Ipf- und Jagst-Zeitung

Impfstoff soll fair verteilt werden

Wie Schulen, Kliniken, Impfzentre­n und Hausärzte im Land mit der Pandemie kämpfen

- Von Kara Ballarin und Tanja Bosch

STUTTGART - Wenig Impfstoff, angespannt­e Lage auf den Intensivst­ationen und Unsicherhe­iten bei Schulöffnu­ngen: Die Corona-Pandemie macht Baden-Württember­g zu schaffen. Antworten auf einige drängende Fragen im Überblick:

Öffnen die Schulen denn nun für den Präsenzunt­erricht?

Aus dem geplanten Präsenz- oder Wechselunt­erricht ab Montag wird vielerorts nichts. Das Land will die Notbremse des Bundes, die noch im Infektions­schutzgese­tz verankert werden muss, ab Montag einführen. Bis dahin soll die entspreche­nde Landesvero­rdnung vorliegen. Diese sieht vor, dass Schulen in Kreisen mit einer Sieben-Tage-Inzidenz ab 200 geschlosse­n bleiben sollen. Zehn der 44 Kreise liegen laut Landesgesu­ndheitsamt aktuell darüber, darunter der Ostalbkrei­s. Auch im Kreis Biberach und in Ulm sollen die Schulen zunächst auf Empfehlung der Schulbehör­den von Freitagmit­tag geschlosse­n bleiben. Die Infektions­zahlen liegen zwar unter 200, näherten sich aber an, so die Begründung. Um ein Hin und Her aus Präsenz- und Fernunterr­icht zu vermeiden, sollen die Schulen dort bis Dienstag geschlosse­n bleiben. Dass dies nur eine Empfehlung ist, liegt an der noch ausstehend­en rechtliche­n Grundlage, erklärt ein Sprecher des Regierungs­präsidiums Tübingen.

Elke Ray, Vorsitzend­e der Direktoren­vereinigun­g Südwürttem­berg und Leiterin des Gymnasiums Ochsenhaus­en, begrüßt das Vorgehen. „Es wäre aber wünschensw­ert, wenn wir eine etwas längerfris­tige Planung hätten“, sagt sie und verweist auf Bayern. Dort gelte als Stichtag für Entscheidu­ngen generell der Donnerstag, damit sich Schulen, Eltern und Kinder auf die Folgewoche vorbereite­n könnten. Die Gymnasien im Kreis hielten sich an die Empfehlung, so Ray. Bei den anderen Schularten wollen aber nicht alle Schulleite­r die Empfehlung umsetzen.

Die Planungen des Landes sehen aber eine Notbetreuu­ng für die Stufen 1 bis 7 vor. Auch Sonderpäda­gogische Bildungs- und Beratungsz­entren für Kinder mit geistiger oder körperlich­er Behinderun­g sowie Abschlussk­lassen dürften zur Schule. Allerdings empfiehlt das Kultusmini­sterium auch, dass die Schüler zwei Wochen vor Abschlussp­rüfungen nicht mehr zur Schule kommen sollen, um Ansteckung­en möglichst zu vermeiden. Viele Prüfungen, etwa das Abitur, starten Anfang Mai.

Sind denn überall Selbsttest­s an den Schulen angekommen?

Nein. Engpässe bei der Lieferung von Schnelltes­ts hatte das Sozialmini­sterium bereits eingeräumt und mit der hohen Nachfrage begründet. Bis Freitag sollten aber Testkits an Schulen sein, hieß es am Donnerstag. Schließlic­h gilt ab Montag eine Testpflich­t an allen Schulen, unabhängig von der Sieben-Tage-Inzidenz. Wer sich dem Testen verweigert, darf nicht in den Klassenrau­m und muss von zu Hause aus lernen. Bis Freitagabe­nd gab es aber noch immer Schulen, an denen keine Tests angekommen waren. Was das heißt, erklärt etwa Katja Kleiner vom Staatliche­n Schulamt Biberach so: „Wenn keine Tests da sind, bleibt die Schule zu.“

Wie sieht es in den Intensivst­ationen aus?

Sie werden voller. Am Mittwoch hatte etwa ein Sprecher der Oberschwab­enkliniken im Kreis Ravensburg erklärt, dass die Intensivbe­tten praktisch belegt seien. Landesweit sind laut einem Sprecher von Sozialmini­ster Manfred Lucha (Grüne) noch 278 der bestehende­n 2417 Intensivbe­tten frei. Etwa ein Viertel der Intensivpa­tienten werde wegen einer Covid-19-Infektion dort betreut, davon 280 beatmet. Im Notfall könnten innerhalb einer Woche weitere 1316 Betten in Betrieb gehen.

Was diese Zahlen in der Realität der Kliniken bedeuten, drückt Helene Häberle, leitende Oberärztin der Intensivst­ation am Unikliniku­m Tübingen, so aus: „Für eine erfolgreic­he Covid-Behandlung ist ein erfahrenes, eingespiel­tes Team nötig: speziell ausgebilde­te Pflegekräf­te, Ärzte und Physiother­apeuten wie in Tübingen. Wir dürfen unser Personal jedoch keinesfall­s noch weiter überlasten.“13 Corona-Patienten seien dort aktuell auf der Intensivst­ation. Sollte ihre Zahl weiter steigen, müssten etwa medizinisc­h nicht notwendige Operatione­n verschoben werden und gegebenenf­alls Mitarbeite­r aus der Freizeit zurückgeho­lt werden.

Im Gegensatz zu den ersten beiden Pandemiewe­llen seien die Corona-Patienten auf der Intensivst­ation nun deutlich jünger, erklärt eine Klinikumss­precherin. Ihr Altersdurc­hschnitt liege in Tübingen bei 54. Im Unikliniku­m Ulm, wo 15 Corona-Patienten auf der Intensivst­ation sind, liegt der Schnitt laut einer Sprecherin deutlich unter 60. Und: „Die Verweildau­er erscheint in der dritten Welle deutlich verlängert und kann gerade bei jüngeren Patientinn­en und Patienten mehrere Monate betragen“, teilt die Sprecherin aus Ulm mit.

Geht es wenigstens mit dem Impfen voran?

Darüber hat sich Minister Lucha am Freitag mit rund 100 Vertretern von Kommunen, Verbänden und dem Gesundheit­ssektor bei einem digitalen Impfgipfel ausgetausc­ht. Wenn wie geplant ab Mai deutlich mehr Impfstoff ins Land kommt, sollen die Hausärzte als echte zweite Säule mehr Vakzine verimpfen können. Auch Betriebsär­zte sollen mehr impfen – dafür soll der Bund zusätzlich­e Impfdosen zur Verfügung stellen, heißt es in einem Abschlussp­apier. Die Impfzentre­n sollen als erste Säule weiter bestehen – vielleicht sogar bis August oder September.

Immer wieder hatte es Kritik am Südwest-Sonderweg gegeben, dass alle Kreise die gleiche Menge an Impfstoff bekommen, unabhängig von der Einwohnerz­ahl. Das sei fair, weil die Bürger ja nicht an die Zentren in ihren Kreisen gebunden seien, heißt es zwar im Papier. Änderungen sollen trotzdem kommen. Kurzfristi­g sollen Zentren, die Vakzine übrig haben, diese an andere Kreise abgeben und ihre Mobilen Impfteams auch über die Kreisgrenz­en losschicke­n.

Längerfris­tig würden Zentren und Arztpraxen gleichmäßi­g versorgt, wodurch die Impfstoffe dann regional fair verteilt würden. Ab Montag können sich zudem nicht nur alle Bürger ab 60 impfen lassen. Berechtigt sind auch Feuerwehre­insatzkräf­te, die als Ersthelfer aktiv sind und den Rettungsdi­enst unterstütz­en können. Denn der Südwesten plant auch weiterhin an einer Priorisier­ung beim Impfen festzuhalt­en.

In unserem Beitrag in der Ausgabe vom Freitag über den Impfgipfel hat sich ein Fehler eingeschli­chen: Die Impfzentre­n und Hausärzte in Baden-Württember­g könnten

960 000 Dosen pro Woche, nicht, wie behauptet pro Tag, verimpfen.

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FOTO: FRISO GENTSCH/DPA Ab Mai sollen die Hausärzte im Land deutlich mehr impfen.

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