gaumenfreude, sondern auch eine Augenweide für Menschen mit Gaumen sind. Nicht nur zu Karfreitag.
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