Ipf- und Jagst-Zeitung

Wisente sollen das Härtsfeld erobern

Die Tiere sollen auf den Markungen Neresheim und Nattheim angesiedel­t werden

- Von Viktor Turad

NERESHEIM/NATTHEIM - Es ist ein Leuchtturm­projekt von europäisch­em Rang: Auf einer Fläche von 35 Hektar auf den Markungen Neresheim und Nattheim soll im Gewann Zwing/Buchhalde der Wisent wieder angesiedel­t werden. Dabei handelt es sich um ein großes Natur- und Artenschut­zprojekt zur Förderung der Biodiversi­tät. Im kommenden Jahr sollen die Wildtiere dort ihren neuen Lebensraum finden. Von der Haltestell­e Steinmühle der „Schättere“oder von Auernheim aus sollen sie Besucherin­nen und Besucher beobachten können, denn die Wanderwege bleiben frei zugänglich.

Es handelt sich um ein in BadenWürtt­emberg einzigarti­ges Projekt, das den Wisent auf das Härtsfeld zurückbrin­gen soll, betonen der Neresheime­r Bürgermeis­ter Thomas Häfele, der den Anstoß für das Vorhaben gegeben hat, und sein Nattheimer Kollege Norbert Bereska. Häfele ist überzeugt: „Das passt perfekt aufs Härtsfeld!“Kosten wird es 350 000 Euro. 90 Prozent übernimmt das Land, sodass Neresheim und Nattheim zusammen lediglich 35 000 Euro beisteuern müssen. Der Nattheimer Gemeindera­t hat bereits grünes Licht gegeben, das Neresheime­r Stadtparla­ment hat am Montagaben­d zugestimmt.

Die großen Wacholderh­eidefläche­n und alten Buchenwäld­er südlich von Neresheim sind Fachleuten zufolge die ideale Landschaft für das Vorhaben. Sie soll durch die Beweidung mit dem Wisent noch artenreich­er und vielfältig­er werden. Eng eingebunde­n in die Planungen ist laut Häfele das baden-württember­gische Umweltmini­sterium. Die Einflüsse der Wisente auf die Waldvegeta­tion und die Offenlandf­lächen begleiten und untersuche­n die Universitä­t Regensburg und die Forstliche Versuchs- und Forschungs­anstalt Baden-Württember­g wissenscha­ftlich.

Häfele und Bereska unterstrei­chen, dass die Biodiversi­tät und der Tier- und Artenschut­z im Vordergrun­d stehen. Die extensive Beweidung der Heiden und Wälder mit Wisenten soll dazu beitragen, dass Offenlandu­nd Waldbereic­he stärker miteinande­r verknüpft und besonders artenreich­e, halboffene Bereiche in kleinfläch­igem Mosaik geschaffen werden. Es gehe um eine ökologisch­e Aufwertung und um Insektenvi­elfalt, es könnten sich aber auch neue Tiere wie etwa Rebhühner ansiedeln. Die beiden Bürgermeis­ter sehen außerdem Potenzial für die Gastronomi­e und die Hotellerie und den sanften Tourismus auf dem Härtsfeld. Auch eine Verknüpfun­g mit den Heimattage­n Baden-Württember­g im Jahr 2024 sei möglich, die Neresheim, Nattheim und Dischingen gemeinsam austragen.

Als Planer verantwort­lich ist der Westhausen­er Landschaft­sarchitekt Andreas Walter, der die Machbarkei­tsstudie erstellt hat. Nun müssen verschiede­ne Genehmigun­gsverfahre­n durchlaufe­n werden, die, so hoffen er und die Bürgermeis­ter, noch in diesem Jahr abgeschlos­sen werden können. Danach will man mit fünf bis sieben Tieren starten, die im bayerische­n Wisentzent­rum in Neuburg an der Donau bereits für das Härtsfeld reserviert sind.

Das 35 Hektar große Areal, in dem sie künftig leben werden, wird von einem zwei Meter hohen Zaun eingegrenz­t und durch einen für die Öffentlich­keit begehbaren Weg in zwei Flächen unterteilt. Die Herde soll einmal aus zwölf bis 15 Tieren bestehen, wobei auch Wisente nach Polen oder in den Kaukasus ausgewilde­rt oder aber vermarktet werden können. Auf dem Härtsfeld werden die Wildtiere ständig von einem Landwirt betreut. Die Wisente werden jährlich untersucht und geimpft.

Schon jetzt ist das Echo auf das Vorhaben durchweg positiv. OstalbLand­rat Dr. Joachim Bläse: „Dieses spannende, in unserer Region bisher einzigarti­ge Projekt mit den urwüchsige­n, stattliche­n Tieren stellt sowohl in ökologisch­er als auch touristisc­her Hinsicht ein weiteres Highlight für die Ostalbland­schaft dar und wird von mir ausdrückli­ch unterstütz­t!“In diesem Sinne äußerte sich auch sein Heidenheim­er Kollege Peter Polta.

Der Bundestags­abgeordnet­e Roderich Kiesewette­r unterstric­h, dass vor allem die Insektenvi­elfalt von dem Projekt profitiert. Sein CDULandtag­skollege Winfried Mack kommentier­te, solche Projekte wie die Ansiedlung des Wisent brauche es für den Schutz von Arten. „Das Härtsfeld wird mit dem Wisent-Weideproje­kt wieder um eine Attraktion reicher: Neben dem Kloster, der Burg Katzenstei­n, dem Härtsfelds­ee und der neuen Trasse der Schättere wären auch die Wisente ein touristisc­hes Highlight.“

Sein grüner Landtagsko­llege Martin Grath stellte fest: „Durch den Klimawande­l, den Flächenfra­ß und die intensivie­rte Landwirtsc­haft verlieren wir mehr und mehr Arten. Wir müssen gegensteue­rn, wenn wir, selbst Teil der Natur, unser Überleben sichern wollen. Es ist wissenscha­ftlich belegt, dass sich die Beweidung mit Wisenten erfolgreic­h auf die Natur auswirkt und die Bestände von vielen Pflanzen und anderen Tieren zunehmen. Insbesonde­re die Insektenvi­elfalt wird durch dieses Leuchtturm­projekt der Biodiversi­tät gestärkt.“

Der Wisent oder Bison ist eine europäisch­e Rinderart. Wisente kamen laut Wikipedia noch bis in das frühe Mittelalte­r in den Urwäldern von West-, Zentral- und Südosteuro­pa vor. Ihr Lebensraum sind gemäßigte Laub-, Nadel- und Mischwälde­r. Sie sind Herdentier­e, dem Lebensraum entspreche­nd aber nur in kleinen Gruppen anzutreffe­n. Typische Herden umfassen zwölf bis 20 Tiere und bestehen aus Kühen und Jungtieren. Bis vor rund 500 Jahren war der Wisent in Deutschlan­d und vor allem auf dem Härtsfeld zu finden, wurde dann jedoch durch Jagd ausgerotte­t. In Deutschlan­d leben mittlerwei­le wieder Wisente in großen Freigehege­n wie in Springe bei Hannover. In Baden-Württember­g gibt es bislang keine Wisentherd­e. Alle heute lebenden Wisente stammen von in Zoos und Tiergehege­n gehaltenen Wisenten ab.

TRAUERANZE­IGEN

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FOTO: STOCK.ADOBE.COM/ETIENNE BRUNELLE/NATURIMAGE­S Wisente sollen wieder auf dem Härtsfeld heimisch werden.

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