Südtirol und die Berge haben Andrè Schuen geprägt
Der Bariton ist in Lied und Oper höchst erfolgreich – Momentan gastiert er in Schwarzenberg
SCHWARZENBERG - Andrè Schuen, der schlanke Bariton mit dem schwarzen Haarschopf, ist den Musikfreunden seit vielen Jahren vertraut: In der Region konnte man ihn 2016 im Rahmen der Wolfegger Konzerte mit einem Liederabend in der Alten Pfarr erleben, ein Jahr später begeisterte seine warme Stimme dort im Requiem von Gabriel Fauré im Kirchenkonzert gemeinsam mit Manfred Honeck. Bei den Bregenzer Festspielen 2018 gestaltete er in der Uraufführung von Thomas Larchers „Das Jagdgewehr“mit großer Eindringlichkeit die Partie des Jägers. Im vergangenen Jahr wurde seine Darstellung des Guglielmo in der Inszenierung von Mozarts „Così fan tutte“bei den Salzburger Festspielen gemeinsam mit dem gesamten Team und der Dirigentin Joana Mallwitz gefeiert. Die Produktion, die im letzten Jahr trotz Corona verwirklicht werden konnte, wurde auch heuer wieder aufgenommen.
Direkt aus Salzburg reiste Andrè Schuen in den Bregenzerwald, denn hier bei einem der führenden Festivals für Lied und Kammermusik ist der Sänger gemeinsam mit seinem Klavierpartner Daniel Heide seit Jahren zu Gast. In dieser Woche interpretieren die beiden einander so selbstverständlich vertrauten Künstler die drei großen Schubertzyklen: „Die schöne Müllerin“machte am Sonntag den Anfang; gebannt erlebte man die Wanderung des Müllerburschen durch emotionale Höhen und Tiefen. Am Mittwoch folgte „Die Winterreise“in ihrer beklemmenden Dichte, spiegelt doch dieser Zyklus den psychischen Ausnahmezustand eines verstoßenen Liebenden. Am morgigen Samstag (16 Uhr) schließen die Künstler mit dem „Schwanengesang“ab – es sind Schuberts letzte Lieder, in denen der Komponist vor allem in sechs HeineVertonungen ganz neue Wege geht. Schuen und Heide begeistern als aufeinander eingeschworenes Liedduo, doch wirken sie wunderbar natürlich und bodenständig. So ist der 37-jährige Sänger im Gespräch offen, zugewandt, nachdenklich und absolut uneitel.
Schuens Wurzeln liegen in Südtirol, in Wengen (La Val) im Gadertal, wo man ladinisch spricht, neben italienisch und deutsch – die Dreisprachigkeit ist für einen Sänger natürlich eine hervorragende Grundausstattung. Aber auch die Familie, in der immer Volksmusik gemacht wurde, und die Berge haben ihn geprägt. Es gibt einen wunderbaren Film für das Bayerische Fernsehen, der die Familie
mit den Eltern und zwei Schwestern zu Hause in der Stube zeigt. Die Schwestern sind gemeinsam mit einer Cousine musikalisch einen anderen Weg gegangen. Als Trio Ganes verbinden sie ladinische Texte und Sagen mit Pop und sind schon gemeinsam mit Hubert von Goisern aufgetreten. Vor ein paar Jahren hatte die Familie Schuen aber auch ein Programm mit verschiedensten Varianten des Lieds (Kunstlied, Volkslied, Pop). Aus Zeitgründen und auch wegen der Corona-Pandemie ist dieses Projekt derzeit nicht möglich.
Zum Studium ging Andrè Schuen, der Cello gespielt hatte und schon als junger Mann die Liebe zum Lied für sich entdeckte, ans Mozarteum in Salzburg. Opern-, Lied- und Konzertrepertoire wird dort gleichermaßen erarbeitet, die meisten Studierenden wenden sich dann der Oper zu. Bei Schuen zeichneten sich die Schwerpunkte bald ab: „In meinem Fall war es immer klar, dass ich sehr viel Lieder mache, im Moment sind die Engagements in Oper und Liederabende fast genau gleich verteilt. Ich singe weniger Konzerte mit geistlicher Musik. Die Auftrittssituation im Oratorium – dieses Warten vor Publikum, Aufstehen, Singen, Sitzen – sagt mir von meiner Persönlichkeit her am wenigsten zu.“Was fasziniert ihn am Liedgesang so sehr? „Ich habe beim Lied noch viel mehr die Möglichkeit, in stimmliche oder interpretatorische Details zu gehen als in der Oper, die dort in einem großen Haus eher verloren gehen würden. Da gibt es so viele Feinheiten in der Gestaltung, die muss man schon erst wieder finden, wenn man aus einer Opernproduktion (Anm.: wie jetzt „Così fan tutte“) kommt.“Genau diese Feinheiten in der Gestaltung, in der Sprachbehandlung und Textdeutlichkeit, in der Dynamik sind es auch, die sein Publikum so begeistern.
In der Auswahl seiner Opernrollen geht der Künstler gemeinsam mit der ihn betreuenden Agentur sehr bedacht um, spürt der Entwicklung der Stimme nach, die nicht überfordert werden soll. Befragt nach Lieblingspartien oder Traumrollen, sagt er lachend: „Die Partie, die ich schon immer singen wollte, habe ich zum Glück schon oft bekommen – das ist der Don Giovanni.“Auch den Grafen in Mozarts „Figaro“möchte er so lange wie möglich singen. Wolfram in Wagners „Tannhäuser“, der Marquis Posa in Verdis „Don Carlo“und irgendwann, vielleicht in 15 Jahren, der Holländer sind interessant für Andrè Schuen, der seine Opernrollen genauso differenziert gestaltet wie das Lied. Man darf gespannt sein!
„Ich habe beim Lied noch viel mehr die Möglichkeit, in stimmliche oder interpretatorische Details zu gehen als in der Oper ...“
Andrè Schuen auf der Schubertiade in Schwarzenberg