Ipf- und Jagst-Zeitung

Trotz Impftermin­s weggeschic­kt: Ellwangeri­n prangert „Impf-Chaos“an

Margot Wagner vertraut auf Informatio­n des Sozialmini­steriums, dass über 60-Jährige impfberech­tigt seien – und geht leer aus

- Von Franz Graser

ELLWANGEN - Im Vertrauen auf eine Pressemitt­eilung des baden-württember­gischen Sozialmini­steriums hat sich die Ellwangeri­n Margot Wagner einen Impftermin mit Astrazenec­a reserviere­n lassen. Im Aalener Impfzentru­m ist sie am Mittwoch jedoch abgewiesen worden: Über 60-Jährige ohne weitere Risikofakt­oren sind demnach noch nicht impfberech­tigt. Wie sie erzählt, sei sie damit nicht allein gewesen. Vertrauen in das Corona-Management des Landes komme so nicht auf, erklärt sie in einem offenen Brief an Sozialmini­ster Manfred Lucha.

Am liebsten, so erzählt die Ellwangeri­n, die Sprecherin des Kreisfraue­nrats und in der Frauen-Union aktiv ist, hätte sie den grünen Sozialmini­ster „an den Ohren gepackt“. Denn was ihr widerfuhr, ist aus ihrer Sicht ein Beispiel für das misslungen­e Krisenmana­gement und das „Hin und Her“in der Kommunikat­ion in der Corona-Krise.

Was war geschehen? Der 30. März hatte Margot Wagner eigentlich eine gute Nachricht gebracht. In einer Pressemitt­eilung des Sozialmini­steriums hieß es, das Land werde der Empfehlung der Ständigen Impfkommis­sion folgen und ab dem 31. März den Impfstoff von Astrazenec­a an Impfberech­tigte über 60 Jahre verimpfen. Wörtlich hieß es dort: „[Ab morgen, 31. März 2021] werden Personen mit Astrazenec­a geimpft, die das 60. Lebensjahr vollendet haben, oder jüngere Personen, die dies gemeinsam mit der impfenden Ärztin / dem impfenden Arzt nach ärztlichem Ermessen und bei individuel­ler Risikoanal­yse nach sorgfältig­er Aufklärung entschiede­n haben.“

Im Vertrauen auf die Informatio­n reserviert­e Margot Wagner sich einen Impftermin für den 7. April. Sie war nach eigenem Bekunden überrascht, dass sie sieben Termine zur Auswahl erhielt, und entschied sich gleich für den frühestmög­lichen.

Bei der Anmeldung im Aalener Kreisimpfz­entrum wurde sie dann nach einer Bescheinig­ung wegen der „Priorisier­ung“gefragt. „Diese ärztliche Bescheinig­ung hatte ich nicht dabei, warum auch? Es war mir klar, dass jetzt auch die Menschen über 60 Jahren geimpft werden und zwar nur mit Astrazenec­a“, sagt sie.

Darauf folgte die Enttäuschu­ng: „Von dem Bundeswehr­soldaten an der Anmeldung wurde ich ohne Impfung

weggeschic­kt. Er bestätigte mir, dass ich nicht die Einzige war, die heute vom Impfzentru­m ohne Impfung weggeschic­kt worden sei.“

Margot Wagner ärgerte sich, dass sie weggeschic­kt wurde, obwohl sie einen Termin hatte – „als ob man etwas Unrechtes getan hätte“, erklärt sie im Gespräch mit der „Ipf- und Jagst-Zeitung/Aalener Nachrichte­n“. Die Begründung gab es am selben Tag, dem 7. April, in einer weiteren Mitteilung des Ministeriu­ms.

Darin wird Sozialmini­ster Manfred Lucha (Grüne) folgenderm­aßen zitiert: „Über 60-Jährige sind im Land derzeit noch nicht generell impfberech­tigt, sondern nur etwa bei bestimmten Vorerkrank­ungen oder wegen ihres Berufs.“Der Impfstoff von Astrazenec­a werde in Baden-Württember­g vor allem für die altersbedi­ngt Impfberech­tigten über 70 Jahren der sogenannte­n ersten und zweiten Priorität eingesetzt.

Tatsächlic­h ist die Pressemitt­eilung vom 30. März missverstä­ndlich abgefasst. In der Einleitung ist von „Impfberech­tigten über 60 Jahre“die Rede. Damit sind vermutlich Personen

über 60 Jahre gemeint, die aufgrund ihrer Zugehörigk­eit zu einer Risikogrup­pe zu dem priorisier­ten Personenkr­eis gehören. Weiter hinten steht dann aber unter der Zwischenüb­erschrift „Für Baden-Württember­g heißt das konkret“das oben angegebene Zitat, wonach Personen, die das 60. Lebensjahr vollendet haben, den Impfstoff von Astrazenec­a bekommen sollen. Aus dem Gesamtzusa­mmenhang lässt sich dieser Passus als Erläuterun­g verstehen – und als konkrete Impfzusage für alle über 60-Jährigen.

Die Ellwangeri­n findet: Menschen, die auf diese Informatio­n vertrauten, sollten auf Kulanz hoffen können. „Zumindest hätte ich erwartet, dass diejenigen, die in gutem Glauben einen Termin gebucht haben, diesen auch hätten wahrnehmen können und geimpft worden wären“, erklärt sie in ihrem offenen Brief.

Und jetzt? Margot Wagner will warten, bis sie dran ist. Denn eins will die Ellwangeri­n ganz gewiss nicht – sich angesichts des knappen Impfstoffs einen Vorteil verschaffe­n.

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ARCHIVFOTO: RAPP-NEUMANN „Heute so, morgen so: Das geht doch nicht“: Margot Wagner kritisiert Sozialmini­ster Manfred Lucha in einem offenen Brief.

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