„Wasserstoff ist eine aussichtsreiche Variante“
Ralf Brauner von der Jade Hochschule in Wilhemshaven über die Schiffsantriebe der Zukunft
BERLIN - Wie fahren große Schiffe in Zukunft – wenn nicht mit Erdöl? Die Alternativen erklärt Professor Ralf Brauner. Elektromotoren plus Batterien sind nicht erste Wahl.
Ist es eine leichte oder schwere Aufgabe, Erdöl als Treibstoff für Schiffe durch klimafreundliche Alternativen zu ersetzen?
Der Weg ist bereits vorgezeichnet. Im ersten Schritt können Diesel und Schweröl durch flüssiges Erdgas ersetzt werden. Danach folgen als Energieträger wohl Wasserstoff, beziehungsweise seine Derivate wie Methanol oder Ammoniak. Auch Elektro-Diesel kommt infrage – also mittels Strom aus Wasser, Wasserund Kohlenstoff erzeugter synthetischer Treibstoff.
Flüssiggas gewinnt man aus fossilem Erdgas. Bringt das einen Vorteil für das Klima?
Ja, dieser Brennstoff ist sauberer als Schweröl oder Diesel. Der Ausstoß von Stickoxiden, Schwefel und Ruß fällt geringer aus. Auch die Emissionen klimaschädlichen Kohlendioxids (CO2) sinken. Negativ macht sich allerdings bemerkbar, dass bei der Förderung, beim Transport oder auch der Verbrennung Methan entweicht, das größere Klimaschäden verursacht als CO2. Hier kommt es unter anderem darauf an, die Schiffsmotoren weiter zu verbessern und die Nutzung von synthetischem Gas zu ermöglichen.
Komplett kohlendioxidfreie Schiffsantriebe sind heute noch gar nicht im Einsatz?
Das beschränkt sich auf Einzelfälle. So gibt es kleine, solarbetriebene
Ausflugsschiffe. Manche Segelschiffe haben auch elektrische Hilfsmotoren an Bord. Einige Reedereien unternehmen außerdem Anstrengungen,
um Hybridantriebe einzusetzen. Ein anderes Beispiel: Die BrarenReederei betreibt einen Frachter, der die Windkraft mittels eines sogenannten Flettner-Rotors als Unterstützung nutzt.
Vor 15 Jahren begann die mittlerweile aufgelöste Bremer BelugaReederei, Winddrachen, sogenannte Kites, vor Schiffe zu spannen, um den Treibstoffverbrauch zu verringern. Kann Segeln eine Ergänzung des Antriebs moderner Schiffe sein?
Mit Kites gibt es einige Pilotprojekte. Verbreitung hat die Anwendung aber bisher nicht gefunden. Das dürfte nicht zuletzt an den vergleichsweise günstigen Kosten für fossilen Brennstoff liegen. Außerdem bedeutet es zusätzlichen Aufwand, die Besatzungen zu schulen.
Die Stadtwerke Konstanz wollen auf der Bodensee-Verbindung zwischen Konstanz und Meersburg künftig Fähren mit Flüssiggas (LNG) einsetzen. Die erste Fähre, die FS14, befindet sich derzeit im Bau. Vorgefertigt wurden die einzelnen Sektionen des Schiffs in der Hamburger Werft Pella Sietas. Die beiden 746-Kilowatt-Gasmotoren hat Rolls-Royce Power Systems in Friedrichshafen entwickelt. Weil beim LNG-Betrieb das aggressive Treibhausgas Methan austritt, geißelt die Umweltorganisation Nabu Flüssigerdgas allerdings „als schädlichen Irrweg“. (saf)
Bei Personenfahrzeugen im Straßenverkehr setzt sich mittlerweile der Elektromotor durch. Warum ist das in der Schifffahrt schwieriger?
Große Schiffe bräuchten sehr viele Batterien, um den Strom für die Elektromotoren zu speichern. Zudem müssten sie regelmäßig anlegen, um die Batterien aufzuladen. Das geht nicht, wenn die Route zehn Tage über den Ozean führt. Eine andere Variante besteht darin, flüssigen Wasserstoff als Energieträger mitzunehmen. Brennstoffzellen an Bord könnten daraus Elektrizität gewinnen, die Elektromotoren antreibt. Diese Konzepte bedürfen allerdings noch der Entwicklung. Bisher sind sie nicht praxistauglich.
Wasserstoff, seine Derivate und Elektro-Diesel besitzen im Vergleich
zu fossilen Antrieben nur dann einen Klimavorteil, wenn sie mittels klimaneutralen Stroms aus Solar- und Windanlagen gewonnen werden. Um auch diese Nachfrage zu befriedigen, bräuchte man deutlich mehr Ökokraftwerke als heute.
Das stimmt. Die benötigten großen Mengen an Wasserstoff auf Basis von Ökostrom sind augenblicklich noch gar nicht verfügbar. Als Zwischenschritt ist deshalb zu überlegen, erstmal sogenannten blauen Wasserstoff zu verwenden. Dieser wird aus fossilem Erdgas produziert – allerdings unter Abscheidung der CO2-Emissionen, die dann nicht in die Umwelt gelangen.
Welche der genannten Alternativtreibstoffe halten Sie für besonders aussichtsreich?
Mit Wasserstoff als Ausgangsprodukt lassen sich synthetisches Gas und Elektrodiesel herstellen. Beides kann künftig als Treibstoff in Schiffsmotoren dienen, wenn diese dafür ausgelegt sind. Das halte ich für eine aussichtsreiche Variante. Dafür ist allerdings noch viel Entwicklungsarbeit nötig.
Ab wann werden große Containeroder Kreuzfahrtschiffe mit Wasserstoff statt fossilem Öl und Diesel fahren?
Die Ziele der EU für 2030 und 2050 klingen realistisch.
Selbst die EU-Kommission scheint nicht an CO2-freie Schiffsantriebe zu glauben. Mit ihrem Klima-Paket will sie die Emissionen des Seeverkehrs bis 2050 um 75 Prozent verringern, aber nicht auf null.
75 Prozent sind ja schon was. Der Weg führt in die richtige Richtung.