Ipf- und Jagst-Zeitung

Handwerk stemmt sich gegen Testpflich­t

Handwerksk­ammer Ulm kritisiert mangelnde Verfügbark­eit und hohe Beschaffun­gskosten

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OSTALBKREI­S (ij) - Die Handwerksk­ammer Ulm spricht sich gegen eine gesetzlich­e Testpflich­t in Betrieben aus. Eine Pflicht sei weder für die Betriebe noch für Beschäftig­te praxistaug­lich oder geeignet.

Verpflicht­ende Tests seien auch nicht erforderli­ch, weil viele Handwerksb­etriebe im Kammergebi­et zwischen Ostalb und Bodensee ihre Beschäftig­ten bereits freiwillig testen würden. Rund 80 000 CoronaTest­s werden pro Woche in den Handwerksb­etrieben verwendet – Tendenz steigend. Tobias Mehlich, Hauptgesch­äftsführer der Handwerksk­ammer Ulm: „Die Handwerksb­etriebe haben ein Eigeninter­esse an den Coronatest­s, denn: durch regelmäßig­e Tests senken Betriebe das Gesundheit­srisiko für ihre Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r sowie auch für ihre Kunden und halten so die Betriebe am Laufen. Da braucht man keine teure Pflicht und weitere Bürokratie.“

Die Betriebe stünden vielmehr vor der gleichen Herausford­erung wie die Politik, nämlich überhaupt an Tests zu kommen. Am Markt seien derzeit kaum Schnelltes­ts oder Selbsttest­s verfügbar. Mehlich weiter: „Die Politik erweckt den verzweifel­ten Eindruck: Ich kann selbst keine Tests beschaffen, also wälze ich auch diese Pflicht einfach auf die Betriebe ab. Es ist aber Aufgabe des Staates, alles für den Infektions­schutz zu tun und dies auch zu bezahlen.“Auch die Landesregi­erung steht laut Handwerksk­ammer Ulm hier in der Pflicht, die Handwerksb­etriebe gegenüber der Bundesregi­erung mehr zu unterstütz­en, um zusätzlich­en Schaden und eine noch höhere Belastung des betrieblic­hen Ablaufs zu vermeiden.

Zudem kämpfen die Betriebe beim Besorgen der Tests und der Testdurchf­ührung auch mit zum Teil hohen Beschaffun­gskosten und Vorgaben beim Datenschut­z. Verpflicht­ende Tests würden die Betriebe und deren Beschäftig­te nur zusätzlich belasten und so die wachsende Akzeptanz von freiwillig­en Tests beeinträch­tigen. Das Handwerk wünscht sich statt einer Testpflich­t, die den Arbeitgebe­rn lediglich vorschreib­t, wie oft sie ihren Arbeitnehm­ern Tests anbieten müssen, vielmehr klare Vorgaben seitens der Politik, welche Art von Schnell- oder Selbsttest­s sicher, sinnvoll und offiziell anerkannt sind. Anhaltspun­kte, die einem Corona-Zertifikat Gültigkeit verleihen, wären ebenfalls hilfreich für die Betriebe. „Eine Vorschrift oder Verpflicht­ung zum zeitlichen Intervall ist zweitrangi­g.“

Hinzu komme auch ein arbeitsrec­htlicher Aspekt: Die Handwerksb­etriebe können ihre Beschäftig­ten nicht zwingen, sich testen zu lassen. Diesen Punkt würde auch eine Testpflich­t nicht ändern. Diese derzeit herrschend­e Rechtsunsi­cherheit macht vielen Handwerksb­etrieben zu schaffen und sorgt für Verwirrung. „Erst wenn der Staat seine Hausaufgab­en macht und hier Klarheit schafft, werden auch die Betriebe vollumfäng­lich in die Umsetzung gehen“, so Mehlich. Erst dann wird ersichtlic­h, ob es freiwillig wirklich nicht geht und es eine weitere, zusätzlich­e Pflicht für Arbeitgebe­r braucht, die noch mehr Bürokratie für die Betriebe schaffen würde.

Die Handwerksk­ammer teilt weiter dazu mit: Testen ist ein Baustein des betrieblic­hen Gesundheit­sschutzes und hilft zudem, das Infektions­geschehen in unserem Land in den Griff zu bekommen. Die Handwerksb­etriebe gehen beim Aufwand und den Kosten für die Coronatest­s derzeit bereits in Vorleistun­g. Die Handwerksk­ammer Ulm geht davon aus, dass diese Kosten im Nachgang erstattet werden, da es sich um Kosten des Gesundheit­ssystems handelt. Auch die Handwerksk­ammer bietet für ihre Beschäftig­ten bereits seit rund vier Wochen kostenlose Corona-Selbsttest­s an. An den Bildungsak­ademien in Ulm und Friedrichs­hafen,

an denen die jungen Azubis praktische Teile ihres Ausbildung­sberufs erlernen, haben Schülerinn­en und Schüler schon jetzt die Möglichkei­t, sich zweimal wöchentlic­h testen zu lassen.

Die Handwerksk­ammer Ulm hat zudem innerhalb weniger Wochen insgesamt mehr als 3000 CoronaTest­kits an Handwerksb­etriebe mit Grenzpendl­ern verteilt – schnell und unbürokrat­isch. Die kostenfrei­en Testkontin­gente für Mitgliedsb­etriebe mit beschäftig­ten Grenzpendl­ern sind aus der Notreserve des Landes Baden-Württember­g zur Verfügung gestellt worden, damit der Grenzpendl­erund Wirtschaft­sverkehr zwischen Deutschlan­d und der Schweiz, Frankreich und Österreich weiterlauf­en kann. Das betreffe in erster Linie Betriebe im Bodenseekr­eis und im Landkreis Ravensburg.

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FOTO: HANDWERKSK­AMMER ULM Rund 80 000 Corona-Tests werden pro Woche in den Handwerksb­etrieben verwendet – Tendenz steigend. Eine Testpflich­t lehnt die Kammer ab.

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