München zittert – jetzt droht das EM-Aus
DFB muss ohne Zuschauergarantien in den Tag der UEFA-Entscheidung gehen
BERLIN (dpa) - Am malerischen Genfer See ringt der Deutsche Fußball-Bund um seine EM-Gastgeberrolle und eine Lösung in der politisch enorm heiklen Zuschauerfrage. Die Stadt München, die in diesem Sommer alle Gruppenspiele der deutschen Nationalmannschaft ausrichten soll, verweigert weiterhin eine Garantie für die Zulassung von Publikum. Der DFB muss deshalb bei der UEFA-Sitzung am Montag (Beginn 9 Uhr) in der Schweiz (während der zum Vermeiden einer Superliga auch die tiefgreifende EuropapokalReform beschlossen werden soll) hart verhandeln. Ein Kompromiss oder das Münchener EM-Aus – bis zuletzt schien beides möglich.
Der DFB, der in der Heimat scharfer Kritik ausgesetzt ist, bestätigte am Sonntag den Eingang zweier Briefe aus dem Bundesinnenministerium und der Bayerischen Staatskanzlei Ende der vergangenen Woche. Laut „Bild am Sonntag“lehnen beide Häuser eine feste Zusage für die Öffnung von mindestens 20 bis 25 Prozent der Stadionkapazität für Zuschauer ab. Das wiederum scheint die Voraussetzung der UEFA zu sein – neun von zwölf Gastgebern des Turniers (11. Juni bis 11. Juli) gaben schon grünes Licht, in Ungarn soll vor vollen Rängen gespielt werden.
„Der DFB ist mit Bund und Land im ständigen, konstruktiven Austausch“, teilte der DFB am Sonntag mit. „Trotz der herausfordernden pandemischen Entwicklung bleiben wir optimistisch, dass die UEFA mit München bei der EURO 2020 plant.“In der Allianz Arena soll neben den Partien der DFB-Auswahl gegen Weltmeister Frankreich (15. Juni), Europameister Portugal (19. Juni) und Ungarn (23. Juni) ein Viertelfinale (2. Juli) stattfinden. „Die UEFA macht es zur Bedingung, dass an den jeweiligen Spielorten Zuschauer zugelassen werden, das ist aus meiner Sicht eine Form der Erpressung“, sagte der SPD-Gesundheitsexperte
Karl Lauterbach der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“.
Bleibt die UEFA hart – auch Dublin und Bilbao sind noch nicht als Gastgeber bestätigt – würden die Partien in eine andere Stadt verlegt werden. Der Brief aus dem Bundesinnenministerium verdeutlicht, dass diese nicht in Deutschland liegen würde. Russland mit St. Petersburg hat sich bereits ins Gespräch gebracht, auch Ungarn mit Budapest und Finalgastgeber England mit London wären denkbare Alternativen.
„Klar ist auch, die UEFA hat überhaupt nichts gegen München und möchte den Spielort erhalten. Aber wir dürfen in München auch nicht sagen ,Mia san mia‘ und deswegen haben wir unseren Standpunkt“, sagte DFB-Vizepräsident Rainer Koch in der BR-Sendung „Heute im Stadion“. Der 62-Jährige ist Mitglied im UEFAExekutivkomitee
– und will am Dienstag beim Kongress des Dachverbandes in dieser Funktion bestätigt werden. Der DFB ist in einer verzwickten Lage.
Zwar sagte Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter in der „Welt am Sonntag“erneut, dass Spiele vor Fans im Sommer wünschenswert seien. Er hoffe, „dass sich die Pandemielage bis Juni entspannt und wir unter Einbeziehung zusätzlicher Hygienemaßnahmen und eventueller Teststrategien, wie von der UEFA angestrebt, wenigstens einen gewissen Prozentsatz der Plätze in der Allianz Arena für Zuschauer freigeben können“. Kernaussage bleibt aber: Garantien kann es nicht geben.
Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder hatte sich zuletzt skeptisch geäußert – und dann gar nicht mehr.
DFL-Geschäftsführer Christian Seifert hat vor der offenbar bevorstehenden Gründung einer europäischen Super League gewarnt. „Wirtschaftliche Interessen einiger weniger Topclubs in England, Italien und Spanien dürfen nicht die Abschaffung gewachsener Strukturen im gesamten europäischen Fußball zur Folge haben“, sagte Seifert. Die Deutsche Fußball Liga (DFL) lehne solche Konzepte daher ab. „Es wäre insbesondere unverantwortlich, die nationalen Ligen als Basis des europäischen Profifußballs auf diese Weise irreparabel zu beschädigen. Ich unterstütze daher die gemeinsame Erklärung der UEFA mit den Ligen und Nationalverbänden aus England, Italien und Spanien“, sagte Seifert. Wie mehrere internationale Medien übereinstimmend berichten, hat sich eine Gruppe der reichsten und einflussreichsten Vereine auf die Gründung eines eigenen externen
Elitewettbewerbs geeinigt. Die Europäische Fußball-Union (UEFA) reagierte am Sonntag prompt und drohte Clubs und Spielern mit einem Bann.
teilte der Verband mit und sprach von einem „zynischen“Projekt. Angeblich sollen bereits zwölf Vereine eine entsprechende Absichtserklärung unterzeichnet haben. Zu den Abtrünnigen gehören wohl zahlreiche englische Spitzenclubs wie der FC Liverpool oder Manchester United, die spanischen Topteams Real Madrid und der FC Barcelona sowie aus Italien Juventus Turin und der AC Mailand. Deutsche Teams sollen nicht beteiligt sein. (SID)