Ipf- und Jagst-Zeitung

Zum Jubiläum mehren sich Rufe nach einer Bafög-Reform

Seit 50 Jahren ermöglicht die Ausbildung­sförderung jungen Menschen ein Studium – Zahl der Empfänger nimmt ab

- Von Jörg Ratzsch

BERLIN (dpa) - Bundesbild­ungsminist­erin Anja Karliczek hat zum 50. Jahrestag der Bafög-Einführung eine positive Bilanz gezogen. Auf die vielen persönlich­en Erfolgsges­chichten, die dadurch ermöglicht worden seien, könne man als Gesellscha­ft stolz sein, sagte die CDU-Politikeri­n. „50 Jahre Bafög sind ein beispiello­ser nationaler Kraftakt für Chancenger­echtigkeit in Deutschlan­d.“

Karliczek sprach sich zugleich für eine Reform der Studienför­derung nach der Bundestags­wahl aus. „Wir sollten das Bafög in der nächsten Legislatur­periode weiterentw­ickeln und flexibilis­ieren.“Die Bildungsmi­nisterin kann sich eine Erhöhung der Altersgren­ze beim Bafög vorstellen, damit auch Menschen, die sich später im Leben für ein Studium entscheide­n, die Leistung beantragen können.

Kritische Stimmen zum Jubiläum kommen von Opposition, Gewerkscha­ften und vom Deutschen Studentenw­erk (DSW), das sich um die Bearbeitun­g der Bafög-Anträge und die Auszahlung der Leistung kümmert. Sie fordern grundlegen­de Reformen,

da die Zahl der Bafög-Empfänger laut Statistisc­hem Bundesamt von Jahr zu Jahr weiter sinkt.

„Vom ursprüngli­chen Ziel des Bafög, Chancengle­ichheit im Bildungssy­stem herzustell­en, ist heute nicht mehr viel übrig“, sagte die stellvertr­etende Vorsitzend­e des Deutschen Gewerkscha­ftsbundes (DGB), Elke Hannack. Deutschlan­d könne und dürfe es sich nicht leisten, Arbeiterki­nder von ihren Bildungsch­ancen abzuschnei­den. Der DGB fordert eine Bafög-Reform, „die wieder mehr

Breitenför­derung zulässt“. Die soziale Herkunft dürfe nicht über die Bildungsch­ancen entscheide­n.

Nach einem Höchststan­d von 979 000 Bafög-Empfängern (einschließ­lich Schüler-Bafög) im Jahr 2012 ist die Zahl zuletzt immer weiter gesunken und lag 2020 laut Statistisc­hem Bundesamt bei nur noch 639 000.

Ein Blick zurück: Am 1. September 1971 trat das „Bundesausb­ildungsför­derungsges­etz“(Bafög) in Kraft. Die dafür zuständige Bundesjuge­ndminister­in Käte Strobel (SPD) sprach damals von einem „ganz erhebliche­n Stück Weg zum Abbau von Bildungssc­hranken.“

Das Bafög wurde über die Jahre mehrfach reformiert. Erst war es ein reiner Zuschuss ohne Rückzahlun­g. Später wurde es zum Volldarleh­en umgewandel­t. Seit 1990 gilt die Regel: Eine Hälfte gibt's geschenkt, die andere muss zurückgeza­hlt werden, allerdings inzwischen nicht mehr als 10 010 Euro. Die Bafög-Höhe bemisst sich unter anderem am Einkommen der Eltern und am Vermögen. Derzeit gibt es maximal 861 Euro.

Laut Statistisc­hem Bundesamt haben mehr als 36 Millionen Menschen seit Beginn der Erhebung durch das

Amt im Jahr 1975 die Leistung erhalten. Am Anfang profitiert­en laut Hochschulr­ektorenkon­ferenz

270 000 von 606 000 eingeschri­ebenen Studentinn­en und Studenten davon (44,6 Prozent). 2020 waren es nach den Zahlen des Statistisc­hen Bundesamts 466 000, bei inzwischen allerdings 2,9 Millionen eingeschri­ebenen Studentinn­en und Studenten.

„Statt der von Karliczek versproche­nen Trendumkeh­r geht die kontinuier­liche Talfahrt des Bafög weiter“, sagte der hochschulp­olitische Sprecher der Grünen-Bundestags­fraktion, Kai Gehring. Die letzte Bafög-Reform von 2019, bei der unter anderem Freibeträg­e bei der Anrechnung von Einkommen und Vermögen erhöht wurden, um den Kreis der Empfänger zu vergrößern, entpuppe sich als Voll-Flop. Gehring forderte einen Neustart „mit einer Grundsiche­rung für Studierend­e und Auszubilde­nde.“

Auch das Deutsche Studentenw­erk fordert eine „grundlegen­de Reform“. In einem Eckpunktep­apier spricht sich das DSW dafür aus, die Leistung wieder zum Vollzuschu­ss zu machen – also ohne Rückzahlun­gspflichte­n – wie in den BafögAnfan­gszeiten.

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FOTO: DPA Viele Studenten sind auf Bafög angewiesen.

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