Erst Haft, dann Abschiebung
Randaliert, beleidigt und gedroht: 22-jähriger Algerier muss für ein Jahr ins Gefängnis
ELLWANGEN - Ein 22-jähriger Flüchtling aus Algerien musste sich am Mittwoch vor dem Ellwanger Amtsgericht unter anderem wegen Körperverletzung und Beleidigung verantworten. Der junge Mann wurde nach zäher Verhandlung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr ohne Bewährung verurteilt. Nach dem Absitzen dieser Strafe droht ihm die unmittelbare Abschiebung.
Die Vorfälle, um die es in der Verhandlung ging, hatten sich im vergangenen Jahr in der Landeserstaufnahmeeinrichtung (LEA) in Ellwangen zugetragen. Unter anderem soll der 22-Jährige hier im August 2020 gemeinsam mit drei Freunden im angetrunkenen Zustand eine Schlägereien angezettelt haben. Im Zuge der Auseinandersetzung wurden Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes beleidigt; zwei Security-Kräfte erlitten zudem leichte Verletzungen. Unter anderem sollen der 22-Jährige und seine Mitstreiter mit einem Kabel zugeschlagen haben. Eines der Opfer wurde – bereits am Boden liegend – gegen Brust und Kopf getreten.
Ein weiterer Vorfall ereignete sich dann noch im Dezember 2020 in der LEA. Da soll der Angeklagte einen Mitbewohner aus Somalia mit einem 18 Zentimeter langen Küchenmesser in der Hand bedroht haben. Ein Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes ging dazwischen und verhinderte vermutlich Schlimmeres.
Vor Gericht ließ sich der Angeklagte, der die Hilfe eines Dolmetschers benötigte, nur bruchstückhaft ein. Er sei an diesen Tagen „sehr betrunken“gewesen und könne sich an fast nichts mehr erinnern, ließ er Richter Norbert Strecker wissen. Er habe beim zweiten Vorfall zwar tatsächlich ein Messer in der Hand gehalten. Aber er wollte seinen Kontrahenten aus Somalia, mit dem er seit längerem im Streit lag und der ihn tags zuvor geschlagen hatte, weder verletzen noch töten, sondern nur „erschrecken.
Dafür bat der 22-Jährige vor Gericht mehrfach um Verzeihung. Weiter betonte er, dass er gerne in Deutschland bleiben und arbeiten wolle. Der junge Mann, der in seiner algerischen Heimat keinen festen Job hatte, war vor über zwei Jahren über das Mittelmeer zunächst nach Italien geflüchtet. Danach hielt er sich ein
Jahr lang illegal in Frankreich auf, ehe er über die Zwischenstationen Belgien und Schweiz vom Sommer 2020 nach Deutschland kam. Kurze Zeit später wurde er wegen der Zwischenfälle in der LEA Ellwangen inhaftiert, seit knapp vier Monaten sitzt er in der JVA Schwäbisch-Hall ein.
Da die Ellwanger Staatsanwaltschaft den Vorfall vom Dezember 2020 anfangs als versuchten Mord gewertet hatte, wurde dem Ansinnen des Regierungspräsidiums Stuttgart, den 22-Jährigen abzuschieben, vom Gericht nicht stattgegeben. Die Abschiebung wird nun wohl doch zügig auf den 22-Jährigen zukommen.
Nach der Beweisaufnahme und Anhörung von zwei Security-Mitarbeitern, kamen der Staatsanwalt und auch das Gericht zu dem Schluss, dass der 22-Jährige wegen gemeinschaftlich begangener gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Beleidigung zu verurteilen ist. Der zweite Vorfall im Dezember 2020 wurde nur noch als versuchte Bedrohung gewertet. Da man dem Algerier aber keine günstige Sozial- und Kriminalprognose attestieren könne, scheide eine Bewährungsstrafe aus, waren sich Staatsanwalt und Gericht einig. Die
Gefahr, dass der Mann dann untertauche, sei schlicht zu groß.
Der Verteidiger hielt dagegen. Es sei nicht Aufgabe des Gerichts „auf ausländerrechtliche Maßnahmen Einfluss nehmen zu wollen“, mahnte der Anwalt. „Dass mein Mandant flüchten könnte, ist spekulativ. Ihm deshalb eine günstige Sozialprognose zu verwehren, ist nicht sachgerecht“, befand der Verteidiger.
Richter Norbert Strecker zeigte sich davon unbeeindruckt. Der 22Jährige bleibe weiter in Haft. Eine günstige Sozialprognose scheide aus. Der 22-Jährige habe in Deutschland weder Familie, noch einen Job, noch einen Wohnsitz – er könne im Falle einer Bewährung nur zurück in die LEA. Und die habe er vor sechs Monaten unbedingt verlassen wollen, so Strecker in seiner Urteilsbegründung. Der Richter erinnerte in diesem Zuge daran, dass es zu dem Streit im August 2020 nur deshalb gekommen war, weil die Gruppe um den 22-Jährigen – morgens um 1 Uhr – von den Mitarbeitern der LEA eine sofortige Verlegung in eine andere Einrichtung verlangt hatte. Am Ende dieses Disputs seien dann zwei Verletzte zu beklagen gewesen.