Die größte jüdische Gemeinde der Region
In Oberdorf und Umgebung lebten einst 1100 Juden
BOPFINGEN-OBERDORF - 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland: Auch in Ostwürttemberg lebten schon früh Juden, nämlich in der zweiten Hälfte des elften Jahrhunderts. Das Jubiläum ist jedoch schwerlich Anlass zum Feiern, denn Juden wurden auch in der Region über die Jahrhunderte vielfach vertrieben, mit Verboten belegt, verfolgt und getötet – bis hinein ins 20. Jahrhundert, als sie auch in Ostwürttemberg Opfer des Rassenwahns der Nationalsozialisten wurden.
In Oberdorf war schon früh die größte jüdische Gemeinde der Region entstanden. Um 1510 gestatteten die Grafen von Oettingen Juden, sich in ihrem Ortsteil niederzulassen. In erster Linie handelte es sich um jüdische Bewohner, die die benachbarte Reichsstadt Bopfingen vertrieben hatte. Nach dem Dreißigjährigen Krieg wies die Gräfinwitwe Eleonore von Oettingen-Baldern die Oberdorfer Juden aus. Doch wohnten sie seit 1673 wieder in Oberdorf.
Als um die Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert sowohl die Städte als auch das Herzogtum Württemberg und viele andere Herrschaften ihre jüdischen Bewohner auswiesen, verloren viele Familien ihre Heimat. Die Grafen von Oettingen erlaubten es aber Juden, sich in Pflaumloch, Oberdorf und Baldern niederzulassen. Die Schenken von Schenkenstein ermöglichten eine Ansiedlung in Aufhausen. Eigene israelitische Konfessionsschulen entstanden seit 1824 in Pflaumloch und Oberdorf.
Seit 1730 bestand in Aufhausen eine eigene Synagoge. Sie wurde 1823 durch einen Neubau ersetzt. Bis nach 1872 gab es eine israelitische Volksschule. Am Fuße der Ruine Schenkenstein befindet sich einer der ältesten jüdischen Friedhöfe des Landes. Er wurde bereits im 16. Jahrhundert belegt. Die Gemeinde Aufhausen hatte im 18. Jahrhundert zeitweilig einen eigenen Rabbiner und gehörte seit 1832 zum Rabbinat Oberdorf.
Nachdem die Juden freie Bürger geworden waren, blühte die Gemeinde auf. 1854 machten die Juden mit 378 Köpfen fast 43 Prozent der Bevölkerung aus. Sie beschäftigten sich zum größten Teil mit Vieh- und Fruchthandel, aber auch mit allen Arten des Kleinhandels. Viele waren wohlhabend, stellten die wichtigsten Steuerzahler im Dorf und bewohnten teils beachtliche Gebäude. Durch Abwanderung, vornehmlich in die Städte, schmolz die jüdische Gemeinde seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts rasch zusammen, sodass sie 1925 aufgelöst wurde.
Vor 1810, als Oberdorf an Württemberg kam, durften die Juden nur im kleineren oettingischen Ortsteil siedeln, nicht aber im größeren Ortsteil, der zur Reichsstadt Bopfingen gehörte. Seit 1704 befand sich im Ort eine von der Herrschaft errichtete Synagoge, die 1812 durch einen Neubau ersetzt wurde. 1824 entstand eine israelitische Schule, in der sich auch das Frauenbad befand. 1825 wurde ein eigener Friedhof angelegt, nachdem die Oberdorfer Juden früher ihre Toten in Wallerstein hatten bestatten müssen.
1832 entstand ein Rabbinat in Oberdorf, das auch die jüdischen Gemeinden in Pflaumloch, Aufhausen, Lauchheim, Ellwangen und Schwäbisch
Gmünd umfasste – insgesamt rund 1100 Menschen. 1854 machte der jüdische Bevölkerungsanteil mit 548 Menschen 40 Prozent der Einwohnerschaft aus. Die jüdischen Bewohner ernährten sich hauptsächlich durch Handel mit Vieh, Metallen,
Federn und Lumpen.
Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts war auch in Oberdorf eine deutliche Abwanderung jüdischer Bevölkerung in die Städte zu verzeichnen. Trotzdem blieb dieser Ort der Mittelpunkt der Juden aus der ganzen Gegend.
In Oberdorf weigerte sich in der so genannten Reichskristallnacht der SA-Führer des Dorfes, die Synagoge anzuzünden. Als in der folgenden Nacht auswärtige SA-Leute in der Synagoge Feuer legten, löschten Oberdorfer Bauern und Juden gemeinsam den Brand. Zwar war ein Teil der Inneneinrichtung zerstört worden, aber die Thorarollen konnten gerettet werden.
In Pflaumloch lebten schon 1487 Juden unter dem Schutz der Grafen von Oettingen. Vermutlich handelte es sich dabei um Vertriebene aus der benachbarten Reichsstadt Nördlingen. In den Schutzbriefen war die Zahl der geschützten Familien jeweils festgelegt. Anfangs waren die jüdischen Bewohner Pflaumlochs dem Rabbiner in Wallerstein zugeordnet, wo sie auch ihr Begräbnis hatten.
Eine eigene Synagoge entstand in Pflaumloch 1703. Dieses Bauwerk wurde mit 57 Häusern am 21. August 1802 bei einer Brandkatastrophe zerstört. 1830 wurde in Pflaumloch ein jüdischer Friedhof angelegt. 1846 wurde mit einem Kostenaufwand von über 20 000 Gulden in der Ortsmitte der Neubau einer stattlichen Synagoge errichtet.
Die jüdische Bevölkerung handelte hauptsächlich mit Vieh, Pferden und Gütern und betrieb Geldgeschäfte. Ihre Wohngebäude lagen zum Teil entlang der Hauptstraße, waren zweistöckig und zeigten „städtischen Stil“. Manche waren mit Rundbogen an Fenstern und Türen verziert.
Seit 1860 schrumpfte die jüdische Gemeinde durch die Abwanderung in die Städte und stand 1910 vor dem Erlöschen. Die Synagoge wurde geschlossen und der bürgerlichen Gemeinde überlassen, die sie als Rathaus nutzte.
Auch in Baldern hatte die oettingische Grundherrschaft Juden den Aufenthalt gewährt. Allerdings bemühte sich das gräfliche Haus, das seit 1602 eine eigene Linie OettingenBaldern bildete, in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges, die jüdischen Einwohner los zu werden.
1631 bat der oettingische Oberamtmann von Baldern die Reichsstadt Bopfingen, die Juden in die Stadt zu nehmen. Der Rat erklärte, sie dürften nur in der Not auf einen oder zwei Tage herein. 1635 wurde ihnen verboten, in Bopfingen zu hausieren und als sie im folgenden Jahr Geld boten, wenn man sie dort aufnehme, wies dies der Rat ab mit dem Zusatz, sie dürften auch nicht mehr die Wochenmärkte besuchen.