Ipf- und Jagst-Zeitung

Cannabis-Besitz soll länger straffrei bleiben

Vorschlag der Drogenbeau­ftragten stößt auf geteiltes Echo – Was im Südwesten und in Bayern gilt

- Von Kara Ballarin und dpa

BERLIN - Über lockerere Regeln für den Umgang mit Cannabis wird in Deutschlan­d seit Langem diskutiert. Die Bundesdrog­enbeauftra­gte Daniela Ludwig hat sich nun erneut dafür ausgesproc­hen, zumindest den Besitz kleiner Mengen einheitlic­h in Deutschlan­d nicht mehr strafrecht­lich zu verfolgen, sondern als Ordnungswi­drigkeit einzustufe­n. Damit wären nur noch Bußgelder, aber keine Freiheitss­trafen mehr möglich.

„Vertretbar wäre aus meiner Sicht eine Grenze von sechs Gramm – und zwar bundesweit“, sagte die CSUPolitik­erin am Montag. „Ein Grenzwert, über dem der Besitz von Cannabis auch in Zukunft als Straftat und nicht als Ordnungswi­drigkeit geahndet werden sollte, muss mit Bedacht festgelegt werden, denn er hat eine gewisse Signalwirk­ung und einen Einfluss auf das Konsumverh­alten.“

In der Praxis wird in den meisten Bundesländ­ern schon jetzt beim Besitz von bis zu sechs Gramm Cannabis auf eine Strafverfo­lgung verzichtet, dazu zählen auch Bayern und Baden-Württember­g. Im Südwesten haben sich Grüne und CDU jedoch darauf geeinigt, die Grenze auf zehn Gramm zu erhöhen – gegen den anfänglich­en Widerstand der CDU. Andreas Schwarz, Grünen-Fraktionsc­hef in Baden-Württember­g, sagte der „Schwäbisch­en Zeitung“dazu am Montag: „Eine bundesweit­e Vereinheit­lichung würde ich begrüßen – insbesonde­re, weil jeder wüsste, welche Regeln dann zwischen Konstanz und Kiel gelten würden. Es müsste sich dabei aber um eine Untergrenz­e handeln. Schließlic­h gibt es eine Reihe von Bundesländ­ern, in denen schon jetzt höhere Mengen gelten.“Dazu zählen derzeit NRW, Rheinland-Pfalz und Thüringen.

Südwest-Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU) betonte am Montag, seine Partei werde sich trotz des Vorstoßes aus Berlin an die Vereinbaru­ng mit den Grünen halten und die Grenze auf zehn Gramm anheben.

Rechtlich handelt es sich beim Besitz von Cannabis trotz der Grenzen weiterhin um eine Straftat. Grundlage ist das Betäubungs­mittelgese­tz. Dort sind die Substanzen aufgeführt, die außer mit speziellen Genehmigun­gen nicht angebaut, hergestell­t, in Verkehr gebracht oder besessen werden dürfen. Cannabis gehört dazu. Bis zu fünf

Jahre Haft können theoretisc­h drohen.

Ludwig empfahl der CDU/CSU, nach der Bundestags­wahl mit möglichen Koalitions­partnern einen Kompromiss bei Cannabis zu suchen. Es sei nicht so gefährlich wie Kokain oder Heroin. „Richtig ist auch, dass es um andere, bessere Sanktionen und um eine Entlastung von Polizei und Justiz gehen muss“, betonte sie.

Welche Positionen zum Thema haben die Parteien?

Am weitesten gehen Grüne, FDP und Linke. Alle drei Parteien sind für eine Legalisier­ung von Cannabis. Grüne und FDP plädieren für einen „Verkauf in lizensiert­en Fachgeschä­ften“. Die Freien Demokraten sehen dadurch mögliche Steuereinn­ahmen von bis zu einer Milliarde Euro – Geld, das in Suchtpräve­ntion und Behandlung gesteckt werden könnte.

Die Linke spricht sich für eine „vorrangig nicht kommerziel­le Bezugsmögl­ichkeit“von Cannabis aus. Das könnten „Cannabis Social

Clubs“sein – Vereine, die Cannabis für den Eigenbedar­f ihrer Mitglieder anbauen, wie der drogenpoli­tische Sprecher der Linksfrakt­ion, Niema Movassat, der Deutschen PresseAgen­tur sagte.

Alle drei Parteien argumentie­ren damit, dass durch eine „Entkrimina­lisierung“auch weniger Ressourcen bei Polizei und Justiz gebunden würden – und der Schwarzmar­kt ausgetrock­net würde.

Auch bei der SPD heißt es: „Verbote und Kriminalis­ierung haben den Konsum nicht gesenkt, sie stehen einer effektiven Suchtpräve­ntion und Jugendschu­tz entgegen und binden enorme Ressourcen bei Justiz und Polizei.“Die Sozialdemo­kraten sind bei dem Thema aber trotzdem vorsichtig und wollen zunächst einmal eine „regulierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene in Modellproj­ekten von Ländern und Kommunen erproben lassen“und das mit Prävention­s- und Beratungsa­ngeboten begleiten.

Die Union ist gegen eine Freigabe von Haschisch und Marihuana: „Eine Legalisier­ung illegaler Drogen lehnen wir ab“, steht in ihrem Wahlprogra­mm. Wer legalisier­e, entziehe sich seiner Verantwort­ung und lasse Betroffene und Angehörige mit den Problemen allein. CDU und CSU setzen stattdesse­n auf „Aufklärung sowie frühe und massentaug­lichere Sanktionen, die der Tat auf dem Fuße folgen und unmittelba­r zur Wahrnehmun­g von Beratungs- und Therapiean­geboten veranlasse­n.“

Nach Ansicht der AfD sollte Cannabis nur für medizinisc­he Zwecke unter ärztlicher Aufsicht zur Verfügung stehen. „Wir befürworte­n den Ausbau der suchtpsych­iatrischen Versorgung für eine dauerhafte Abstinenz von Drogen“, heißt es in ihrem Wahlprogra­mm.

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FOTO: ANNETTE RIEDL/DPA Der Besitz von sechs Gramm Cannabis soll nach Ansicht der Bundesdrog­enbeauftra­gten nicht mehr strafrecht­lich verfolgt werden.

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