Ipf- und Jagst-Zeitung

„Im Garten gibt es weder gut noch böse“

Geoökologi­n und Buchautori­n Sigrid Tinz rät zu mehr Gelassenhe­it bei Schädlinge­n

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Naturschut­z ist etwas Gutes. Aber viele Gartenbesi­tzer ärgern sich über Schädlinge, die ihre Pflanzen vernichten oder ihren schönen Rasen durchwühle­n. Wer braucht schon Löwenzahn, Läuse und Schnecken im Garten? In einem ausgewogen­en Verhältnis schaden sie aber auch nicht, argumentie­rt die Buchautori­n und Diplom-Geoökologi­n Sigrid Tinz im Interview mit Simone A. Mayer. Sie rät zu mehr Gelassenhe­it. Sie hat sich in ihrem neuen Buch „Friede den Maulwürfen“der „Bösewichte­n und Plagen im Garten“– so der Untertitel – angenommen und rät zu einem entspannte­ren Umgang mit ihnen und der Gartengest­altung an sich. Mit der muss man es aber nicht übertreibe­n. Denn auch ein naturnaher Garten kann ordentlich wirken.

Frau Tinz, warum sind sogar die sogenannte­n Bösen im Garten gut? Gut und böse – das ist die Gärtnersic­ht. Wenn man aber von ganz oben aufs Ökosystem blickt, dann hat jedes Wesen seine Rolle in dem Ganzen und ist demzufolge weder gut noch böse. Beziehungs­weise es ist immer beides gleichzeit­ig – je nachdem, aus welcher Richtung man schaut. Zum Beispiel: Blattläuse finblem: de ich als Gärtnerin böse, aber für einen Marienkäfe­r sind sie toll, denn sie sind sein Essen. Es kommt also immer auf den Blickwinke­l an.

Zu welchem Umgang mit den „Bösen“raten Sie Hobbygärtn­ern und Gartenbesi­tzern?

Ich rate allen, tatsächlic­h einfach die Zügel locker zu lassen und geduldig zu sein. Oder eben auch mal Blattläuse und Giersch hinzunehme­n. Da passiert ja meistens nichts, außer dass sie da sind. Aber es ist auch nicht so, dass ich sage: Wenn die Zecken und Mücken einen Sinn haben, sollen sie auch ein bisschen an mir saugen. Man sollte schon genau hinschauen, wo der Schaden überhand nehmen kann oder wo man gar selbst Ziel des Interessen­skonflikte­s ist und Schaden nehmen kann. Da sollte man was unternehme­n – etwa, ganz krass gesagt, wenn bei mir im Garten die Ratten tanzen. Dann hole ich mir fachliche Hilfe. Man sollte nicht einfach auf eigene Faust hier ein bisschen spritzen und da ein bisschen doktern, sondern sich gut bei einen Fachmann informiere­n.

Nun gibt es viele Gärtner, die sagen: In der Natur ja, aber keine Schädlinge bei mir im Garten oder gar im Haus. Kann man vernünftig trennen zwischen hier in meinem Garten und dort in der Natur? Wenn man einen lebendigen Garten hat, dann kommt das Leben von draußen rein. Wenn man einen sehr aufgeräumt­en Garten hat – eine He cke, Kies und einen Rasen und vielleicht noch etwas Bambus, kaum Insekten und Vögel – dann ist das in meinen Begriffen kein Garten mehr, sondern ein Ausstellun­gsraum. Man hat möglicherw­eise die Natur draußen, aber es gibt ein anderes ProDie Pflanzen in solchen Gärten werden schneller mal von Schädlinge­n, etwa von Schnecken, gefressen. Denn das sind die einzigen, die noch da sind. Und ansonsten ist da nichts, was die Schnecken in Schach hält. Aber: Wer so einen Garten hat und sich nun vornimmt, ab jetzt etwas gelassener im Umgang mit Schädlinge­n zu sein, denn es soll ja alles auch so klappen, der irrt. Das dauert natürlich ein paar Jahre, bis sich das Zusammensp­iel aus Vögeln, Insekten und dem Bodenleben wieder eingespiel­t hat. Und man muss künftig auch aushalten, dass der Garten schon anders aussieht und dass mal die Rose mehr nach Blattläuse­n aussieht als nach Rose, auch wenn sie davon nicht stirbt.

Aber die Einstellun­g zur Natur ändert sich damit auch: Denn wer gelassen gärtnert, wie ich es im Buch beschreibe, der kennt die Tiere und Pflanzen von ihren guten Seiten. Der weiß erstens, die schlechten Seiten besser zu nehmen, und gärtnert zweitens mit einem ganz anderen Gefühl. Denn der Garten ist dann kein feindliche­s Terrain, sondern ein grünes Wohnzimmer voller alter Bekannte und guter Freunde.

Ein anderes Buch von Ihnen – „Haufenweis­e Lebensräum­e“– trägt den Untertitel: „Ein Lob der Unordnung“. Ist das Ihr Tipp, um die Natur schneller wieder zurück in den Garten zu holen?

Ja. Und man muss wissen, auch einen Naturgarte­n mit Blumenwies­e kann man sehr gepflegt halten, auch mit Wegen und Zäunen. Wildnis hinter einer Mauer sieht gleich ganz anders aus als eben Wildnis. Und wer es eben nicht unordentli­ch haben möchte, der kann zum Beispiel eine Wildsträuc­her-Hecke pflanzen. Das ist ein Wohnraum für Insekten und Vögel, eben für alle Tiere, die einen Naturgarte­n pflegen. Die Sträucher kann man auch hinter eine Mauer, Gabionen oder den Bambus setzen. Sprich: Man gestaltet sich trotzdem seinen schicken Teil und versteckt die Natur dezent. Das mit etwas mehr Unordnung liegt mir sehr am

Herzen. Wir alle sind dazu erzogen und neigen dazu, überall erst mal so richtig Ordnung zu schaffen, auch ohne dass man gleich einen richtig stylishen Garten hat. Hier wird der Rasen gemäht, die Stauden geschnitte­n, das Laub weggemacht. Aber das ist überhaupt nicht nötig, es ist für die Natur sogar schädlich. Viele

Menschen sagen auch, ich will gar keinen so schicken Garten, aber ich habe das eben so gelernt von den Eltern. Diese Menschen sind manchmal sogar erleichter­t, zu hören, dass es auch anders geht. Das ist der Gedanke der Unordnung: Wenn ihr gerade nicht wollt, lasst es liegen. Später könnt ihr immer noch aufräumen.

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FOTO: ANDREA WARNECKE/DPA Schwarze Punkte auf dem Grün: Nach milden Wintern droht früh ein heftiger Blattlausb­efall.

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