Die Union zerfleischt sich
Fantasie ist in der Politik nicht zwingend gefragt. Aber die wirrsten Träumer hätten die Art und Weise, wie sich der Machtkampf um die Unionskanzlerkandidatur in nur wenigen Tagen entwickelt hat, nicht im Ansatz vorhersagen können. Das Land wird derzeit Zeuge einer Selbstzerfleischung, die als ein Akt der Selbstzerstörung nur unzureichend beschrieben ist. Die ausgleichenden Stimmen werden immer leiser, die lauten fordern eine Abstimmung in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, wohl wissend, dass eine Entscheidung in diesem Gremium eine Spaltung der größten Fraktion und somit der Union als Ganzes zur Folge haben könnte. Wer am Ende die Nase vorne haben wird, ob CDU-Chef Armin Laschet oder sein Gegenspieler, der CSU-Parteivorsitzende Markus Söder: Beide haben sich nicht nur persönlich entzaubert, sie haben Christdemokraten und Christsoziale gegeneinander aufgebracht und das nur knapp fünf Monate vor einer schwierigen Bundestagswahl. Es wirkt wie ein verzweifeltes Flehen, wenn der CDU-Bundestagsabgeordnete Roderich Kiesewetter über Twitter von Bundeskanzlerin Angela Merkel Klärung oder wenigstens eine Positionierung einfordert.
Mit Blick auf einen Ausweg oder gar eine erfolgreiche Zukunft macht sich Ratlosigkeit breit. Wie die Union in den kommenden Wochen eine den Wahlsieg versprechende Kampagne bei all den entstandenen Verletzungen und Kränkungen organisiert will, ist das Geheimnis der Streithähne. Die politischen Gegner können sich freuen, ihnen werden gerade auf dem Silbertablett hübsch drapiert zahlreiche Argumente gegen die Union präsentiert. Um am Ende den Regierungschef zu stellen, braucht es neben der Geschlossenheit eine von den Parteigranden überzeugte Basis.
Die Menschen, die sich in den Fußgängerzonen für ihre Überzeugungen einsetzen, müssen von der Führung begeistert sein, sonst können sie die Wähler auch nicht für sich gewinnen. Die Grünen verfügen über diese Voraussetzungen. Mehrheiten jenseits der Union werden möglich.