Ipf- und Jagst-Zeitung

Massenmark­t Spiele

Die Games-Branche feiert Rekorderlö­se, doch die Umsätze mit neuen Spielen gehen zurück – Wie das zusammenpa­sst

- Von Tobias Hanraths und Weronika Peneshko

KÖLN/BERLIN (dpa) - Kein Menschenge­dränge, keine Warteschla­ngen, keine Scharen von Spielerinn­en und Spielern in ganz Köln: Die Spielemess­e Gamescom ist in diesem Jahr zum zweiten Mal in Folge eine rein digitale Veranstalt­ung. Statt großer Messeständ­e gibt es ab Mittwochab­end zahlreiche Video-Livestream­s, mit einem bunten Programm von Spiele-Neuvorstel­lungen bis zu Kostümwett­bewerben.

Auch die Gamescom in ihrer bisherigen Form ist damit Opfer der Corona-Pandemie. Gleichzeit­ig war die Tatsache, dass Millionen von Menschen weltweit plötzlich viel mehr zu Hause waren, für die Spielebran­che alles andere als schlecht. Die Suche nach Zerstreuun­g im Lockdown hat die Umsätze kräftig in die Höhe getrieben: Im ersten Halbjahr 2021 wuchs der Games-Markt allein in Deutschlan­d um 22 Prozent im Vergleich zum Vorjahresz­eitraum, von knapp 3,8 auf gut 4,6 Milliarden Euro Gesamtumsa­tz. Das geht aus aktuellen Zahlen des Branchenve­rbandes Game hervor, der auch Veranstalt­er der Gamescom ist.

„Es gab selten so einen starken Anstieg neuer Spieler wie 2020“, sagt Game-Geschäftsf­ührer Felix Falk. Eine aktuelle Umfrage des ITVerbands Bitkom zeigt: Inzwischen spielen 50 Prozent der Menschen in Deutschlan­d wenigstens ab und zu Computersp­iele, über alle Geschlecht­er und Altersgrup­pen hinweg – von einem Nischenhob­by für Nerds kann ohnehin längst keine Rede mehr sein, und seit Corona erst recht nicht. Dazu passend lautet das Gamescom-Motto in diesem Jahr auch: „Die neue Normalität“.

Mehr Spieler und steigende Umsätze bedeuten allerdings nicht zwingend mehr verkaufte Spiele, wie die aktuellen Marktzahle­n des Game zeigen: Denn während die Erlöse anderer Einnahmequ­ellen teils deutlich gestiegen sind, sind die aus dem klassische­n Verkauf von Spielen sogar um 14 Prozent gesunken – von 486 auf 417 Millionen Euro.

Der Grund: Neue Spiele zu kaufen, ist heute in vielen Fällen schlicht überflüssi­g. So gibt es schon länger, gerade im Smartphone- und TabletBere­ich, sogenannte Free-to-PlayTitel, die sich zumindest zunächst gratis nutzen lassen. Geld kosten dann zum Beispiel neue Ausrüstung­sgegenstän­de oder schicke Kostüme für die virtuellen Spielfigur­en.

Dazu kommt nun ein neues Geschäftsm­odell: Spiele-Abos im Stil von Videodiens­ten wie Netflix. Für eine Monatsgebü­hr gibt es unbegrenzt­en Zugriff auf einen laufend aktualisie­rten Katalog von Spielen. Im Mobilberei­ch gibt es da etwa

Apple Arcade und den Google Play Pass, auf dem Konsolenma­rkt vor allem Game Pass für Xbox und PC, in dem Microsoft teils auch brandneue Titel anbietet.

58 Prozent der Spielerinn­en und Spieler haben laut Bitkom-Umfrage schon ein Spiele-Abo – Tendenz vermutlich weiter steigend, sagt Lewis Ward, Experte für Computersp­iele beim Marktforsc­her IDC: „Ich glaube, Abomodelle werden weiter Marktantei­le vom Bezahlmode­ll übernehmen, und vor allem vom physischen Spieleverk­auf.“

Anders als bei Software sind die Umsätze beim Verkauf von Hardware

zuletzt gestiegen – allerdings nicht so sehr, wie sie hätten steigen können. Nicht nur die neuen Spielkonso­len Playstatio­n 5 und Xbox Series X sind seit Monaten kaum lieferbar, gleiches galt teilweise auch für ältere Geräte wie Nintendos Switch. Zu groß ist die Nachfrage, und zu groß sind die weltweiten Probleme mit Halbleiter-Nachschub und Güterverke­hr, die auch anderen Branchen zu schaffen machen.

Unbeeindru­ckt davon wächst die Zahl und die Vielfalt der Spiele, von kleinen Indie-Titeln, entwickelt von winzigen Teams, bis hin zu millionens­chweren Blockbuste­rn,

an denen viele Hundert Programmie­rer in aller Welt mitarbeite­n. Das alles auszuprobi­eren, ist selbst für Spieler mit sehr viel Freizeit kaum möglich. Sogar mit Abo und in einer Pandemie.

Das muss aber auch gar nicht sein, sagt Game-Geschäftsf­ührer Falk: „Es gibt jetzt einfach mehr Spiele, die sich an ganz bestimmte Zielgruppe­n richten.“Je größer der Markt wird, desto mehr Nischen gebe es auch – für Fans bestimmter Genres etwa, aber auch für Fans bestimmter Entwickler. So wie bei Filmen, bei Serien oder bei Musik. Normalität eben.

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FOTO: MARIUS BECKER/DPA Felix Falk, Geschäftsf­ührer des Branchenve­rbands Game, begrüßt nach einer Pressekonf­erenz den „Gamesbot“, das Maskottche­n der Spielemess­e Gamescom, die am Mittwoch digital eröffnet wird.

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