Mallorcas gelungenes Urlaubsexperiment
Entspannung statt Party am Ballermann – Nächtliche Ausgangssperre erfolgreich
MADRID - In den letzten Tagen herrschte auf Mallorcas Flughafen Hochbetrieb wie schon lange nicht mehr. Hunderte Flüge wurden täglich auf dem internationalen Airport nahe der Inselhauptstadt Palma abgefertigt. Der Andrang auf dem Flughafen war so groß, dass sich lange Warteschlangen an den Abfertigungsschaltern bildeten. Die Flugzeuge landeten und starteten zeitweise im Minutentakt – ganz so, als ob die Corona-Krise schon überwunden und wieder die Feriennormalität auf der Insel eingekehrt sei.
Aber von der Normalität ist die meistbesuchte Insel Europas noch weit entfernt. Das spiegelt sich auch in dem Testchaos, das auf der Insel ausbrach, seit auch Deutschland, wie zuvor schon die Schweiz und Österreich, einen negativen Corona-Test von allen Inselrückkehrern verlangt. Viele Insellabors waren überlastet, Termine sind nicht einfach zu bekommen. So wird es für viele Reisende zu einem nervigen Wettlauf gegen die Zeit, pünktlich vor Abflug einen negativen Test zu bekommen.
Diese Hürde sorgt offenbar auch dafür, dass manche mit gefälschten Testdokumenten die strengen Corona-Reiseregeln überlisten wollen. „Leider kenne ich zu viele Leute, die versuchen, sie durch Tricks zu umgehen, etwa mit per Photoshop gefälschten Dokumenten. Das finde ich schlimm“, berichtet in der MallorcaZeitung ein deutscher Arzt, der öfter nach Mallorca zu seinem Zweitwohnsitz fliegt. Auch eine Privatklinik auf der Insel soll gegen Bezahlung falsche Testzertifikate ausgestellt haben.
Die meisten Mallorca-Flüge sind momentan Verbindungen mit Deutschland, die über Ostern rund 40 000 Urlauber auf die Baleareninsel brachten und wo in vielen Bundesländern gerade die Ferien zu Ende gingen. Viele Urlauber flogen die letzten Tage wieder zurück in die deutsche Heimat. Aber auch Richtung Schweiz, Österreich, Italien und Luxemburg starten derzeit etliche Rückflüge. Auf der Insel, die in der Osterzeit einen unerwartet großen Besucherboom erlebte, wird es nun vorerst wieder stiller.
Mallorcas Hoteliers, die seit einem Jahr wenig zu feiern haben, schöpfen gerade wieder ein bisschen Hoffnung auf bessere Zeiten. Dank der Ankunft der ausländischen Touristen konnten zumindest einige Hotels nach Monaten der coronabedingten Flaute wieder öffnen. Obwohl
es unter dem Strich kaum mehr als zehn Prozent der Inselherbergen waren, die in diesem Frühling den Betrieb wieder aufnahmen. An vielen Hotelfassaden hängen immer noch Transparente mit der Aufschrift „SOS Tourismus“, um auf die große Notlage der Branche aufmerksam zu machen.
Trotzdem ist die Bilanz des Reisesektors positiv. Immerhin kamen seit Mitte März, als auf Mallorca der Tourismus wieder vorsichtig anrollte, annähernd 100 000 internationale Reisende auf Palmas Flughafen an. „Besser ein paar Einnahmen als gähnend leere Kassen“, sagt ein Hotelier an der Playa de Palma, wo Mallorcas bekannteste Urlaubshochburg liegt. Auch die örtlichen Gesundheitsbehörden zeigten sich vorsichtig optimistisch: Die Befürchtung, dass die touristische Wiedereröffnung Mallorcas die Infektionszahlen in die Höhe treiben und die Insel in ein neues Ischgl verwandeln könnte, bestätigt sich bisher nicht. Die SiebenTage-Inzidenz ist mit weniger als 30 Fällen pro 100 000 Einwohner seit Wochen stabil.
Die Anti-Corona-Pläne Mallorcas scheinen also zu funktionieren. Und zwar besser als jene der Urlauberherkunftsländer, wo die wöchentliche Fallhäufigkeit sehr viel höher liegt als auf Mallorca. Deutschlands mittlere Sieben-Tage-Inzidenz befand sich zum Beispiel am Montag bei über 130 – das ist gut viermal höher als auf Mallorca. „Wir fühlen uns auf der Insel sicherer als in der Heimat“, sagen Inselurlauber.
Mallorcas Tourismusexperiment über Ostern, das vor allem in Deutschland viel kritisiert worden war, scheint nach den bisher vorliegenden Informationen weitgehend gelungen zu sein. Auch wenn einige Nachrichten daran erinnern, dass die Virusgefahr auf der Insel noch nicht gebannt ist.
So waren in den letzten Wochen mindestens 18 infizierte Reisende bei der Ankunft auf dem Flughafen entdeckt worden. Wenigstens zwei deutsche und vier kroatische Urlauber mussten ihre Frühlingsferien in einem Quarantänehotel in Palma verbringen – weitere Einzelheiten wurden nicht bekannt gegeben. Das seien nur Einzelfälle, beschwichtigen die Behörden, aber keine großen Virusausbrüche.
„Die von uns ergriffenen Maßnahmen zeigen Ergebnisse“, bilanziert die regionale Regierungschefin der Baleareninseln, Francina Armengol. „Aber wir müssen wachsam bleiben und nach Ostern erst einmal beobachten, wie sich die Pandemie entwickelt.“
Zu den strengen mallorquinischen Sicherheitsmaßnahmen, die trotz der sehr wenigen Ansteckungen in Kraft bleiben, gehört zum Beispiel eine Ausgangssperre, die auch weiterhin von 22.00 Uhr abends bis 6.00 Uhr morgens gelten soll. Dieses Ausgehverbot sei eines der „grundlegenden Werkzeuge“, um die Epidemie zu kontrollieren, bekräftigt Armengol.
Zudem soll es bei der nur sehr behutsamen Öffnung der Gastronomie bleiben, welche derzeit lediglich die Außenterrassen bewirtschaften darf – bis 17.00 Uhr nachmittags. Hinzu kommt auf der Insel eine sehr strenge Maskenpflicht, die sogar am Strand, am Pool und am Restauranttisch gilt, soweit der übliche Sicherheitsabstand unter Menschen, die nicht zusammenleben, nicht eingehalten werden kann.
Übrigens: Entgegen des Rufes Mallorcas, eine Partyinsel zu sein, herrscht im berühmten „Ballermann“-Viertel an der Playa de Palma immer noch gespenstische Ruhe. Die großen Partytempel wie etwa der „Bierkönig“oder der „Megapark“sind seit einem Jahr verrammelt. Statt Party und Eimersaufen ist denn in diesen Wochen vor allem Entspannung am Strand angesagt.