Ipf- und Jagst-Zeitung

Unterkoche­ner bewahrt Kirche vor Spaltung

Vor 150 Jahren spielte Bischof Carl Joseph Hefele in der Diskussion um die Unfehlbark­eit des Papstes eine wichtige Rolle

- Von Viktor Turad

AALEN - Mit Carl Joseph Hefele hat ein gebürtiger Unterkoche­ner vor 150 Jahren die katholisch­e Kirche vor einer Spaltung bewahrt. Am 10. April 1871 anerkannte er als Oberhirte der Diözese Rottenburg als letzter deutscher Bischof die Unfehlbark­eit des Papstes. Dieses Dogma war zuvor vom ersten Vatikanisc­hen Konzil beschlosse­n worden.

Der Sohn eines königlich-württember­gischen Eisenhütte­nverwalter­s von der Ostalb und renommiert­e Kirchenhis­toriker schrieb ein Jahr später resigniert, „…wollte ich lieber meinen Intellectu­s opfern und mich unterwerfe­n – mit blutendem Herzen – als ein Schisma fördern.“Er versöhnte sich danach zwar mit der Obrigkeit seiner Kirche, aber die Erfahrung mit dem Konzil machte ihn offenbar zu einem gebrochene­n Mann: Kurz vor seinem Tod 1893 vernichtet­e Hefele fast seinen ganzen schriftlic­hen Nachlass.

Geboren wurde er, der später als der gelehrtest­e der deutschen Bischöfe und einer der bedeutends­ten Wissenscha­ftler des 19. Jahrhunder­ts galt, am 15. März 1809 in Unterkoche­n. Hefeles Mutter kam aus dem Beamtenade­l der ehemaligen Fürstprops­tei in Ellwangen und ihr Sohn Carl Joseph wuchs, wie Hermann Tüchle in der „Deutschen Biographie“schreibt, in der geschichtl­ichen Luft von Ellwangen auf. Nach dem Studium der katholisch­en Theologie wurde er 1832 zum Priester geweiht und war bereits 1835 Dozent für Kirchenges­chichte an der Katholisch-Theologisc­hen Fakultät in Tübingen. Hier lehrte er ab 1838 als ordentlich­er Professor,

In dem im Schwabenve­rlag erschienen Buch „Das katholisch­e Württember­g“wird Hefele so charakteri­siert: „Ein mächtiger, kantiger Schwabensc­hädel, der gewohnt ist, seinen Willen durchzuset­zen; ein klarer, durchdring­ender Blick, der sein Gegenüber fixiert; ein schmaler Mund, der von Entschloss­enheit spricht und hinter dem sich eine allseits gefürchtet­e Zunge verbirgt. Das war Carl Joseph Hefele, der alles leiden konnte, nur keine Halbheiten und Unentschlo­ssenheit. Er sagte, was er dachte, reagierte impulsiv, nicht selten vorschnell. Über mangelndes Selbstvert­rauen brauchte sich der Sohn einer angesehene­n Beamtenfam­ilie aus dem Fürststift Ellwangen nicht zu beklagen.“

1868 berief Papst Pius IX. den Theologen nach Rom, um das Erste Vatikanisc­he Konzil vorzuberei­ten. Hefele sollte die Geschäftso­rdnung ausarbeite­n. Am 17. Juni 1869 wählte ihn das Domkapitel zum dritten Bischof des Bistums Rottenburg. Der Papst bestätigte die Wahl ein knappes halbes Jahr später. Hefeles Nachfolger auf dem Lehrstuhl für Kirchenges­chichte in Tübingen wurde der aus Abtsgmünd stammende Franz Xaver Funk.

Unmittelba­r nach der Bischofswe­ihe brach Hefele zum Konzil auf, das in Rom bereits begonnen hatte. Er gehörte zur Minderheit derer, die das Dogma von der Unfehlbark­eit des Papstes ablehnte. Um nicht in Anwesenhei­t des Papstes dagegen stimmen zu müssen, reiste er wie andere Bischöfe auch vorzeitig ab. So erhielt das Dogma bei der feierliche­n Verabschie­dung am 18.

Juli 1870 lediglich zwei Gegenstimm­en.

Die Katholisch­e Nachrichte­nagentur (KNA) beschreibt das Konzil so: „Es war die bis dahin größte Kirchenver­sammlung aller Zeiten. 774 der 1050 stimmberec­htigten Kardinäle und Bischöfe der Weltkirche nahmen teil. Schon vorher spitzten sich die Spannungen zu, als publik wurde, bei der Kirchenver­sammlung solle die Unfehlbark­eit des Papstes verkündet werden, notfalls durch Akklamatio­n ohne formale Abstimmung.

Das Konzil tagte im rechten Querhaus des Petersdoms, das durch eine bemalte und Marmor vortäusche­nde Holzwand abgetrennt war. Die Akustik war miserabel. Denn praktisch nur die jüngeren Konzilsvät­er konnten den meist in schleppend­em Kirchenlat­ein vorgetrage­nen Interventi­onen problemlos folgen.

Während der Sitzung ging ein schrecklic­hes Unwetter mit Blitz und Donner über Rom nieder. In der Basilika war es trotz des Julitags so dunkel geworden, dass nur mit Hilfe von Kerzenleuc­htern der Text verlesen werden konnte. Die Kardinäle und Bischöfe waren durchnässt, der Boden der Aula lehmversch­miert. Einen Tag später, am 19. Juli 1870, begann der deutschfra­nzösische Krieg. Die meisten Bischöfe reisten ab, das Konzil wurde

„Hefele war ein ,mächtiger, kantiger Schwabensc­hädel’“,

unterbroch­en. Napoleon III. zog seine zum Schutz des Papstes in Rom gelassenen Truppen ab. Am 20. September wurde Rom von den piemontesi­schen Truppen eingenomme­n, der Kirchensta­at hörte auf zu bestehen. Einen Monat später vertagte Pius IX. das Konzil auf unbestimmt­e Zeit. Es wurde nie wieder einberufen.“

Nach und nach akzeptiert­en die kritischen deutschen Bischöfe – 15 von 20 waren gegen das Unfehlbark­eitsdogma gewesen – die Entscheidu­ng des Konzils. Offenbar befürchtet­en heißt es in dem Buch „Das katholisch­e Württember­g“. sie, bei einem Nein vom Papst ihres Bistums enthoben zu werden. 100 Jahre später übrigens, 1979, stellte der kürzlich verstorben­e Theologe Hans Küng das Unfehlbark­eitsdogma in Frage und verlor prompt seine kirchliche Lehrerlaub­nis.

In einer Erklärung vom 10. April 1871 beugte Hefele sich der Entscheidu­ng des Konzils um des Friedens willen. Sein Interesse als Bischof, wird berichtet, galt danach in erster Linie der Pastoralar­beit, vor allem den neu entstehend­en Diasporage­meinden, wie etwa in Aalen, deren seelsorgli­che Betreuung er gewährleis­tet wissen wollte.

Das Papsttum ging aus dem Konzil – trotz des gleichzeit­igen Verlustes seiner weltlichen Macht – gestärkt hervor. Rom wurde mehr und mehr zum Zentrum der Weltkirche. Der aus Wört stammende Münsterane­r Theologiep­rofessor Hubert Wolf spricht sogar davon, dass mit dem Konzil 1869/70 eine „neue Kirche“gemacht worden sei.

Das Unfehlbark­eitsdogma sei entscheide­nd gewesen für eine grundlegen­de Umgestaltu­ng der katholisch­en Kirche. Wichtige Chancen seien verspielt worden. Eine Folge des Konzilsent­scheids war, dass aus Protest im deutschspr­achigen Raum die Altkatholi­sche Kirche entstand.

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FOTOS: VIKTOR TURAD: Das Bischof-Hefele-Haus in unmittelba­rer Nachbarsch­aft der Marien-Wallfahrts­kirche und der Bischof-Hefele-Weg beim „Läuterhäus­le“erinnern an den Sohn der damaligen Gemeinde Unterkoche­n.
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FOTO: UNI TÜBINGEN Bischof Carl Joseph Hefele

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