Taliban drohen den USA
Islamisten lehnen Verlängerung der Evakuierungen in Afghanistan ab
BERLIN (AFP/dpa) - Die Bundesregierung befürwortet eine Verlängerung des US-Einsatzes zur Rettung Zehntausender Menschen aus der afghanischen Hauptstadt Kabul über August hinaus. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte am Montag, die Regierung begrüße „ausdrücklich“eine entsprechende Initiative des britischen Premierministers Boris Johnson. Dieser will beim virtuellen Krisengipfel der Gruppe der sieben wichtigen Industriestaaten (G7) am Dienstag persönlich mit US-Präsident Joe Biden darüber sprechen.
Auch der französische Außenminister Jean-Yves Le Drian zeigte sich „besorgt“angesichts des geplanten Abzugs der US-Truppen vom Kabuler Flughafen am 31. August. Es brauche „zusätzliche Zeit“, um alle ausländischen Staatsbürger und afghanischen Ortskräfte aus Kabul in Sicherheit zu bringen, sagte er bei einem Besuch in der Luftwaffenbasis Al-Dhafra in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Dort hat das französische Militär ein Drehkreuz für seine Evakuierungsflüge aus Afghanistan eingerichtet.
Zuvor hatten die radikalislamischen Taliban den Druck auf die USA erhöht, ihre Evakuierungsflüge wie geplant Ende August zu beenden. Andernfalls drohte ein Sprecher der Milizen mit „Konsequenzen“. Der 31. August sei die letzte Frist für das Ende der Evakuierung, eine „rote Linie“, sagte ein Taliban-Sprecher dem britischen Nachrichtensender Sky News. „Wenn sie vorhaben, die Besatzung zu verlängern, wird das eine Reaktion hervorrufen.“
Die EU und Großbritannien halten eine Rettung aller Schutzbedürftigen aus Afghanistan bis Ende August
angesichts der chaotischen Zustände am Flughafen für unrealistisch. Sie räumen allerdings auch ein, dass europäische Streitkräfte den Flughafen nicht ohne US-Unterstützung halten können.
Nach den Vorstellungen von Außenminister Heiko Maas (SPD) sollte der Flughafen in Kabul auch nach dem Abzug ausländischer Truppen weiter für Evakuierungsflüge genutzt werden können. Deutschland sei mit den USA, der Türkei und anderen Partnern im Gespräch mit dem Ziel, einen zivilen Weiterbetrieb für Evakuierungsflüge zu gewährleisten, sagte Maas in Berlin. „Darüber werden wir auch weiter mit den Taliban sprechen müssen und tun dies auch.“
Neben der dringenden Evakuierungsfrage geht es beim G7-Gipfel laut Seibert auch um die Abstimmung in „Flüchtlingsfragen“sowie einer möglichen gemeinsamen Linie gegenüber der künftigen Taliban-Regierung.
Die Taliban wollen die Zusammensetzung ihrer Regierung erst verkünden, wenn alle US-Truppen das Land verlassen haben.
Als erstes deutsches Regierungsmitglied schloss Annegret KrampKarrenbauer (CDU) persönliche Konsequenzen aus den Fehlern der vergangenen Wochen nicht aus. „Wenn diese Mission zu Ende ist, dann werde ich für mich selbst sehr genau überlegen, welche Verantwortung ich getragen habe, welcher Verantwortung ich gerecht geworden bin, wo vielleicht auch nicht – und welche Schlüsse ich persönlich daraus ziehen muss“, sagte die Verteidigungsministerin am Montag.
Sie machte aber deutlich, dass sie sich nun zunächst auf die Evakuierungsmission konzentrieren wolle. Kramp-Karrenbauer hat wie auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Maas Fehleinschätzungen der Lage in Afghanistan klar eingeräumt.