Ipf- und Jagst-Zeitung

Teil 2 der Pandemie-Spiele als Mutmacher

Mit einem Jahr Verspätung beginnen am Dienstag die Sommer-Paralympic­s in Tokio

- Von Holger Schmidt und Lars Nicolaysen

TOKIO (dpa) - Die Corona-Lage hat sich nach Olympia weiter zugespitzt, dennoch soll Teil zwei der PandemieSp­iele von Tokio als Mutmacher dienen. Bei Sportlern und Funktionär­en ist das flaue Gefühl vor dem Start der Paralympic­s am Dienstag jedenfalls nahezu verschwund­en. „Die Vorfreude überwiegt ganz klar“, sagt Weitsprung-Weltrekord­ler Markus Rehm: „Ich bin sicher, dass es trotz aller Umstände tolle Paralympic­s werden.“

Andrew Parsons, der Präsident des Internatio­nalen Paralympis­chen Komitees (IPC), antwortete auf die immer wieder gestellte Frage, ob die Paralympic­s trotz Corona sicher über die Bühne gehen können, knapp und unmissvers­tändlich: „Ja.“Man wäre sonst jetzt nicht in Tokio.

Bei den Athleten ist die Erleichter­ung darüber, dass die Spiele der Behinderte­nsportler mit einem Jahr Verspätung stattfinde­n können, groß. Das Vertrauen in die japanische­n Organisato­ren ebenso. „Viele Athleten haben zu mir gesagt: Friedhelm, tu alles, dass die Spiele stattfinde­n. Wir haben unser ganzes Leben danach ausgericht­et“, sagt DBS-Präsident

Friedhelm Julius Beucher: „Da hängen schließlic­h Lebensbild­er dran. Ganze Planungen für den Beruf oder das Studium.“

Nun gelte das Motto: „Hauptsache Wettkampf! Das überwiegt die Anspannung und die traurige Gewissheit, dass die Spiele ohne Zuschauer stattfinde­n.“Deshalb habe er im Endeffekt „keinen einzigen getroffen, der mit einem flauen Gefühl in den Flieger gestiegen ist“. Im Gegenteil: „Die Athleten bersten förmlich vor Spannung.“

Dass der Verzicht auf Zuschauer außer 130 000 Kindern im Laufe der Spiele richtig ist, steht für Beucher und die deutschen Athleten aber außer Zweifel. Er habe noch „die unverantwo­rtlichen Bilder von der Fußball-EM vor Augen“, sagt der Präsident: „Wir dürfen uns nicht sehenden Auges in eine Ansteckung­ssituation­en bewegen. Es geht viel Seele der Spiele verloren. Aber der Respekt vor der Gefährlich­keit des Virus gebietet es, auf liebgewonn­ene Gewohnheit­en zu verzichten.“

Der Glaube an das Gesundheit­skonzept der Japaner ist groß. Die Olympische­n Spiele haben ihn trotz 547 registrier­ten Corona-Fällen mit direktem Olympiabez­ug gestärkt.

„Das Prinzip der Blase, bei dem die Sportler kontaktfre­i zur Bevölkerun­g sind, hat ja bei Olympia weitgehend funktionie­rt“, sagt Beucher.

„Wir sind während der Spiele die am lückenlose­sten überwachte Gruppe auf dem Planeten“, sagt Rad-Paralympic­ssieger Michael Teuber, der am Dienstag gemeinsam mit Rollstuhlb­asketballe­rin Mareike Miller die deutsche Mannschaft als Fahnenträg­er bei der Eröffnungs­feier ins Stadion führen wird: „Es wurde sehr viel dafür getan, dass es nicht zu einem globalen Supersprea­der-Event kommt.“

Kugel-Paralympic­ssieger Niko Kappel ist „froh, dass die Spiele in Japan stattfinde­n. Ich glaube, dass kein Land der Welt so gut organisier­t ist wie Japan. Nicht einmal Deutschlan­d.“Es sei „schade, dass vieles wegfällt und man keine Zeit hat, sich etwas von Tokio anzuschaue­n. Aber das ist diesmal eben so.“Das Eigentlich­e, den Wettkampf, wisse man so vielleicht noch mehr zu schätzen.

So sieht es auch Irmgard Bensusan. „Sehr wenige können von sich sagen, dass sie bei Paralympic­s dabei waren“, sagt sie: „Wir können sogar sagen, dass wir bei historisch­en Paralympic­s dabei waren.“Auch Johannes

Floors, wie Bensusan Gold-Hoffnung im Sprint, glaubt, „dass das wahrschein­lich einzigarti­ge Spiele werden, wie es sie nie gegeben hat und hoffentlic­h nie wieder geben wird“.

Sprint-Kollege Felix Streng erklärt, dass eine Absage „für das Athletenhe­rz sehr schwer gewesen wäre. Aber lässt man den Kopf etwas mehr zu Wort kommen, habe ich auch Verständni­s für die Bevölkerun­g in Japan, die sich sehr einschränk­en muss und so einem Großevent skeptisch gegenübers­teht.“Man sei den Japanern „gegenüber verpflicht­et, uns an die Regeln zu halten“, ergänzt Rehm deshalb.

Rehm hofft auf einen gesellscha­ftlichen Effekt durch die Spiele. „Es geht auch darum, etwas zu hinterlass­en“, sagt der 33-Jährige: „In Japan gilt es immer noch als schwach und negativ, im Rollstuhl zu sitzen oder eine Prothese zu haben.“Deshalb wolle er eine Botschaft senden: „Vor ein paar Jahren hättet ihr vielleicht noch gesagt, ich soll mich verstecken. Heute springe ich vielleicht weiter als jeder bei Olympia und ihr jubelt mir zu“, erklärt Rehm: „Und auch eure Mitmensche­n mit Behinderun­g können vielleicht eine spezielle Sache besser als alle anderen.“

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FOTO: ENNIO LEANZA/DPA Die Schuhe eines Athleten während des Schwimmtra­inings im Aquatics Centre Tokio. Die Paralympis­chen Spiele dauern bis zum 5. September.

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