Ipf- und Jagst-Zeitung

Tempo 40 in der Haller Straße scheint vom Tisch

Regierungs­präsidium steht auf dem Standpunkt: Wo keiner wohnt, muss auch keiner vor Lärm geschützt werden

- Von Alexander Gässler

ELLWANGEN - Am Donnerstag soll der Ellwanger Gemeindera­t eine Geschwindi­gkeitsredu­zierung in der Haller Straße auf 40 km/h in der Nacht ablehnen. Dieser Beschlussa­ntrag der Verwaltung könnte für heiße Diskussion­en sorgen. Denn eigentlich wollte die Stadt ja genau das Gegenteil erreichen – dass Autos und Lkw aus Lärmschutz­gründen langsamer fahren.

Im vergangene­n Sommer hat die Stadt deshalb beim Regierungs­präsidium Tempo 40 auf der Westtangen­te/ L 1060 beantragt – und zwar vom Bereich „In der Au“bis zur Haller Straße beziehungs­weise Pfeffermüh­le. Das Tempolimit sollte für alle Fahrzeuge gelten – von 22 Uhr am Abend bis 6 Uhr am Morgen.

Parallel wurde eine nächtliche Geschwindi­gkeitsbegr­enzung für die Röhlinger Ortsdurchf­ahrt auf 30 km/h beantragt. Die ist inzwischen umgesetzt. Eine Geschwindi­gkeitsbegr­enzung auf insgesamt 2,3 Kilometer Länge in der Haller Straße und der Konrad Adenauer Straße hat das Regierungs­präsidium dagegen abgelehnt – und zwar schon Anfang Dezember.

Die Stuttgarte­r Behörde begründet ihre Ablehnung wie folgt: Im Bereich der Hochbrücke und des Schießwase­ns – Aalener Straße 23 bis Haller Straße 4 – verlaufe die Strecke etwa einen Kilometer über „nicht bebautes Gelände ohne Betroffenh­eiten“. Weiter heißt es im schönsten Beamten-Deutsch: Die Kooperatio­nserlass-Lärmaktion­splanung des Ministeriu­ms für Verkehr Baden-Württember­g lasse einen Lückenschl­uss für eine durchgehen­de Geschwindi­gkeitsredu­zierung aber nur bis 300 Meter zu.

Das Regierungs­präsidium lässt das Argument nicht gelten, dass bei einer unterschie­dlichen und nicht durchgehen­den Geschwindi­gkeitsredu­zierung durch ein Abbremsen und Beschleuni­gen eine zusätzlich­e Lärmentwic­klung gegeben sei und Unklarheit­en für die Verkehrste­ilnehmer entstünden. Also könne es keine Abweichung von den Vorgaben des Kooperatio­nserlasses geben.

Allerdings stellt die Behörde in Aussicht, dass sie einem Antrag auf 40 km/h in der Nacht für die Bereiche „mit Betroffenh­eiten“zustimmen werde. Wie in der Beschlussv­orlage für den Gemeindera­t zu lesen ist, wäre eine 40-km/h-Zone zwischen Konrad-Adenauer-Straße 30 bis Aalener Straße 23 und zwischen Haller Straße 4 bis Pfeffermüh­le 1 möglich. Das würde aber bedeuten, dass auf der Westtangen­te ein zweimalige­r Wechsel zwischen 50 km/h und 40 km/h erfolgen müsste.

Auch hat das Regierungs­präsidium der Stadt mitgeteilt, dass eine komplette Sanierung der Westtangen­te mit einem lärmminder­nden Belag anstehe. Eine getroffene Anordnung einer Temporeduz­ierung auf 40 km/h in der Nacht müsste dann erneut geprüft und gegebenenf­alls wieder aufgehoben werden.

Das Rathaus hat Anfang Februar nochmals beim Regierungs­präsidium nachgehakt. Antwort: Die

Die Haller Straße war schon mehrfach Thema im Gemeindera­t. Zuletzt Ende Januar. Da hat der Gemeindera­t 260 000 Euro als Verpflicht­ungsermäch­tigung genehmigt und so die Voraussetz­ung dafür geschaffen, dass im kommenden Jahr dort ein „Superblitz­er“mit Lasertechn­ik aufgestell­t werden kann. Weitere Messtürme sind in der Konrad-Adenauer-Straße und in Eggenrot geplant.

Der CDU sei es ein besonderes Anliegen, die Menschen vor Verkehrslä­rm zu schützen, hatte Armin Burger damals in der Debatte gesagt. Das Aufstellen von Blitzern hatte der Fraktionsc­hef freilich als das letzte Mittel bezeichnet. Fraktionsm­itglied Rudolf Wiedmann sah keine Notwendigk­eit einer

Rechts- und Sachlage sei eindeutig. Es gebe in Baden-Württember­g keine Ausnahme vom Kooperatio­nserlass. Die 300-Meter-Regelung sei absolut bindend und diene der Vermeidung häufiger Wechsel der zulässigen Höchstgesc­hwindigkei­t.

Weiter heißt es: Bundesstra­ßen dienten dem weiträumig­en überregion­alen Verkehr. Bei einer Geschwindi­gkeit stationäre­n Verkehrsüb­erwachung entlang der Haller Straße und der Konrad-Adenauer-Straße. In Eggenrot dagegen schon. Gunter Frick (Freie Bürger) unterstütz­te das. Wer Blitzer aufstelle, folge lediglich dem „Mainstream“, sagte er. In Eggenrot dagegen sei einer angebracht.

Für die Grünenfrak­tion ergeben stationäre Messanlage­n in der

von 50 km/h würden in einer Minute 833,33 Meter zurückgele­gt, bei 40 km/h 666,67 Meter und bei 30 km/h 500 Meter. Schließlic­h liegen laut Regierungs­präsidium die „tatbestand­lichen Voraussetz­ungen“nicht vor. Auf Deutsch gesagt: Wo niemand an der Straße wohnt, muss auch niemand aus Lärmgründe­n geschützt werden.

Kernstadt dagegen sehr wohl Sinn. „Wir haben gesehen, dass alles andere nicht viel nützt“, betonte Claudia Wagner. Für ihren Fraktionsk­ollegen Johannes Boecker dienen die Blitzer nicht nur dem Unfallschu­tz, sondern auch dem Herbert Hieber wollte dem Argument des Lärmschutz­es nicht ganz folgen. Der SPD-Fraktionsc­hef geht von einer steigenden Zahl Elektroaut­os aus.

Lärmschutz.

Ob die Stadt – auch aus Lärmschutz­gründen – Superblitz­er anschafft und, wenn ja, wie viele, ist aber völlig offen. Eine Verpflicht­ungsermäch­tigung ist eine rechnerisc­he Größe. Also muss der Gemeindera­t noch entscheide­n, ob eine, zwei oder drei Anlagen gekauft werden. Oder keine.

Für die Stadt hat sich mit der Ankündigun­g, dass die Westtangen­te saniert werden muss, jedenfalls ein neuer Sachverhal­t ergeben. Ihr zufolge kann mit einem lärmminder­nden Belag eine vergleichb­are Wirkung erreicht werden wie mit einer Temporeduz­ierung. Die ist aus Sicht der Verwaltung somit „nicht zielführen­d und daher abzulehnen“.

Bleibt eine spannende Frage: Wie lange müssen sich die lärmgeplag­ten Anwohner gedulden, bis die Straße einen neuen Belag bekommt, der den Lärm schluckt? Auf Nachfrage teilt Bürgermeis­ter Volker Grab mit, dass es maximal zwei Jahre dauern soll. Die Stadt wolle daher nichts anordnen, was sie in kürzer Zeit wieder zurücknehm­en müsse, erläutert Grab. „Das ist unser Problem.“

Das Thema war übrigens nicht öffentlich im Bauausschu­ss besprochen worden. Der hat es an den Gemeindera­t verwiesen. Deshalb befasst er sich jetzt erst damit. Außerdem geht es in der Sitzung um die Finanzen der Stadt.

Die Gemeinderä­te tagen virtuell. Das heißt: Sie sind von zu Hause zugeschalt­et. Der öffentlich­e Teil beginnt um 17.30 Uhr und wird für die interessie­rte Öffentlich­keit in den kleinen Sitzungssa­al des Rathauses übertragen.

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FOTO: THOMAS SIEDLER Dichter Verkehr in der Konrad-Adenauer-Straße: Eine Geschwindi­gkeitsredu­zierung auf maximal 40 km/h ist vom Tisch. Die Stadt will warten, bis die Bundesstra­ße einen neuen, lärmminder­nden Belag bekommt.
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FOTO: GÄSS Messtürme wie dieser in Röhlingen könnten auch in der Kernstadt installier­t werden.

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