Vom Thron gestoßen
Bayern München scheidet aus der Champions League aus – Nachfolger für Hansi Flick gesucht
PARIS - Und sie hatten doch etwas zu verlieren, die Bayern – ihren Titel als aktueller König Europas. Der ist nun futsch, die Münchner wurden von Vorjahresfinalist Paris St. Germain vom Thron gestoßen. Trotz eines 1:0Erfolgs, des allerersten in der Vereinsgeschichte im „Parc des Princes“(zuvor vier Niederlagen). Trotz des 18. Auswärtsspiels hintereinander, in dem sie in der Champions League ungeschlagen blieben (14 Siege, vier Remis). Trotz des Fehlens von Weltfußballer Robert Lewandowski. Trotz all der internen Querelen im Verein im Machtkampf zwischen Trainer Hansi Flick und Hasan Salihamidzic. Es war ein starker, trotziger Auftritt.
Umso größer war am Tag danach die Katerstimmung bei der Rückreise im Flieger nach München: „Am Ende ist es sehr enttäuschend, dass wir ausscheiden, obwohl wir in Paris gewonnen haben“, brachte es Thomas Müller auf den Punkt und sagte: „Wir haben viel Herzblut reingesteckt, aber ein Tor zu wenig erzielt.“Im Hinspiel vor einer Woche. Bei der absurden 2:3Niederlage, die angesichts des grotesken Chancenwuchers der Bayern auch 6:3 oder 7:3 hätte ausgehen können. So kam Flick zum Fazit: „Letztendlich waren wir, wenn man beide Spiele zusammenrechnet, die bessere
Mannschaft. Ausschlaggebend aber war, dass die Effizienz von Paris im Hinspiel besser war als unsere.“
Das Pokal-Aus nach Elfmeterschießen im Januar bei Zweitligist Holstein Kiel ist als peinlicher Betriebsunfall einzuordnen. Nach dem Abschied aus der Königsklasse steht eine Zäsur an. Was das Personal und den Trainer betrifft, sogar eine Zeitenwende. Mit David Alaba (28), dem diesmal bärenstarken Jérôme Boateng (32) und Javi Martinez (32) haben drei der Champions von Wembley 2013 ihr letztes Champions-League-Spiel für Bayern bestritten. Alle drei verlassen den Verein. Lediglich Kapitän Manuel Neuer (35) und sein Vize Thomas Müller (31) sind kommende Saison noch übrig von den alten Recken, die einzigen Doppel-Triple-Sieger von 2013 und 2020.
Doch von wem werden sie trainiert? In der Nationalelf ab September wohl von Hansi Flick. Man kennt sich, man schätzt sich. Bei Bayern – und das ist spätestens nach der Nacht von Paris klar – werden sich nach dem letzten Bundesligaspieltag am 22. Mai die Wege des Vereins und des 56-Jährigen trennen. Flicks Aufstieg ist kometenhaft. Von Niko Kovacs Assistent (im Juli 2019 verpflichtet) zum Interimsund dann Cheftrainer, der das vereinshistorische Sextuple gewann und nun wahrscheinlich – bei noch fünf Punkten Vorsprung auf Verfolger RB Leipzig
– erneut Meister wird und dann als Hoffnungsträger zum DFB wechselt. Als Wunschnachfolger von Bundestrainer Joachim Löw, der nach der EM im Sommer aufhört.
Flicks Kumpel Lothar Matthäus, einst Mitspieler bei Bayern, hat ihn als Experte für Sky sehr geschickt gelockt, weil er das Ganze auf die familiäre Ebene des Trainers herunterbrach und damit einen genau 4:30 Minuten langen Monolog („Ich hoffe nicht, dass ich jetzt die Sendezeit überschritten habe“) von Flick auslöste, der ehrlich gestand: „Ob das jetzt hier alles wunderbar läuft oder was auch immer – man macht sich immer Gedanken. Und wenn es um meine Familie geht: Egal was ich machen würde, die würden mich immer unterstützen, immer hinter mir stehen. Ob ich jetzt beim DFB bin vielleicht, da einen anderen Rhythmus hätte – das ist für sie vollkommen egal.“Hat er sich da verplappert? Darüber hinaus bekräftigte der gebürtige Heidelberger, wie sehr ihm der Job als Cheftrainer Spaß mache. Als Nationaltrainer aber vielleicht noch mehr. Weil der Rhythmus, alle drei, vier Tage ein Spiel zu haben, wegfällt und damit auch der enorme Dauerdruck. Was Flick jedoch relativierte: „Natürlich hat man immer Druck, aber ich bin das gewohnt von meiner Karriere als Spieler bei Bayern, dass man Erfolgsdruck
hat. Auch beim DFB oder bei Bayern München als Trainer – das ist eine Sache, die normal ist im Leben eines Trainers.“
Und überhaupt, natürlich unausgesprochen: Nicht Salihamidzic arbeitet als DFB-Direktor, sondern Oliver Bierhoff, mit dem Flick einst als LöwAssistent 2014 in Rio Weltmeister wurde. „Das Angebot vom DFB gibt es. Es kann mir keiner sagen, dass da noch nicht gesprochen worden ist“, sagte Matthäus, „da kennt man sich zu gut. Hansi Flick steht beim DFB ganz oben auf der Liste und dann kommt lange nichts.“
Bayern braucht also einen neuen Trainer. Laut Matthäus habe man sich mit RB Leipzig-Coach Julian Nagelsmann „schon ein bisschen unterhalten, auch über wirtschaftliche Dinge, soviel man weiß“. Dieser dementierte das umgehend: „Es gab und gibt keine Gespräche“, sagte Nagelsmann. Auch zwischen seinen Beratern und dem FC Bayern würden keine Gespräche geführt, betonte der RB-Coach vor dem Liga-Spiel am Freitagabend gegen die TSG Hoffenheim. „Meine Berater sind nicht autark unterwegs, sondern sie machen Dinge, die ich vorgebe. Und demnach gab es auch da keine Gespräche“Doch die vergangenen Tage haben einmal mehr gezeigt, wie schnell sich im Profifußball alles verändern kann.