Spielkultur in höchster Vollendung
Eine kammermusikalische Sternstunde mit dem Bennewitz Quartett im Thronsaal
ELLWANGEN - Mit dem Bennewitz Quartett aus Prag hat ein weltweit gefeiertes Ensemble im Thronsaal des Schlossmuseums gastiert. Noch so bemühte Superlative versagen bei dem ungelenken Versuch, Virtuosität, Leidenschaft und Eleganz des als musikalischer Botschafter Tschechiens geltenden Ensembles in Worte zu fassen. Ein wenig stellte diese vollendete Spielkultur andere Streichquartette in den Schatten. Zumindest haben die Prager Maßstäbe gesetzt, an denen sich andere in Zukunft messen lassen müssen. Namensgeber des Quartetts ist der böhmische Geiger und Dirigent Antonin Bennewitz.
„Es ist uns eine Freude, nach zehn Jahren wieder hier spielen zu dürfen“, ließen die Prager das hingerissene Publikum im ausverkauften Thronsaal wissen. Die Freude war ganz auf Seiten der Zuhörer. Der Auftritt des Bennewitz Quartetts war eine kammermusikalische Sternstunde im hochkarätigen Reigen der Ellwanger Schlosskonzerte. Jakub Fiser, Violine, Stepán Jezek, Violine, Jiri Pinkas, Viola, und Stepán Dolezal am Violoncello eröffneten den Abend mit Joseph Haydns fünftem Streichquartett G-Dur op. 17. Ob die sechs Quartette für Zusammenkünfte im Haus des kaiserlich-königlichen Polizeirats
Johann Nepomuk Neuwirth in Wien entstanden, steht nicht fest. Doch es heißt, dass der Meister selbst dabei die Viola spielte. Traumwandlerisch sicher aufeinander eingespielt und technisch in jeder Sekunde perfekt, genügten den Musikern kurze Blickwechsel, um das Werk des „Vaters der Streichquartette“in all seiner tänzerischen Anmut und differenzierten Kühnheit erblühen zu lassen.
An Schönbergs Zwölftonmusik erinnernd, haben Erwin Schulhoffs fünf Stücke für Streichquartett von 1923 bis heute nichts von ihrer Faszination verloren. Als erster integrierte der experimentierfreudige Prager Komponist Elemente des Jazz und vom Jazz inspirierte Tanzformen in seine klassischen Werke. Mit kristalliner, bestechender Klarheit und geradezu sprühender Spiellust ohne paroxystischen Überschwang machten die vier Ausnahmemusiker die von Rhythmus und
Temperament geprägten Stücke zum Ereignis und zum Höhepunkt des Abends.
Oder war es doch Antonin Dvoráks Streichquartett G-Dur, mit dem die Prager nicht minder brillierten? Leuchtend transparent entfaltete das Bennewitz Quartett die üppigen Klangfarben von Dvoráks Alterswerk. Tänzerisch und musikantisch offenbarte das Allegro des ersten Satzes viel slawische Seele, gefolgt von einem in seiner Innigkeit und Zartheit ergreifend schönen, schwermütigen Adagio, das in einem unendlich sanften Pianissimo entschwebte. Quicklebendig gebärdete sich indes das Scherzo des dritten Satzes. Beinahe meinte man, in dunklen böhmischen Wäldern tanzende Spukgestalten herauszuhören. Tänzerisch vibrierend gab sich auch das fulminant interpretierte Allegro con fuoco, das in einem geradezu orgiastisch sinnlichen Finale gipfelte.
Mehr geht nicht. Schöner, berührender, intensiver kann Kammermusik nicht sein. Die Prager verabschiedeten sich mit zwei Zugaben, darunter ein Satz einer Sonate des zeitgenössischen italienischen Cellisten und Komponisten Giovanni Sollima. Wunderbar.
Beim nächsten Schlosskonzert am Samstag, 11. September, ist Konzertpianistin Natalia Ehwald wieder im Thronsaal zu Gast.