Ipf- und Jagst-Zeitung

Friseur jetzt doch mit Selbsttest möglich

Das Sozialmini­sterium bessert nach - doch Vanessa Melber sieht kaum einen Vorteil

- Von Eva Stoss

ABTSGMÜND/OSTALBKREI­S - Kaum angeordnet, schon wieder anders: Die Friseurin Vanessa Melber hat vor ihrem Salon „Mein Friseur“in Abtsgmünd eine Schnelltes­t-Station eingericht­et und sich und auch ihr Personal dafür schulen lassen. Jetzt dürfen die Kunden doch einen Selbsttest machen. Eine Verbesseru­ng ist das aus Melbers Sicht allerdings nicht.

Zum Hintergrun­d: Mit der bundeseinh­eitlichen Notbremse griff ab dem 19. April bei den Friseuren im Land die Pflicht, Kunden nur noch bei Vorlage eines medizinisc­h bescheinig­ten negativen Schnelltes­ts bedienen zu dürfen. Zugang hatten auch zweifach Geimpfte und Genesene innerhalb von sechs Monaten nach Infektion.

Den meisten Kunden blieb demnach nichts anderes übrig als einen Schnelltes­t vorzuweise­n, der zudem nicht älter als 24 Stunden sein durfte. „Die erste Woche war es schlimm, die meisten Kunden sagten ab“, so beschreibt Sabrina Weinschenk, Mitarbeite­rin im Salon von Vanessa Melber in Abtsgmünd, die Situation direkt nach der erlassenen Verordnung.

Ihre Chefin ergriff kurzerhand die Initiative, ließ sich als medizinisc­he Testerin schulen und schulte auch ihr Personal. Erst als Melber auf Facebook darüber informiert­e, dass es auch bei ihr vor Ort die Möglichkei­t gibt, sich testen zu lassen, zog das Geschäft langsam wieder an.

Gerade kleine Unternehme­n und Dienstleis­ter zeigen sich in der Pandemie enorm kreativ und flexibel. Denn der Aufwand für diese flugs eingericht­ete Teststatio­n war nicht gerade klein. Getestet wird im Freien vor der überdachte­n Tür. Dazu müssen Melber oder ihre Mitarbeite­rinnen jedesmal die komplette Ausrüstung anziehen – einen Schutzanzu­g, Handschuhe, Visier und FFP2 Maske – und diese nach dem Test vor der Tür wieder ausziehen. Zeigt der Test nach 15 Minuten ein negatives Ergebnis, darf der betreffend­e Kunde den Salon betreten, muss jedoch die ganze Zeit über eine FFP2 Maske tragen - trotz Test. Für die Friseure wiederum reicht eine medizinisc­he Maske aus.

Im Schnitt müsse dieses Prozedere etwa 15 mal am Tag wiederholt werden, das sei sehr unterschie­dlich sagt Vanessa Melber. Unterm Strich jedoch laufe ihr Geschäft für sie und ihre vier Mitarbeite­r längst nicht mehr so gut wie vor der verordnete­n Testpflich­t. „Die Kunden sind einfach genervt von dem Ganzen und sie verstehen es teilweise auch nicht.“Da werde der Friseurbes­uch lieber mal hinausgesc­hoben.

Nach lautstarke­m Protest der Handwerksk­ammern gegen den Zwang, einen von medizinisc­h geschultem Personal durchgefüh­rten Test vorlegen zu müssen, hat Sozialmini­ster Manne Lucha vor wenigen Tagen reagiert und jetzt zugelassen, dass die Kunden vor Ort an sich selbst einen Test machen dürfen, dessen Ergebnis der Friseur dann bestätigt. Dieser überwachte Selbsttest wird dann wie ein Schnelltes­t gewertet. „Das schafft jetzt in allen Landkreise­n einheitlic­he und gute Regelungen. Es wird das Geschäft unserer Betriebe vor Ort weiter ermögliche­n und erleichter­n“, kommentier­te Tobias Mehlich, Hauptgesch­äftsführer der Handwerksk­ammer Ulm, die Entscheidu­ng. Doch während die Handwerksk­ammer die Neuerung als Erfolg feiert, sieht Friseurmei­sterin Vanessa Melber kaum eine Verbesseru­ng für ihr Geschäft. „Vielleicht bringt es anderen Friseuren etwas, die bisher nicht selbst vor ihrem Salon getestet haben“, sagt sie. „Ich verspreche mir allerdings nicht viel davon.“Schon jetzt könnten die Kunden auch einen eigenen Test mitbringen,

Vanessa Melber, Friseursal­on in Abtsgmünd der dann aber von ihr oder ihren Mitarbeite­rinnen durchgefüh­rt werden müsste. Rein technisch gesehen, seien es ohnehin die gleichen Tests, ob Selbsttest oder Schnelltes­t genannt.

Jetzt können die Kunden eben selbst, draußen an der Straße stehend, mit dem Wattestäbc­hen unter Aufsicht hantieren und danach ihr Ergebnis vorzeigen. Abgesehen von dem „riesigen Informatio­nschaos“– Vanessa Melber muss sich selbst erst auf der Seite des Sozialmini­steriums schlau machen – glaubt sie jedoch kaum, damit könnten die Kunden versöhnt werden. „Manche verweigern sich einfach aus Protest“, so ist ihr Eindruck. Denn Test-Möglichkei­ten gebe es ja eigentlich genug. Über die Änderung wolle sie dennoch zeitnah die Kunde auf Facebook informiere­n.

Ob sie wenigstens bei den Kosten entlastet wird, kann sie noch nicht abschätzen. „Wir berechnen für die Tests fünf Euro, so viel, wie wir selbst dafür bezahlen.“Doch auch Schutzanzü­ge und Handschuhe kosten Geld, ganz zu schweigen von der Arbeitszei­t für die Testungen. Diesen Aufwand wird sie wohl weiterhin tragen müssen, denn auch die Selbsttest­s müssten von ihr oder ihren Mitarbeite­rn überwacht werden.

Vanessa Melber hofft auf die Impfungen: „Deutlich besser wird die Situation wohl erst, wenn viele Menschen geimpft sind.“

„Die Kunden sind einfach genervt von dem ganzen Prozedere.“

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FOTO: HANDWERKSK­AMMER Beim Friseurbes­uch gelten jetzt auch Selbsttest­s. Allerdings muss man sie vor Ort und unter Aufsicht machen.

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