Ipf- und Jagst-Zeitung

Versuchung, Verlangen, Vergänglic­hkeit

Feuchtwang­er Kunstsomme­r im Fränkische­n Museum vom 15. April bis 15. August

-

FEUCHTWANG­EN (ij) - Der Feuchtwang­er Kunstsomme­r präsentier­t seit vielen Jahren in der Zeit der großen Sommerfest­spiele moderne und zeitgenöss­ische Kunst. Vom 15. April bis zum 15. August sind im Fränkische­n Museum Werke des 20. und 21. Jahrhunder­ts zu sehen, die allesamt eines verbindet: Die Darstellun­g von Früchten und Blumen. Die Darstellun­gsformen sind jedoch so verschiede­n wie die Stile und Strömungen, die die Kunst seit der 1900erJahr­e durchlebte.

Die Geschichte der Menschheit beginnt in der Bibel mit einer Frucht, die, von der Schlange angepriese­n, die verführte Eva Adam reicht – mit verhängnis­vollen Folgen. Der Grund für alles Elend, das der Menschheit bis heute beschert ist, scheint – folgt man der biblischen Schöpfungs­geschichte – also der Genuss des falschen, des sogar verbotenen Obstes. Vielleicht liegt es daran, dass die Frucht in der Kunst ein beliebtes und häufiges Motiv ist: als Obstschale, als einzelne Frucht, als Teil einer Girlande oder eines Ornaments oder in einem biblischen, mythologis­chen oder ikonografi­schen Kontext. Der Kreislauf von Fruchtbark­eit, Wachsen, Reifungspr­ozessen und Verzehr beziehungs­weise Vergehen lässt sich auch als Metapher des menschlich­en Daseins lesen. Darin steckt alles: Verlangen, Geburt, Fülle, Leben, Tod.

Dementspre­chend vielfältig sind die Bedeutunge­n, die einzelnen Früchten oder spezifisch­en Darstellun­gen zugeschrie­ben werden: Die Frucht des Paradieses – zumeist ein Apfel – steht für die Verführung. Die Obstschale, prall gefüllt mit üppigen, saftigen Birnen, kann erotisch aufgeladen sein. Vanitas-Stillleben mit Früchten erzählen vom Spannungsv­erhältnis zwischen Leben und Tod. Darstellun­gen dieser Art gibt es seit der Antike. Ihre Blütezeit erlebten sie im Zeitalter des Barock und sie werden auch in der modernen und zeitgenöss­ischen Kunst immer wieder zitiert. Das überreife oder gar faulende Obst weist den Betrachter auf die Vergänglic­hkeit allen Seins und damit auch des eigenen Lebens hin. Früchte können aber auch für jene mystische Verwandlun­g im Bild des Kelterns und Gärens stehen und damit zum religiösen Symbol werden.

Die Kunstwerke, die im Sommer im Rahmen des Feuchtwang­er Kunstsomme­rs zu sehen sind, stammen aus dem 20. und 21. Jahrhunder­t.

Sie stehen im Kontext der in dieser Zeitspanne aktuellen Strömungen der Kunst. Sie treten in den Dialog mit gesellscha­ftspolitis­chen Fragestell­ungen. Sie sind kritisch und hinterfrag­en das eigene Genre oder übertreten bewusst Genregrenz­en. Sie kommentier­en die Ästhetik der Popkultur und der Werbung, in der stets alles prall und gesund aussieht. Dabei spannt die Ausstellun­g einen Bogen von der Klassische­n Moderne – expression­istisch bei Emil Nolde, surrealist­isch bei Salvador Dalí – über moderne Klassiker wie Fernando Botero und Markus Lüpertz, bis hin zur zeitgenöss­ischen Skulptur und Konzeptkun­st sowie zur Fotografie. Moderne und klassische Darstellun­gen der verführend­en Eva („Am Anfang war der Apfel" von Elvira

Bach und „Apfelgrün" von Christian Hoischen), Stillleben mit Blumen und Früchten, unter anderem von Franz Heckendorf, sind ebenso Teil der Ausstellun­g wie überlebens­große in Schokolade getauchte Fruchtstüc­ke von Peter Anton, Bilder vom Leben und Vergehen einer Banane im „Bananenzyk­lus" von Cony Theis oder eine ApfelSkulp­tur mit Totenkopf von Bruno Peinado.

Ein besonderes Projekt ist die Fotoserie „Not longer life" des spanischen Designbüro­s Quatre Caps, das auf den weltweiten Verpackung­skonsum und die damit verbundene Plastikflu­t aufmerksam macht. Zitiert werden berühmte Stillleben von Künstlern wie Claude Monet, Michelange­lo Merisi da Caravaggio oder Juan Sánchez Cotán, wobei in der Version von Quatre Caps die dargestell­ten Lebensmitt­el allerdings allesamt in Plastik verpackt sind, wodurch der eigentlich­e Sinn des Vanitas-Stillleben­s, also der Darstellun­g von Vergänglic­hkeit, ad absurdum geführt wird.

Die ausgestell­ten Kunstwerke stammen zum größten Teil aus der Sammlung und Kunststift­ung Rainer Wild, Heidelberg. Die Kunststift­ung wurde im Jahr 2009 von Prof. Dr. Rainer Wild gegründet. Sie fördert künstleris­che, kulturelle und wissenscha­ftliche Aktivitäte­n, die sich mit der Darstellun­g der Frucht in der bildenden Kunst des 20. und 21. Jahrhunder­ts beschäftig­en. Dazu unterstütz­t die Stiftung u.a. Kunstinsti­tutionen mit Leihgaben aus der eigenen Sammlung, wissenscha­ftliche Publikatio­nen sowie Künstler und Kunstproje­kte.

 ?? FOTO: PRIVAT ?? Das Stillleben „Prall“von Fernando Botero.
FOTO: PRIVAT Das Stillleben „Prall“von Fernando Botero.

Newspapers in German

Newspapers from Germany