Arbeitnehmer tragen das Wegerisiko
Welche Rechte und Pflichten Bahnpendler haben, wenn der Schienenverkehr bestreikt wird
FRANKFURT - „Unverantwortlich“, „unnötig“, „überflüssig“: Das Schimpfen der Deutschen Bahn auf die Streikankündigung der Lokführergewerkschaft GDL hat ebenso wenig gebracht wie ein Verhandlungsaufruf im letzten Moment. Zahlreiche Lokführerinnen und Lokführer sowie Beschäftigte in der Infrastruktur lassen seit Montag 2:00 Uhr für geplante 48 Stunden die Arbeit ruhen und legen damit weite Teile des Bahnverkehrs in Deutschland lahm. Nach dem Auftakt im Güterverkehr am Wochenende hat der Streik damit auch den Personenverkehr erfasst. Erst am Mittwoch erwartet die Bahn wieder einen weitgehend normalen Betrieb.
Der Ausstand der Lokführer ist ein Ärgernis für alle Reisenden, vor allem aber für Arbeitnehmer, die mit der Bahn zu ihrem Arbeitsplatz pendeln. Doch wie stellt sich die Rechtslage dar, wenn ausgefallene Züge und S-Bahnen einen pünktlichen Arbeitsbeginn vereiteln? Ein Überblick.
Die Bahn wird bestreikt: Können Arbeitnehmer einfach von zu Hause aus arbeiten?
Auch wenn inzwischen die Arbeit flexibler gehandhabt wird: Ein gesetzlich verankertes Recht auf Homeoffice gibt es in Deutschland nicht, auch die pandemiebedingte Sonderregel der Homeoffice-Pflicht gilt seit Juli nicht mehr. Deshalb sollten Arbeitnehmer diese Frage vorab mit ihrem Arbeitgeber klären.
Muss ich pünktlich zur Arbeit erscheinen, wenn mein Zug wegen Streiks nicht fährt?
Ja, es gilt das sogenannten Wegerisiko für Arbeitnehmer. Das heißt, die Arbeitnehmer müssen pünktlich erscheinen, wenn ein Bahnstreik in den Medien angekündigt wurde. Die Verantwortung dafür, eine Alternative zu finden, liegt bei ihnen. Das gilt nicht nur bei einem Streik, sondern auch bei wetterbedingten Verkehrsproblemen. Schnee oder Glatteis im Winter werden als Grund für ein verspätetes Erscheinen am Arbeitsplatz auch nicht anerkannt. Man sollte auf jeden Fall den Arbeitgeber so früh wie möglich informieren, wenn man wegen des Bahnstreiks nicht pünktlich am Arbeitsplatz sein kann.
Welche Alternativen kommen infrage?
Je nach Entfernung sollte der Arbeitnehmer auf das Fahrrad oder das eigene Auto umsteigen oder eine Fahrgemeinschaft
organisieren. Dabei sollte man jedoch auch Staus oder verstärkten Verkehr mit einkalkulieren, damit er pünktlich am Arbeitsplatz ist. Ein Taxi könnte auch helfen – die Kosten muss jedoch der Arbeitnehmer
tragen. Allerdings sollte der Fahrpreis zumutbar bleiben. Deshalb kann der Arbeitgeber auch nicht vom normalverdienenden Mitarbeiter verlangen, für die Zeit des Streiks in einem Hotel zu übernachten, damit er pünktlich bei der Arbeit ist.
Welche Konsequenzen hat eine Unpünktlichkeit?
Grundsätzlich gilt: Ohne Arbeit kein Lohn. Arbeitsrechtlich betrachtet trägt der Arbeitnehmer bei Verspätung das Risiko, dass er für die ausgefallene Zeit anteilig Lohn- oder Gehaltskürzungen hinnehmen muss, im schlimmsten Fall sogar eine Abmahnung droht, wenn er seinen Chef nicht vorab informiert hat. Umgekehrt gibt es aber auch keinen Lohnanspruch. Denn die Ursache für das verzögerte Erscheinen liegt weder beim Arbeitgeber noch beim Arbeitnehmer, sondern wird durch Dritte ausgelöst. Das nennen Arbeitsrechtler eine Leistungsstörung. Die aber begründet keinen Lohnanspruch.
Zahlt die Bahn Schadenersatz bei Streik?
Das tut sie nicht, darauf haben Pendler und andere Reisende keinen Anspruch. Allerdings zeigt sie sich kulant: Die Kosten für das nicht genutzte Bahnticket werden erstattet, auch bei Verspätungen gelten die üblichen Regeln. Um sicher zu gehen, sollte man sich möglichst die Verspätung des Zugs direkt bei Ankunft am Schalter bestätigen lassen.