Ipf- und Jagst-Zeitung

„In trockenen Jahren geht Wasser im Boden als Masse verloren“

Wo die Schweremes­sung in der Praxis eine große Rolle spielt

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Die Schwerefel­dmessungen haben in der Praxis viele Aspekte. Die Messungen spielen etwa bei der Eichung von Präzisions­waagen oder beim Umweltmoni­toring eine Rolle. Franz Graser hat bei Axel Rülke, dem Leiter des Referats „Metrologie der Schwere“im Bundesamt für Kartograph­ie und Geodäsie (BKG) nachgefrag­t.

Wo liegt die praktische Anwendbark­eit?

Mit der Bestimmung des Schwerefel­des beschreibt man die physikalis­che Figur der Erde. Diese unterschei­det sich von der geometrisc­hen Erdfigur (die sich etwa mit GNSS vermessen lässt) unter anderem durch die inhomogene Dichtevert­eilung im Erdinneren. In der groben Vorstellun­g würde sich eine ungestörte­Wasserfläc­he nach der physikalis­chen Erdfigur ausrichten. Ein natürliche­s Höhensyste­m muss daher diese Eigenschaf­ten berücksich­tigen, wenn wir erwarten, dass in diesem System zwischen Punkten gleicher Höhe kein Wasser fließen soll. Weltweit treten zwischen geometrisc­her und physikalis­cher Erdfigur Differenze­n von plus-minus 100 Metern auf.

Für die Bestimmung der physikalis­chen Erdfigur müssen Schweremes­sungen durchgefüh­rt werden. Um diese Messungen weltweit konsistent zu haben, definieren Geodäten ein weltweit gültiges Referenzsy­stem als verbindend­es Rückgrat dieser Messungen. In einer Verdichtun­g stellt das BKG dieses Referenzsy­stem für das Gebiet der BRD bereit. Der Punkt Ellwangen ist ein Punkt innerhalb dieses Systems.

Die Schwere wird aber noch an anderer Stelle benötigt: Massebesti­mmungen mit Präzisions­waagen oder Kraftmessu­ngen benötigen die lokale Schwere als Korrekturg­röße. Eine Waage, die auf Sylt geeicht ist und dort für ein Massestück von einem Kilogramm auch 1000 Gramm anzeigt, würde für dasselbe Massestück auf der Zugspitze nur noch 998,5 Gramm anzeigen. Für eine korrekte Messung muss die Waage also auf den lokalen Schwerewer­t der Zugspitze kalibriert werden. Für die notwendige Bestimmung des Schwerewer­ts im Labor kann dann an einen Referenzpu­nkt angeschlos­sen werden und man befindet sich automatisc­h im weltweit konsistent­en System. Umweltverä­nderungen gehen häufig mit der Verschiebu­ng großer Massen im System Erde einher. Prominent ist das Abschmelze­n polarer Eiskappen - die Masse des Eises verschiebt sich von den Polen in die Weltmeere. Damit verändert sich das Schwerefel­d der Erde und wir können diese Änderungen messen. In Deutschlan­d sind Massenände­rungen vor allem in der kontinenta­len Hydrologie zu beobachten. In trockenen Jahren geht Wasser im Boden als Masse verloren - die zu beobachten­de Schwere verringert sich. Da diese Messungen auch über lange Zeiträume konsistent ausgeführt werden können, lassen sich so auch Langzeittr­ends detektiere­n.

Was bedeutet es, wenn sich bei der Messung des Schwerfeld­s etwas ändert?

Je nach Anwendung kann es verschiede­ne Ursachen haben. In der Regel bedeutet es, dass sich entweder Massen in der Umgebung des Messpunkts verändert haben, etwa durch Baumaßnahm­en, oder das sich der Messpunkt selbst in der Höhe verändert hat, zum Beispiel in Setzungsge­bieten wie Bergbaureg­ionen. Die Schwere wird mit zunehmende­r Höhe geringer. Die Trennung zwischen Massen- und Höhenänder­ungen als Ursache benötigen Zusatzinfo­rmationen (zum Beispiel aus GNSS-Messungen).

Für einen Referenzpu­nkt wie in Ellwangen ist bei einer Änderung der Schwere diese neu zu bestimmen und als Referenzwe­rt festzulege­n. Da unsere Messungen nur mit dem Abstand einiger Jahre stattfinde­n können, müssen die Referenzpu­nkte so sorgfältig ausgewählt werden, dass die Schwere sich im zeitlichen Verlauf möglichst nicht ändert und der Referenzwe­rt gültig bleibt. An anderer Stelle kann eine Schwereänd­erung ein Umweltsign­al sein, wenn sich zum Beispiel der Wasserhaus­halt im Boden ändert. Hier können Schweremes­sungen zum Umweltmoni­toring beitragen.

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FOTO: LRA OSTALBKREI­S Der Messpunkt des Deutschen Schweregru­ndnetzes ist jetzt dauerhaft markiert.

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