Fulminanter Neubau am Östlichen Stadtgraben
Stadt, Familie Seibold und Planer präsentieren das Vorhaben, in dem Büros und ein Café Platz finden sollen
AALEN - Die Tage einer der letzten Innenstadtbrachen sind gezählt: Am Montagmittag haben Oberbürgermeister Thilo Rentschler und Baubürgermeister Wolfgang Steidle gemeinsam mit Gerhard Seibold für die Investorenfamilie, mit Planern und Architekten sowie Vertretern des Innenstadtvereins ACA ein durchaus fulminant zu nennendes Bauvorhaben präsentiert, das im Östlichen Stadtgraben auf der Fläche des derzeitigen dortigen Kiesparkplatzes verwirklicht werden soll. Entstehen soll auf der Nahtstelle zwischen Altund Neustadt ein geradezu skulpturenähnliches Bürogebäude mit einer kleinen Gastronomie im Erdgeschoss. Eine Fassade aus durchbrochenen Stahlplatten soll dem Bauwerk sein charakteristisches Äußeres verleihen.
Die Freude war bei der Präsentation im großen Sitzungssaal des Rathauses bei allen Beteiligten spürbar. Hätten sich an einer möglichen Bebauung dieser „unterbenutzten Ecke“doch schon Generationen von Stadtplanern das Hirn zermattert, wie Rentschler sagte. Wolfgang Riehle, Ehrenpräsident der Architektenkammer Baden-Württemberg, hatte Stadt, Bauherren und Planer bei der Entwicklung des Bauvorhabens beraten. Er sprach gar von einem „Unort“mitten in der Stadt. An dem sich nun aber eine „Sensation anbahne, „die außergewöhnlich ist“, wie Rentschler befand.
Deren langer Vorlauf allerdings auch nicht immer einfach war, wie Gerhard Seibold im Namen der Investorenfamilie Seibold, schon lange Besitzerin des Areals, verdeutlichte. Man habe, so Seibold, mit der Stadt gerungen und gekämpft, ihre anfängliche Verweigerung einer Baugenehmigung sei erst recht zur Herausforderung für alle Beteiligten geworden. Einen städtebaulichen Wettbewerb habe Corona verhindert, stattdessen habe man Riehle als Berater hinzugezogen. „Wir hätten gerne größer gebaut“, räumte Seibold ein. Herausgekommen sei ein Kompromiss, der städtebaulich reinpasse und eine Lösung darstelle, die der Sache gut tue. Wie viel die Familie Seibold in den Neubau investiert, wollte deren Vertreter nicht verraten. Schwäbisch, so meinte er lediglich, müsste man „z’ viel“sagen.
In Form und Pläne haben Jürgen Stark und Johannes Birkhold vom Büro Stark Architekten Aalen/München das Seiboldsche Bauvorhaben gebracht. Seit 2018 arbeite man daran, sagte Stark, wobei die Zusammenarbeit mit der Stadt stets hervorragend gewesen sei. 17 verschiedene Entwürfe seien gemacht und zum Teil wieder verworfen worden, vor allem auch wegen eines schlüssigen Nutzungskonzepts. Jahrzehntelang vernachlässigt, sei das seit rund 50 Jahren brachliegende Areal wahrlich kein einfaches Grundstück, das aber
„...z’ viel“,
auch sehr viel biete. Die Herausforderung sei der notwendige Spagat zwischen Altstadt und Neustadt entlang der alten Stadtmauer an der Rittergasse gewesen.
Der geplante, skulpturale Baukörper macht diesen Spagat mit deutlich unterschiedlichen Trauf- und Firsthöhen deutlich: in seiner Westhälfte orientiert an der mittelalterlichen Altstadtbebauung, in der östlichen Hälfte an dem Laden- und Bürokomplex aus den 1970er-Jahren. Beide Bauhälften verbindet eine Art „Lichtfuge“, die das Innere hell und lichtdurchflutet machen soll.
Das charakteristische Äußere wird geprägt durch eine Vorhangfassade aus teilweise perforierten, hinterlüfteten und bei Nacht auch hinterleuchteten verzinkten Stahlplatten mit einer typischen, silbrig-matten Farbigkeit. Dieses Material soll auch an die Industriegeschichte Aalens und der Region mit ihrem Eisenerzabbau und der Eisenverarbeitung erinnern. Bei Nacht sollen spannende Lichteffekte die Blicke auf sich ziehen.
Der größte Teil der geplanten 2140 Quadratmeter Nutzfläche sollen Büroflächen sein, lediglich auf der Südseite soll im Erdgeschoss ein kleiner Gastronomiebetrieb etwa in antwortete Gerhard Seibold schlicht und auf gut Schwäbisch auf die Frage, wie viel denn seine Familie in den Neubau investieren werde.
Form eines Cafés einziehen. Denn hier wie auf der gegenüberliegenden Nordseite schafft der Entwurf neue Platzsituationen, die auch ganz neue Blickbeziehungen zum wichtigsten Gebäude der Altstadt, der Stadtkirche, eröffnen sollen. Angedacht sind pro Geschoss und Gebäudehälfte jeweils zwei Büroeinheiten. Deren
Einteilung soll aber so flexibel sein und bleiben, dass sie jederzeit geändert und angepasst werden kann. Auf der obersten Ebene sind nach Westen hin lang gezogene Dachbalkone mit einem Blick über die gesamte Altstadt vorgesehen.
Im Untergeschoss sollen 19 Tiefgaragen-Stellplätze entstehen. Laut
OB sei die Familie Seibold zusammen mit der Stadt und möglicherweise gemeinsam mit benachbarten Grundstückseigentümern aber durchaus bereit, das Thema Parkraum darüber hinaus anzugehen. Es gebe verschiedene Ansätze unter anderem in Richtung eines neuen Parkhauses in diesem Bereich.
Bau- und Erster Bürgermeister Wolfgang Steidle betonte, Streit haben es zwischen Investoren und Stadt nie gegeben, bestenfalls „einen langen und konstruktiven Austausch mit Höhen und Tiefen“. Nun sei das Bauvorhaben auch ein „Impulsprojekt für die Nachbarn“, bei denen es durchaus noch Potenziale gebe.
Der Vorsitzende des Innenstadtvereins ACA, Josef Funk, sprach von einem „Leuchtturm sondersgleichen“. Alles Neue tue der durch Corona ohnehin schwer gebeutelten Innenstadt unheimlich gut. Private Investitionen seien der entscheidende Punkt für die Weiterentwicklung der Innenstadt, sagte Claus Albrecht, Vorsitzender des Bunds der Selbstständigen. Insofern sei die Präsentation dieses mutigen Entwurfs ein Freudentag für die Innenstadt und ihre Akteure. Architekt Wolfgang Riehle zollte der Familie Seibold hohen Respekt dafür, dass sie ein solch wertiges und ambitioniertes Bauvorhaben angehen wolle. „Das ist Selbstverwirklichung im Dienste der Stadt, der man sich verbunden fühlt“, so Riehle.