Zurückgeschickt und nicht vernichtet
Unternehmer initiieren Siegel, damit Retouren-Pakete nicht im Müll landen
BERLIN - Sie waren zunächst sprachlos. Damals als sie sahen, wie viele Pakete zurückkommen, weil die mit einem Klick im Online-Kaufhaus bestellte Ware darin nicht gefällt. Die erste Halle füllte sich, dann die zweite, allein mit Bürostühlen. „Palettenweise kamen die zurück, wurden dort eingelagert, weil sie sich nicht mehr als Neuware verkaufen lassen“, sagt Karsten Dierks. Er erinnert sich gut. Das war 2015. Schon da kam ihm mit einem Kollegen die Idee: Sie entwickelten ein Geschäftsmodell, um Retouren zu retten. Jetzt gibt es dafür auch eine neue Siegel-Aufschrift: „Save our returns“.
Allein im Jahr 2020 haben die Deutschen rund 315 Millionen Pakete wieder zurückgeschickt, 2019 waren es noch 301 Millionen. Das zeigen Forscher der Universität Bamberg, die den Onlinehandel schon seit vielen Jahren untersuchen. Demnach ist die Retourenquote zwar gefallen, 2019 wurden 17,8 Prozent der ausgelieferten Pakete wieder zurückgeschickt, 2020 waren es 15,9 Prozent. Doch hat der Einkauf im Netz im vergangenen Jahr mit Corona einen Schub bekommen, so dass die Zahl der zurückgesendeten Pakete insgesamt gestiegen ist.
Das T-Shirt in verschiedenen Farben, die Sandalen in drei Größen bestellt. Ausprobiert. Lieblingsstücke behalten. Den Rest, retour bitte! Bei Kleidung und Schuhen gehen sogar mehr als jedes zweite bestellte Paket wieder zurück an den Absender. Die Kunden kostet das oft nichts, alles ist portofrei. „Schrei’ vor Glück! Oder schick’s zurück!“texteten einst die Werber des Onlinehändlers Zalando. Doch für die Händler selbst sei das teuer, sagt Yanna Badet, die das Retourensiegel betreut. Im Schnitt koste eine Retoure 15,18 Euro. Das teile sich auf in die Kosten für den Transport
und die Bearbeitung der Ware. Sie muss erfasst, kontrolliert werden. Mal muss ein Kratzer, mal ein Fleck behoben werden.
Das Sichten und Neuverpacken sei arbeisintensiv und rechne sich oft nicht, sagt Dierks. Und weiter: „Ein Bote hat mir mal erklärt, er werde häufiger angewiesen, Retouren gleich in den Müllcontainer zu werfen.“2018 deckten die Wirtschaftswoche und das ZDF-Magazin Frontal 21 auf, dass der Online-Riese Amazon zurückgeschickte Artikel massenhaft vernichtet. Die Bundesregierung erlegte den Händlern dann im vergangenen Jahr mit einem neuen Kreislaufwirtschaftsgesetz zumindest eine „Obhutspflicht“auf, sorgsam mit ihren Produkten umzugehen.
Welche Dimension die Vernichtung von Waren genau hat, ist unklar – ökologisch ist sie aber in keinem Fall. Dierks und seine Mitstreiter setzen dem ein ganz eigenes Geschäftsmodell entgegen. Es hat begonnen in einer, sagt Dierks, „kleinen staubigen Halle, wir hatten ein paar Schraubenzieher“. Heute möbeln sie jeden Monat
bis zu 1500 zurückgeschickte Bürostühle, Schreibtische, andere Möbel eines Online-Händlers auf. Sie drehen Schrauben fest, bessern kleine Macken aus, tauschen defekte Teile aus. Und verkaufen diese Möbel unter best-dealz-24.de günstiger als die Neuware. Nun suchen sie Nachahmer. Darum das Retourensiegel.
Dierks und acht weitere Unternehmer haben dafür im niedersächsischen Oldenburg den Verein Retourenregister gegründet, der das Siegel vergibt. Das erklärte Ziel: Auf einen Blick soll ersichtlich sein, dass ein „Unternehmen verantwortungsvoll und ressourcenschonend mit Retouren umgeht“. Noch stehen sie am Anfang. Best-Dealz-24 hat das Label. Mit dem Fahrradhändler Rose Bikes und anderen Unternehmen sind sie im Gespräch.
Nur: Fördert das Siegel nicht erst recht Retouren, weil sich der Kauf mit besserem Gewissen zurückschicken lässt? „Natürlich ist es am besten, wenn Waren gar nicht zurückgesendet werden, sich Käufer zum Beispiel immer fragen: ,Brauche ich das wirklich, passt das?’“, sagt Dierks, „aber es gibt Retouren nun einmal.“Und da sei entscheidend, „dass sie nicht einfach in der Tonne landen.“