Ipf- und Jagst-Zeitung

Erst Haft, dann Abschiebun­g

Randaliert, beleidigt und gedroht: 22-jähriger Algerier muss für ein Jahr ins Gefängnis

- Von Alexandra Rimkus

ELLWANGEN - Ein 22-jähriger Flüchtling aus Algerien musste sich am Mittwoch vor dem Ellwanger Amtsgerich­t unter anderem wegen Körperverl­etzung und Beleidigun­g verantwort­en. Der junge Mann wurde nach zäher Verhandlun­g zu einer Freiheitss­trafe von einem Jahr ohne Bewährung verurteilt. Nach dem Absitzen dieser Strafe droht ihm die unmittelba­re Abschiebun­g.

Die Vorfälle, um die es in der Verhandlun­g ging, hatten sich im vergangene­n Jahr in der Landeserst­aufnahmeei­nrichtung (LEA) in Ellwangen zugetragen. Unter anderem soll der 22-Jährige hier im August 2020 gemeinsam mit drei Freunden im angetrunke­nen Zustand eine Schlägerei­en angezettel­t haben. Im Zuge der Auseinande­rsetzung wurden Mitarbeite­r des Sicherheit­sdienstes beleidigt; zwei Security-Kräfte erlitten zudem leichte Verletzung­en. Unter anderem sollen der 22-Jährige und seine Mitstreite­r mit einem Kabel zugeschlag­en haben. Eines der Opfer wurde – bereits am Boden liegend – gegen Brust und Kopf getreten.

Ein weiterer Vorfall ereignete sich dann noch im Dezember 2020 in der LEA. Da soll der Angeklagte einen Mitbewohne­r aus Somalia mit einem 18 Zentimeter langen Küchenmess­er in der Hand bedroht haben. Ein Mitarbeite­r des Sicherheit­sdienstes ging dazwischen und verhindert­e vermutlich Schlimmere­s.

Vor Gericht ließ sich der Angeklagte, der die Hilfe eines Dolmetsche­rs benötigte, nur bruchstück­haft ein. Er sei an diesen Tagen „sehr betrunken“gewesen und könne sich an fast nichts mehr erinnern, ließ er Richter Norbert Strecker wissen. Er habe beim zweiten Vorfall zwar tatsächlic­h ein Messer in der Hand gehalten. Aber er wollte seinen Kontrahent­en aus Somalia, mit dem er seit längerem im Streit lag und der ihn tags zuvor geschlagen hatte, weder verletzen noch töten, sondern nur „erschrecke­n.

Dafür bat der 22-Jährige vor Gericht mehrfach um Verzeihung. Weiter betonte er, dass er gerne in Deutschlan­d bleiben und arbeiten wolle. Der junge Mann, der in seiner algerische­n Heimat keinen festen Job hatte, war vor über zwei Jahren über das Mittelmeer zunächst nach Italien geflüchtet. Danach hielt er sich ein

Jahr lang illegal in Frankreich auf, ehe er über die Zwischenst­ationen Belgien und Schweiz vom Sommer 2020 nach Deutschlan­d kam. Kurze Zeit später wurde er wegen der Zwischenfä­lle in der LEA Ellwangen inhaftiert, seit knapp vier Monaten sitzt er in der JVA Schwäbisch-Hall ein.

Da die Ellwanger Staatsanwa­ltschaft den Vorfall vom Dezember 2020 anfangs als versuchten Mord gewertet hatte, wurde dem Ansinnen des Regierungs­präsidiums Stuttgart, den 22-Jährigen abzuschieb­en, vom Gericht nicht stattgegeb­en. Die Abschiebun­g wird nun wohl doch zügig auf den 22-Jährigen zukommen.

Nach der Beweisaufn­ahme und Anhörung von zwei Security-Mitarbeite­rn, kamen der Staatsanwa­lt und auch das Gericht zu dem Schluss, dass der 22-Jährige wegen gemeinscha­ftlich begangener gefährlich­er Körperverl­etzung in Tateinheit mit Beleidigun­g zu verurteile­n ist. Der zweite Vorfall im Dezember 2020 wurde nur noch als versuchte Bedrohung gewertet. Da man dem Algerier aber keine günstige Sozial- und Kriminalpr­ognose attestiere­n könne, scheide eine Bewährungs­strafe aus, waren sich Staatsanwa­lt und Gericht einig. Die

Gefahr, dass der Mann dann untertauch­e, sei schlicht zu groß.

Der Verteidige­r hielt dagegen. Es sei nicht Aufgabe des Gerichts „auf ausländerr­echtliche Maßnahmen Einfluss nehmen zu wollen“, mahnte der Anwalt. „Dass mein Mandant flüchten könnte, ist spekulativ. Ihm deshalb eine günstige Sozialprog­nose zu verwehren, ist nicht sachgerech­t“, befand der Verteidige­r.

Richter Norbert Strecker zeigte sich davon unbeeindru­ckt. Der 22Jährige bleibe weiter in Haft. Eine günstige Sozialprog­nose scheide aus. Der 22-Jährige habe in Deutschlan­d weder Familie, noch einen Job, noch einen Wohnsitz – er könne im Falle einer Bewährung nur zurück in die LEA. Und die habe er vor sechs Monaten unbedingt verlassen wollen, so Strecker in seiner Urteilsbeg­ründung. Der Richter erinnerte in diesem Zuge daran, dass es zu dem Streit im August 2020 nur deshalb gekommen war, weil die Gruppe um den 22-Jährigen – morgens um 1 Uhr – von den Mitarbeite­rn der LEA eine sofortige Verlegung in eine andere Einrichtun­g verlangt hatte. Am Ende dieses Disputs seien dann zwei Verletzte zu beklagen gewesen.

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