Die Achterbahnen stehen still
Die Pandemie legt die Freizeitparks im Südwesten lahm – Eine Öffnungsperspektive ist nicht in Sicht
TUTTLINGEN - Kinder rennen lachend umher, Achterbahnen schießen ratternd über die Schienen und die Fahrgäste reißen begeistert die Arme nach oben. So sieht es in den Freizeitparks im Südwesten normalerweise aus. Seit Beginn der Corona-Pandemie konnten solche Ausflugsziele nur eingeschränkt öffnen. Jetzt wollen die Parks aus der Winterpause zurückkehren. Doch ob und wie der Saisonstart in diesem Jahr ablaufen soll, ist noch unklar.
„Es ist eine denkbar schlechte Situation“, sagt Jürgen Gevers, Geschäftsführer des Verbands Deutscher Freizeitparks und Freizeitunternehmen (VDFU) über die Lage im Südwesten. Im Stufenplan der Landesregierung Baden-Württemberg kommen Freizeitparks aktuell nicht vor, lediglich zoologische Einrichtungen dürfen unter strengen Hygienemaßnahmen und sofern das Infektionsgeschehen es zulässt öffnen. „Wir wollen keine Extrawurst, haben aber kein Verständnis für die Schlechterstellung gegenüber Zoos“, betont Gevers.
Nach Ansicht des VDFU haben Zoos und Freizeitparks ähnliche Strukturen und sprechen ähnliche Besuchergruppen an. Daher hat sich der Branchenverband in einem offenen Brief an Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) gewandt. Das zuständige Sozialministerium wies die Gleichstellung von Freizeitparks und Zoos jedoch zurück. Die Begründung: Freizeitparks würden ein höheres Infektionsrisiko darstellen, außerdem sei der Ansturm auf die Parks 2020 so groß gewesen, dass einige von ihnen schließen mussten. „Davon ist mir allerdings nichts bekannt“, sagt Grevers.
In Cleebronn im Landkreis Heilbronn gibt es mit Tripsdrill einen Park, der beides hat – sowohl einen Erlebnispark mit Achterbahnen als auch einen Wildpark mit Tieren. „Wir sind dringend auf Öffnungsperspektiven angewiesen“, sagt ein Sprecher des Parks. Aktuell dürfte nur das Wildparadies, das als Zoo gilt, öffnen, sobald die Sieben-Tage-Inzidenz im betreffenden Landkreis wieder stabil unter 100 liegt. Der Erlebnispark bleibt weiterhin geschlossen.
Bei einer Öffnung wäre der Park grundsätzlich bereit, viele Attraktionen können kurzfristig den Betrieb wieder aufnehmen. „Bei unseren Wasserattraktionen wie dem Waschzuber-Rafting, ist das allerdings nicht so einfach – alleine das Einlassen des Wassers dauert über eine Woche“, gibt ein Sprecher des Parks zu Bedenken.
Die Maßnahmen gegen das Coronavirus sind für viele Parks mit finanziellen Einschnitten verbunden – zumal im Erlebnispark Tripsdrill gerade erst die größte Einzelinvestition in der Geschichte des Parks abgeschlossen wurde: Die beiden Achterbahnen „Hals-über-Kopf“und „Volldampf“
eröffneten im vergangenen Jahr. Aktuell kann der Park nur Gutscheine verkaufen. Das decke laut Angaben des Parks jedoch nicht einmal einen Bruchteil der Fixkosten. Je nachdem, wie lange der Lockdown andauert, könnte daher die Anzahl der Mitarbeiter in Kurzarbeit noch steigen. Zwischenzeitig war das für 200 von den bis zu 450 Angestellten des Parks der Fall.
Ähnlich ist die Stimmung auch beim Europa-Park in Rust bei Freiburg. „Der Europa-Park wartet seit November auf eine Öffnungsperspektive, bislang ohne Ergebnis“, sagte eine Sprecherin. Für die Öffnung sei man vorbereitet, bislang zeichne sich aber kein Termin ab. „Der Park ist nun fünf Monate komplett heruntergefahren, und es gibt erhebliche Einbußen in Höhe von deutlich mehr als 100 Millionen Euro. Es ist bereits jetzt abzusehen, dass der EuropaPark 2021 riesige finanzielle Umsatzverluste
erleiden und weitere Investitionen auf Eis legen wird.“
Zwischen 3000 und 4000 Mitarbeiter von insgesamt 4500 Arbeitskräften sind nach Angaben des Parks bislang in Kurzarbeit. „Diese Schwankungsbreite liegt daran, dass immer wieder Arbeiten im Park erledigt werden müssen, und Mitarbeiter dafür aus der Kurzarbeit zurückkehren“, teilte eine Sprecherin mit.
Auch für den Schwaben Park im Rems-Murr-Kreis war das vergangene Jahr nicht leicht. Die Mitarbeiter sind bereits 2020 mit Verspätung und einem teuren Hygienekonzept in die Saison gestartet. „Unsere Gäste waren nicht nur ausgehungert, sie waren gierig nach Spaß und dem Entfliehen des Alltags. Aufgrund der reduzierten Besucheranzahl hatten wir sehr viele ausgebuchte Tage, in den Sommerferien waren wir täglich ausgebucht und mussten Gäste ohne Anmeldung leider immer wieder nach Hause schicken“, hieß es seitens des Parks.
In der Hauptsaison hat der Park zwischen 130 bis 150 Mitarbeiter, das ganze Jahr sind rund 20 fest angestellte Mitarbeiter beschäftigt. Laut eigenen Angaben wurde Überbrückungshilfe beantragt. „Der Schwaben Park hat in den vergangenen Jahren, trotz Millioneninvestitionen, sehr gut gewirtschaftet, aber die Reserven schmelzen spürbar“, sagte dazu ein Sprecher.
Auch im Ravensburger Spieleland in Meckenbeuren im Bodenseekreis wird auf den Saisonstart hingearbeitet. „Die Ravensburger Freizeit & Promotion GmbH, zu der auch das Ravensburger Spieleland gehört, hat rund 100 Festangestellte, etwa 15 Auszubildende und rund 500 Saisonund Abrufkräfte“, sagte eine Sprecherin. Der Park könnte, sobald es wieder erlaubt ist, in die Saison starten: „Während der Winterpause wurde sowohl die Neuheit – die Gravi-Trax-Kugelbahn – aufgebaut, als auch alle sonstigen Arbeiten im Ravensburger Spieleland erledigt, sodass wir jederzeit startklar wären.“Auch das Hygiene- und Schutzkonzept habe man nochmals überarbeitet und entsprechend angepasst.
Für Legoland im bayerischen Günzburg war 2020 ein wirtschaftlich schwieriges Jahr. Der Park ist mit zwei Monaten Verspätung in die vergangene Saison gestartet. „2020 haben wir nur knapp 40 Prozent der Besucherzahlen des Vorjahres gehabt – etwa 760 000 Gäste“, sagt eine Sprecherin. Das Feedback der Gäste sei aber trotz allem sehr positiv ausgefallen. Und auch auf eine Öffnung in diesem Jahr bereite man sich bereits vor. Dazu heißt es von Legoland: „Ab Bekanntgabe eines möglichen Öffnungszeitpunktes benötigen wir in etwa drei Wochen, um den Betrieb hochzufahren und startklar zu sein.“
Ein weiteres Ausflugsziel in Baden-Württemberg, das mit der Pandemie zu kämpfen hat, ist der Affenberg in Salem. 2020 hatte der Tierpark 40 Prozent weniger Besucher. 2021 dufte noch nicht geöffnet werden, die Inzidenz im Bodenseekreis ist dafür zu hoch. Der Alltag für die Tierpfleger, die sich um die Berberaffen kümmern, bleibt gleich – bis auf ein Detail. Wenn die Pfleger das Gehege betreten, dann nur mit Handschuhen und Maske, denn auch Affen können sich mit dem Virus anstecken. Nachrichten von amerikanischen Zoos, die bereits mit der Impfung ihrer Primaten begonnen haben, sind auch bei Parkleiter Roland Hilgartner angekommen. „Daran denken wir aber noch gar nicht“, erklärt der Biologe. Er wünscht sich vor allem eine baldige Impfung seiner Mitarbeiter und eine klare Perspektive für Freizeiteinrichtungen.
Auf eine Perspektive hofft auch Jürgen Gevers vom VDFU. Für eine Öffnung brauchen die meisten Parks eine längere Vorlaufzeit. Die Achterbahnen müssen vom TÜV geprüft werden, die Außenanlagen hergerichtet, und für die Gastronomie muss eingekauft werden. Zudem ist unklar, ob es sich für die Parks lohnt, Saisonkräfte einzustellen und anzulernen. Das Dilemma: Die ohnehin kurze Saison schrumpft durch die Pandemie immer weiter zusammen.