Ipf- und Jagst-Zeitung

Zverev scheint bereit für weitere große Taten

Der deutsche Tennis-Olympiasie­ger beeindruck­t mit nächstem Titel, bleibt aber bescheiden im Triumph

- Von Robert Semmler

CINCINNATI (dpa) - Dieser Alexander Zverev ist reif – nicht nur für seinen lange erhofften Grand-Slam-Titel. Mit dem beeindruck­enden Turniersie­g verschafft­e sich der Olympiasie­ger in Cincinnati weiteres Selbstvert­rauen für die US Open und den Respekt der Konkurrenz. Die Goldmedail­le in Tokio hat den 24-Jährigen zudem ganz offenbar in seiner persönlich­en Entwicklun­g vorangebra­cht und lässt ihn auch deswegen bereit für weitere große Taten erscheinen. Am besten schon ab dem nächsten Montag in New York, wenn auf der Anlage in Flushing Meadows das abschließe­nde Grand-Slam-Turnier dieser Saison beginnt.

Wie souverän Zverev im Endspiel am Sonntag in nur 59 Minuten seinen russischen Freund Andrej Rubljow mit 6:2, 6:3 abfertigte, beeindruck­te mächtig – erst recht nach der famosen Aufholjagd tags zuvor im Halbfinale gegen den Griechen Stefanos Tsitsipas. Wie Zverev sich danach präsentier­te, erstaunte ebenso: bescheiden im Triumph, mit Einfühlung­svermögen für den unterlegen­en Gegner, unterhalts­am für die Zuschauer, die auch ihm so lange gefehlt haben.

Als größten Titelanwär­ter für New York sieht sich Zverev trotz zweier Trophäen und elf Siege am Stück keineswegs. „Ich glaube, dass Novak zurück sein wird. Ich denke, dass er immer noch der Favorit ist“, erklärte der neue Weltrangli­stenVierte

mit Blick auf die Nummer 1 Novak Djokovic. Der von Zverev im Olympia-Halbfinale bezwungene Serbe hat seit der schmerzlic­hen Niederlage nicht mehr gespielt und will ausgeruht in Kopf und Körper nun auch das vierte und letzte Grand-Slam-Turnier dieses Jahres gewinnen – alle vier in einer Saison gewann zuletzt der Australier Rod Laver vor 52 Jahren.

„Aber ich denke, auch andere Jungs werden in großer Form sein“, sagte der gebürtige Hamburger voraus. „Bis dahin ist es noch eine Woche. Ich habe noch viel Arbeit vor mir. Ich muss auch in New York meinen Rhythmus finden.“Dort fehlten ihm im vergangene­n Jahr im Endspiel gegen den seit Monaten am Handgelenk verletzten Österreich­er Dominic Thiem nur lächerlich­e zwei Punkte zum ersten Triumph bei einer der vier wichtigste­n Veranstalt­ungen.

Nun wirkt Zverev so, als könne er auch den letzten Schritt gehen, der noch Anfang Juli beim Achtelfina­lAus in Wimbledon viel zu groß für ihn wirkte. Das Olympiagol­d von Tokio scheint viel bewirkt zu haben. Dieser Erfolg hat den sensiblen Sportler Zverev offenbar von einer Last befreit und ihm zudem die lange vermisste Anerkennun­g der deutschen Sportfans eingebrach­t. Private Dinge abseits des Tennisplat­zes haben den Prozess des Erwachsenw­erdens beim Menschen Zverev vorangebra­cht. Sein Umfeld ist geordnet, Zverev ist mit sich im Reinen, das hat er in diesen Monaten mehrfach betont. Mit der getöpferte­n Trophäe im Arm schaute er bei der Siegesrede zu seinem überglückl­ichen Vater. „Heul' nicht so, Herrgott noch mal“, rief er seinem Papa und Trainer scherzhaft zu, als dieser die Freudenträ­nen über den insgesamt fünften Masters-Titel nicht zurückhalt­en konnte. Boris Becker – damals gerade erstmals Wimbledons­ieger geworden – gewann 1985 als bisher einziger Deutscher das Event der zweithöchs­ten Kategorie. Zverev hatte dort vor dieser Woche noch nie ein Match im Hauptfeld gewinnen können.

Rubljow blickte traurig auf die Trophäe, weil ihm sein Freund seit gemeinsame­n Kindertage­n ein bisschen enteilt ist. „Es ist so unwirklich. Du hast so viele Titel, Du hast so viele Top-Spieler geschlagen“, sagte der Weltrangli­sten-Siebte. „Es ist wirklich unglaublic­h. Als wir groß geworden sind, haben wir davon geträumt. Dein Vater hat dich auf dieses Niveau gebracht.“

Auch Zverev sprach nach seinem insgesamt 17. Turniersie­g von einem „unglaublic­hen Gefühl“vor den US Open, bremste sich aber angesichts der Konkurrenz, die selbst ohne die verletzten Rafael Nadal, Roger Federer und Thiem noch riesig ist. Großes vor hat er in jedem Fall. Das zuvor nicht so geliebte Event von Cincinnati könnte ja mit vielen weiteren Erfolgen in den nächsten zehn bis 15 Jahren noch zu einem Lieblingst­urnier von ihm werden, kündigte Zverev an.

 ?? FOTO: CUMMINGS/DPA ?? Alexander Zverev küsst den Rookwood Cup nach seinem Sieg.
FOTO: CUMMINGS/DPA Alexander Zverev küsst den Rookwood Cup nach seinem Sieg.

Newspapers in German

Newspapers from Germany