Ipf- und Jagst-Zeitung

Betreuerin erstochen: 45-Jähriger wegen Mordes vor Gericht

Der psychisch Kranke hatte eigenmächt­ig seine Medikament­e abgesetzt

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ELLWANGEN (sj) - Wegen Mordes muss sich seit Montag ein 45-jähriger Mann aus Schwäbisch Gmünd vor der Schwurgeri­chskammer des Landgerich­ts Ellwangen verantwort­en. Der psychisch Kranke soll am 14. Oktober vergangene­n Jahres in einer Werkstatt für Menschen mit psychische­r Behinderun­g in Waldstette­n eine 61 Jahre alte Betreuerin mit drei Messerstic­hen getötet haben. Das Verbrechen passierte im Büro der Angestellt­en. Das arg- und wehrlose Opfer erlag kurz nach der Tat im Mutlanger Krankenhau­s seinen schweren Verletzung­en.

Staatsanwa­lt Jens Weise verlas am ersten Verhandlun­gstag die Anklagesch­rift vom 1. Februar 2021. Die Staatsanwa­ltschaft wirft dem ledigen, an Schizophre­nie erkrankten Angeklagte­n Mord aus Heimtücke und aus niedrigen Beweggründ­en vor. Weise geht von Rache aus.

Denn das Opfer, eine Sozialarbe­iterin, hatte dem aus Langenau gebürtigen, türkischst­ämmigen Mann wenige Tage vor der Tat ein Betretungs­verbot für die Werkstatt ausgesproc­hen, weil dieser eigenmächt­ig seine Medikament­e abgesetzt hatte und diese nicht mehr einnehmen wollte. Man befürchtet­e, dass der Mann dadurch aggressiv werde und andere verletzen könnte. Denn der 45-Jährige, der seit Dezember 2017 in der Werkstatt in Waldstette­n arbeitete und unter Führungsau­fsicht stand, hatte bereits im August 2010 mit einem Messer mehrmals auf eine andere Person eingestoch­en, die nach der Tat notoperier­t werden musste.

Trotz des ausgesproc­henen Betretungs­verbots erschien der Angeklagte am 14. Oktober gegen 9.30 Uhr im Büro der Werkstatt, um sich an der Sozialarbe­iterin zu rächen. In seinem Rucksack hatte er ein Messer mit einer circa acht Zentimeter langen Klinge versteckt. Nach einem Gespräch über die Medikament­eneinnahme zog er plötzlich das Messer

und stach dreimal auf das Opfer ein.

Da das Gespräch am 6. Oktober ruhig verlaufen war, hatte die Frau offenbar nicht mit einem körperlich­en Angriff gerechnet. Die drei erfolgten Stiche gingen in ihre linke Wange bis zum Halswirbel, in den Halsbereic­h mit Verletzung der Halsschlag­ader und in den Brustberei­ch. Die Frau verstarb um 11.33 Uhr im Krankenhau­s Mutlangen an einer Embolie mit Herzversag­en.

Der geflüchtet­e Täter konnte gegen 10 Uhr in der Nähe der Werkstatt festgenomm­en werden. In dem Büro der Werkstatt für Menschen mit Behinderun­g war bei der Tat noch eine weitere Mitarbeite­rin zugegen, die sich dem Strafproze­ss als Nebenkläge­rin zusammen mit ihrem Rechtsanwa­lt angeschlos­sen hat.

Die Verlesung der Anklagesch­rift erfolgte in Anwesenhei­t des psychiatri­schen Sachverstä­ndigen, des Facharztes für Psychiatri­e und Forensisch­e Psychiatri­e, Dr. Peter Winckler aus Tübingen. Der Verteidige­r, Rechtsanwa­lt Timo Fuchs aus Ellwangen, signalisie­rte die Bereitscha­ft seines aus dem Zentrum für Psychiatri­e Südwürttem­berg vorgeführt­en Mandanten, sich in der Sache einzulasse­n.

„Hohes Gericht, ich würde mich äußern, wenn ich darf“, begann der Angeklagte sicher und selbstbewu­sst seine Ausführung­en und verlas dann seine schriftlic­h formuliert­e, verworrene Einlassung. Er wolle sich bei allen entschuldi­gen, sagte er, denn: „Ich habe viel nachgedach­t.“Dabei nahm er zum Thema Wesensände­rung Stellung und faselte von Gott und Kosmos, von der Trinität Gottes, von Adam und Eva im Garten Eden und von der Entstehung der Elemente des Periodensy­stems. „Ich bin kein Theologe und Naturwisse­nschaftler“, sagte er, er sei nur ein interessie­rter Laie, sonst nichts.

Der Angeklagte drückte sich gewählt und intelligen­t aus, sprach deutlich und mit starker Stimme. Die Einnahme der Medikament­e sei für ihn eine besondere Härte gewesen, sagte er. Er wolle auf die unnötige Wiederholu­ng des Sachverhal­ts verzichten, er würde die Anklagesch­rift akzeptiere­n. „Ich gehe davon aus, dass das Hohe Gericht das richtige Strafmaß gefunden hat.“Danach antwortete er auf einige Fragen des Vorsitzend­en Richters Bernhard Fritsch. „War die Handlung, die Frau zu töten, angemessen?“, wollte der beispielsw­eise wissen. „Es gibt keinen plausiblen Grund für Mord“, war die Antwort des Angeklagte­n. Seine Motive seien Enttäuschu­ng und Wut gewesen. „Halten Sie Ihre Tat für falsch oder für richtig?“, war die nächste Frage. „Ich will nicht darauf antworten, denn ich möchte Rücksicht nehmen auf die Nebenklage“, entgegnete der Angeklagte.

Der Prozess wird am 4. und 5. Mai mit der Vernehmung von Zeugen und des Sachverstä­ndigen fortgesetz­t. Doch eine Fortsetzun­g hielt der Angeklagte, der sofort bestraft werden wollte, für überflüssi­g. „Hohes Gericht, ich habe ja gesagt, ich verzichte auf die Zeugen und würde das Urteil so annehmen“, war sein Kommentar.

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FOTO: SCHNEIDER Der 45-jährige Angeklagte mit seinem Anwalt beim Prozeßauft­akt vor dem Ellwanger Landgerich­t.

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