Eine Künstlerin mit mehreren Leben
Die Mezzosopranistin Brigitte Fassbaender ist eine außergewöhnliche Frau – Ein Porträt
Brigitte Fassbaender, die große Mezzosopranistin vergangener Jahrzehnte, ist nach wie vor künstlerisch aktiv und derzeit sehr präsent in unserer Region: Im Juli zeigte sie vor Beginn der Bregenzer Festspiele, wie sie eine Schar junger und hochbegabter Sängerinnen und Sänger des Opernstudios an die höchst anspruchsvollen Partien von Rossinis komischer Oper „Die Italienerin in Algier“heranführt. Dass die quirlige, bunte Produktion wegen eines Corona-Falls im Ensemble zwei Stunden vor der Premiere abgesagt werden musste, war für alle Mitwirkenden ein schwerer Schlag, steckten doch nicht nur die fünf Wochen Probenzeit, sondern monate- und sogar jahrelange Vorbereitungszeit dahinter. Wer Brigitte Fassbaender in dieser Meisterklasse erlebt hat, wurde gepackt von ihrer Begeisterung für die jungen Stimmen, etwa für eine 23-jährige Russin vom Opernstudio des Moskauer Bolschoi-Theaters, der sie eine Weltkarriere prophezeit. Hier gab sie also ihre Erfahrungen als Sängerin und Gesangspädagogin weiter und war zugleich als Regisseurin gefordert.
Die Opernregie hatte die Sängerin schon in den letzten Jahren ihrer aktiven Karriere begleitet und sie entwickelte sich zu einem zweiten Standbein, als sie 1994, im Alter von 55 Jahren, ihr letztes Konzert gegeben hatte. Darüber hinaus wirkte sie auch als Theaterintendantin zunächst in Braunschweig, dann für 13 erfolgreiche Jahre am Tiroler Landestheater in Innsbruck, und leitete für einige Jahre das Richard-StraussFestival in Garmisch. Dass sie außerdem Libretti übersetzte und sogar zwei eigene Libretti für Musicals verfasste, passt zu der umtriebigen Künstlerin, deren Motor die Kunst und die Arbeit mit jüngeren Kolleginnen und Kollegen ist. Ihre 82 Lebensjahre merkt man der Künstlerin mit dem dunklen Pagenkopf wahrlich nicht an!
Vor zwei Jahren hat sie dazu ihre Memoiren verfasst, natürlich selbst geschrieben, informativ, lesenswert, uneitel mit feinen Beobachtungen und Erinnerungen. 1939 in Berlin geboren, wurde sie als Tochter des berühmten Baritons Willi DomgrafFassbaender, der später ihre Stimme ausbildete und ihr einziger Lehrer blieb, und der umschwärmten Schauspielerin Sabine Peters früh an Oper, Lied und Theater herangeführt. Unvergessen sind jedoch auch die frühen Kindheitsjahre während des Zweiten Weltkriegs, die sich dem Kleinkind eingebrannt haben, die Evakuierung zu den Großeltern nach Dresden und die schreckliche Bombardierung der Stadt. Im Rahmen einer Lesung bei den Bregenzer Festspielen führte sie ihr Publikum eindringlich an diese Erlebnisse heran, gab jedoch auch Einblick in ihre Begegnungen, etwa mit dem Dirigenten Carlos Kleiber oder den wunderbaren Kollegen Hermann Prey und Fritz Wunderlich.
Der Titel des im Verlag C. H. Beck erschienenen Buches „Komm’ aus dem Staunen nicht heraus“stammt aus dem „Rosenkavalier“, jener Oper von Richard Strauss und Hugo von Hofmannsthal, mit der Brigitte Fassbaender über viele Jahre verbunden war: Zuerst sang sie darin kleinere Partien, ab 1967 gestaltete sie in aller Welt die wunderbare Hosenrolle des jungen Oktavian. Erst 21 Jahre später verabschiedete sie sich von der Rolle, um ein Jahr darauf an der Bayerischen Staatsoper die Neueinstudierung der berühmten Otto-SchenkInszenierung zu leiten. Das im Titel angesprochene „Staunen“hat sich die Künstlerin immer bewahrt, sei es über den ungeheuren Reichtum an Meisterwerken, sei es über den musikalischen „Nachwuchs“, der heute auf die Konzert- und Opernbühnen drängt oder in ihren Meisterkursen anklopft.
In den vergangenen Tagen ist Brigitte Fassbaender vom Bodensee in den Bregenzerwald weitergezogen – das Kofferpacken hat sie ja über Jahrzehnte begleitet – denn hier gibt sie im Rahmen der Schubertiade in Schwarzenberg einen Meisterkurs für sechs junge Sängerinnen und Sänger und ihre Klavierpartnerinnen und -partner. Dem Festival war sie als intensiv gestaltende Liedinterpretin seit 1986 verbunden, mit Liederabenden, Rezitationen und eben in den letzten Jahren immer wieder als Dozentin. Hier konnte und kann man erleben, wie sich Stimmen manchmal binnen weniger Minuten verwandeln, wie sie aufblühen und leuchten. Im Liedgesang geht es noch viel mehr um die Vorstellungskraft, die inneren Bilder, die ein Text hervorruft – und die Kunst, diese in Tönen und Ausdruck darzustellen.
Katzen sagt man nach, dass sie sieben Leben haben. Brigitte Fassbaender, die Katzenliebhaberin, die immer mit ihrem Siamkater spricht, hat von ihnen wohl gelernt, wie man sieben Leben in eines packt und sich die Begeisterung erhält!
Der Meisterkurs im AngelikaKauffmann-Saal in Schwarzenberg ist öffentlich und dauert bis Freitag jeweils von 10 bis 13 Uhr. Karten gibt es unter der Telefonnummer 0043/5512 4701.