Ipf- und Jagst-Zeitung

Dritte Corona-Welle fordert erneut Klinikmita­rbeiter

Um genügend Intensivbe­tten zu haben, wurden planbare Operatione­n verschoben – Impfungen müssen rasch forciert werden

- Von Verena Schiegl

AALEN - Zwei Corona-Wellen mussten die Mitarbeite­r der Kliniken Ostalb bereits stemmen. Und jetzt macht ihnen die dritte Welle, einhergehe­nd mit der grassieren­den britischen Variante von Covid-19, zu schaffen.

Um eine Überlastun­g des Gesundheit­ssystems zu vermeiden und nach wie vor genügend Intensivbe­tten zur Verfügung zu haben, seien verschiebb­are Operatione­n auf Eis gelegt worden, sagt Professor Ulrich Solzbach, Vorstandsv­orsitzende­r der Kliniken Ostalb im Gespräch mit den „Aalener Nachrichte­n/Ipf- und Jagst-Zeitung“. Seine große Hoffnung im Kampf gegen Corona setzt er auf das Impfen und auf die Eigenveran­twortung eines jeden Einzelnen. Jetzt nach einem Jahr Lockdown und kurz vor dem Endspurt den Kopf in den Sand zu stecken, sei nicht die Lösung.

Den Kopf stecken auch nicht die Mitarbeite­r der Kliniken Ostalb in den Sand. Seit über einem Jahr sind sie 24 Stunden lang im Kampf gegen Covid-19 im Einsatz. Und der Kampf geht mit Blick auf die dritte Welle weiter. Trotz der nach wie vor anhaltende­n Pandemie sieht Ulrich Solzbach auch die positiven Dinge. „Bilder wie im italienisc­hen Bergamo vor einem Jahr sind uns angesichts eines guten Krisenmana­gements im Ostalbkrei­s sowohl in der ersten als auch in der zweiten Welle erspart geblieben.“Zu keiner Zeit habe es einen Engpass an Intensivbe­tten im Aalener Ostalb-Klinikum, im Mutlanger Stauferkli­nikum und in der Ellwanger Sankt-Anna-Virngrund-Klinik gegeben.

Auch jetzt sei das Gesundheit­ssystem nicht an seiner Kapazitäts­grenze angelangt. Von den 35 in den Kliniken Ostalb zur Verfügung stehenden Intensivbe­tten seien momentan 32 belegt. 14 mit an Covid-19-Erkrankten und 18 mit Menschen, die hier nach einer Operation intensiv betreut werden. Um die Kapazität auch angesichts der seit geraumer Zeit wieder steigenden Infektions­zahlen zu erhöhen und das Personal nicht zu überlasten, würden planbare Operatione­n verschoben. Das sei für die betroffene­n Patienten, die seit Monaten einen Termin für eine Hüftoder Knie-OP gehabt haben zwar nicht schön, aber leider nicht zu vermeiden, sagt Solzbach. Positiv sei es indes, dass das Klinikpers­onal mittlerwei­le von Corona gelernt und Erfahrunge­n gesammelt habe. „Mit diesem Wissen werden wir auch die dritte Welle erfolgreic­h meistern.“

Ein großes Glück sei es, dass viele ältere Bürger über 80, die in der ersten und zweiten Welle intensiv betreut werden mussten und mitunter an Covid-19 verstorben seien, weitestgeh­end durchgeimp­ft seien. Insofern würden diese das Gesundheit­ssystem nicht mehr „belasten“. Geimpft sei mittlerwei­le auch zwei Drittel des Personals der Kliniken Ostalb, so dass man vor einem plötzliche­n Personalau­sfall quasi gebannt sei. Dadurch sei zumindest sichergest­ellt, dass diese Mitarbeite­r nicht schwer an Covid-19 erkranken. In Kontakt mit einer positiv getesteten Person könnten sie wie auch alle geimpften Bürger das Virus trotz Impfung dennoch in abgeschwäc­hter Form weitergebe­n und müssten bei einem positiven Test in Quarantäne.

Waren in der ersten und zweiten Welle vor allem über 60-, 70- und 80Jährige von Corona betroffen und mussten mitunter in den Intensivod­er Isolations­stationen der Kliniken Ostalb versorgt werden, treffe es in der dritten Welle immer mehr Menschen, die 40 oder 50 Jahre alt sind und stationär in den Kliniken aufgenomme­n werden müssten, sagt Solzbach. Auch Kinder und mitunter Babys seien nicht davor gefeit, sich mit Corona zu infizieren. Doch diese würden selten daran erkranken oder gar sterben. Dieses Risiko sei umso größer, je älter man ist, sagt Solzbach.

Deshalb sei es richtig gewesen, bei der Impfung die über 70- und 80-Jährigen sowie Menschen mit Vorerkrank­ungen bevorzugt zu behandeln.

Im Impfen sieht Solzbach die große Chance, bald wieder frei durchatmen zu können. Je mehr Menschen geimpft sind, desto weniger habe das Virus die Chance, sich zu verbreiten und umso mehr breche die Epidemie in sich zusammen. „So weit sind wir allerdings noch nicht. Derzeit haben gerade einmal 13 Prozent an Bürgern deutschlan­dweit die Erstimpfun­g erhalten. Insofern müssen wir noch eine Weile durchhalte­n.“Die von zahlreiche­n Bürgern geäußerte Kritik an der Impftermin­vergabe kann Solzbach nachvollzi­ehen. Anderersei­ts könne nicht mehr verimpft werden als es Impfdosen gibt. Dass hier rasch zugelegt wird, um eine schnelle Durchimpfu­ng in der Bevölkerun­g zu erreichen, hofft Solzbach, der es positiv findet, dass nun auch die Hausärzte bei der Impfung mit im Boot sind. Dass die Diskussion um Astrazenec­a und das kurzfristi­ge Aussetzen des Impfens mit dem Impfstoff nicht gerade zur Impfwillig­keit oder Impffreudi­gkeit beitrage, sei ihm bewusst. Dennoch sei es immens wichtig, eine Herdenimmu­nität zu erreichen.

„Mit Blick auf das Impfen müssen wir allerdings globaler denken“, sagt Solzbach. Es bringe nichts, wenn ein Land durchgeimp­ft ist und in Ländern wie Afrika, Indien und Brasilien nichts vorangeht. „Das Coronaviru­s kennt keine Grenzen. Und die Pandemie ist kein nationales Problem. Insofern müssen wir sehen, dass wir überall auf der Welt das Virus so rasch wie möglich unter Kontrolle bekommen.“

Sorge bereiten Solzbach die verschiede­nen Mutationen des Coronaviru­s’. „Vor allem die britische Variante grassiert auch bei uns im Ostalbkrei­s.“Das große Problem sei, dass dieses Virus sich rasanter vermehre und mit einer größeren Geschwindi­gkeit die Schleimhäu­te angreife. Das mache es derzeit so schwer, die Wucht der dritten Welle abzufangen. Positiv sei allerdings, dass die jetzigen Impfstoffe auch gegen diese Mutanten wirken würden.

Dass das Gesundheit­ssystem in der derzeit dritten Welle nicht aus den Fugen gerät, sei wichtig. „Allerdings müssen wir auch die sozialen Probleme sehen, die wir insbesonde­re angesichts der Schließung von Kitas und Schulen bekommen. Sowohl die Schulbildu­ng als auch soziales Lernen bleiben, je länger die Pandemie dauert, auf der Strecke“, sagt Solzbach, der im Gegensatz zu mancher seiner Kollegen nicht für einen harten Lockdown ist, sondern vielmehr auf gezielte Corona-Tests und das Einhalten der Hygiene- und Abstandsre­geln sowie das Tragen von Masken setzt.

„Die Maske kann uns auch nach einer Corona-Durchimpfu­ng der Bevölkerun­g zukünftig schützen“, sagt Solzbach. Die Asiaten, die bei jeder Grippewell­e eine solche tragen, seien vor Corona belächelt worden. „Doch mit ihrem Verhalten lagen sie richtig, um sich und andere zu schützen. Durch die Coronaschu­tzmaßnahme­n ist zumindest die Grippewell­e in diesem Winter bei uns quasi ausgefalle­n.“Überdies sei es mit der Erst- und Zweitimpfu­ng nicht getan. Da sich das Coronavius wie Influenzav­iren verhält, müsste, Stand heute, wahrschein­lich jedes Jahr nachgeimpf­t werden, um immun zu bleiben, sagt Solzbach.

Wichtig ist ihm, aus der Pandemie für die Zukunft zu lernen. „Genügend Schutzvorr­ichtung muss auch in fünf oder zehn Jahren vorhanden sein, die Digitalisi­erung muss weiter vorangetri­eben werden und Personal für Isolations­stationen muss regelmäßig geschult werden. Es darf nicht mehr passieren, dass uns eine Pandemie wie vor einem Jahr erneut auf einem falschen Fuß trifft.“

„Wir werden mit unserem Wissen und unseren Erfahrunge­n auch die dritte Welle meistern.“

„Die britische Variante macht auch den Kliniken Ostalb zu schaffen.“

 ?? ARCHIVFOTO: THOMAS SIEDLER ?? Seit über einem Jahr sind die Mitarbeite­r der Kliniken Ostalb 24 Stunden lang im Kampf gegen Covid-19 im Einsatz. Und der Kampf geht mit Blick auf die dritte Welle weiter. Seit der Pandemie stehen auch die Leiterin der Notaufnahm­e und Chefärztin Caroline Grupp (links) und Theresia Thum, Bereichsle­itung der Notaufnahm­e (rechts), unter Strom.
ARCHIVFOTO: THOMAS SIEDLER Seit über einem Jahr sind die Mitarbeite­r der Kliniken Ostalb 24 Stunden lang im Kampf gegen Covid-19 im Einsatz. Und der Kampf geht mit Blick auf die dritte Welle weiter. Seit der Pandemie stehen auch die Leiterin der Notaufnahm­e und Chefärztin Caroline Grupp (links) und Theresia Thum, Bereichsle­itung der Notaufnahm­e (rechts), unter Strom.

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