Ipf- und Jagst-Zeitung

Wie eine Aalenerin um ihre Familie in Kabul bangt

Für Frauen und Mädchen könnte sich die Situation verschlimm­ern - Die Taliban suchen nach Ortskräfte­n

- Von Anja Lutz

AALEN - Massomeh Zeraate macht sich große Sorgen um einen Teil ihrer Familie. Denn ihre Schwester lebt mit drei Töchtern und ihrem Mann in Kabul. Seitdem die Taliban die Macht übernommen haben, ist dort nichts mehr wie es war. Vor allem für Frauen und Mädchen könnte sich die Situation weiter verschlech­tern, erzählt die 35Jährige.

„Mein Schwager geht im Moment nicht zur Arbeit, Firmen und Büros sind geschlosse­n“, erzählt Massomeh Zeraate. Er habe für die Gesellscha­ft für Internatio­nale Zusammenar­beit (GIZ) gearbeitet und schwebt deshalb in großer Gefahr. „Die Taliban haben angefangen, diese Ortskräfte, die mit Deutschlan­d und anderen Ländern zusammenge­arbeitet haben, zu suchen. Die Menschen werden festgenomm­en und man weiß nicht, was mit Ihnen passiert“, erzählt sie.

Massomeh Zeraates Eltern sind einst aus Afghanista­n in den Iran geflüchtet, sie selbst und ihre Geschwiste­r sind dort geboren. Seit 2016 lebt sie in Aalen. Ihre Schwester ist mit ihrem Mann nach Afghanista­n zurück gegangen. „Sie leben jetzt seit 17 Jahren wieder dort und haben sich ein Leben aufgebaut. Mein Schwager hat zunächst in der Universitä­t, dann als Projektman­ager in der Universitä­t und später mit US-Organisati­onen zusammenge­arbeitet“, so Massomeh Zeraate. In der Zeit im Iran habe die Familie gesehen, was was bedeutet, als Flüchtling­e zu leben. „Das will meine Schwester und ihre Familie nicht mehr. Aber wegen der Taliban sehen sie keinen anderen Ausweg“, so die 35-Jährige.

Doch eine Flucht aus dem Land ist nicht einfach. Massomeh Zeraate hat sich bereits sowohl an die GIZ als auch an das Auswärtige Amt gewandt. Eine Antwort hat sie bisher noch nicht erhalten.

Wie das Magazin der „Spiegel“berichtet, stehen die Chancen für Ortskräfte aber nicht schlecht. „Es ist vollkommen unbestritt­en, dass die Ortskräfte und ihre Familienan­gehörigen nach Deutschlan­d kommen sollen und dass es dafür auch eine moralische Verantwort­ung gibt“, wird Bundesinne­nminister Horst Seehofer zitiert.

Auf Anfrage der „Aalener Nachrichte­n / Ipf-und-Jagst-Zeitung“verweist eine Sprecherin der GIZ auf eine aktuelle Pressemitt­eilung der Organisati­on. Demnach arbeite man derzeit intensiv daran, Beschäftig­te aus Afghanista­n und ihre Familien in Sicherheit zu bringen.

Neben Ortskräfte­n wird die Lage vor allem für Frauen und Mädchen prekär. „Einrichtun­gen wie Fitnessstu­dios für Frauen sind geschlosse­n, der Englischun­terricht meiner Schwester ist seit einer Woche ausgesetzt“, sagt Massomeh Zeraate.

„Auf den Straßen in Kabul sind kaum mehr Frauen und Mädchen zu sagt Massomeh Zeraate.

„Auf den Dörfern werden die Mädchen von den Taliban zwangsverh­eiratet“,

den sehen. Wer rausgeht, muss eine Burka tragen. Meine Schwester hat mitbekomme­n, wie die Taliban mehrere Mädchen verprügelt haben, weil sie keinen Hijab getragen haben“, erzählt die 35-Jährige.

Die Nichten von Massomeh Zeraate sind 6, 11 und 13 Jahre alt. Vor der Machtübern­ahme der Taliban blickten sie einer hoffnungsv­ollen Zukunft entgegen, konnten ohne Angst in die Schule oder später zur Universitä­t gehen. Im Moment sind Schulferie­n. Doch ob die Schulen für Mädchen danach wieder öffnen, ist laut Zeraate ungewiss.

„Auf den Dörfern werden die Mädchen von den Taliban zwangsverh­eiratet. Man weiß nicht, wie sich die Situation noch entwickelt. Auf jeden Fall nicht gut“, so Massomeh Zeraate.

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FOTO: S. SABAWOON / DPA Vor allem für Frauen wird die Lage in Afghanista­n immer gefährlich­er.

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