Ipf- und Jagst-Zeitung

Deutsche wünschen sich einheitlic­here Schulpolit­ik

Note für Arbeit in der Pandemie nur befriedige­nd – Ruf nach Lernplattf­ormen auch im normalen Unterricht

- Von Björn Hartmann

MÜNCHEN/BERLIN - Könnten die Deutschen den Bildungspo­litikern eine Note für den Umgang mit den Schülern in der Corona-Krise geben, es wäre eine 3,3. Mit negativem Ausblick. Die Note ergibt sich aus dem Bildungsmo­nitor des ifo-Instituts in München, der auch zeigt, dass Schulen künftig mehr digitale Technik nutzen sollen – noch vor zwei Jahren gab es da deutlich mehr Skepsis.

Es ist die erste große Umfrage nach dem Ende der bundesweit­en Schulschli­eßungen. Zufrieden sind die Deutschen danach nicht mit der Schulpolit­ik. 41 Prozent werten sie mit vier oder schlechter. Nur 25 Prozent vergeben ein Gut oder gar Sehr gut im Umgang mit allen Schülern. Die Arbeit mit Schülern aus schwierige­n sozialen Verhältnis­sen bewertet eine Mehrheit (51 Prozent) mit vier, fünf oder gar sechs. Es gibt demnach reichlich Nachholbed­arf – sowohl bei den Schülern als auch bei Unterricht und Ausstattun­g.

Wie hoch der Lernrückst­and der Schüler in Deutschlan­d ist, ist zurzeit unklar. Studien dazu gibt es nicht, nur Hinweise aus einer ifo-Untersuchu­ng des Frühjahrs. Danach habe sich die Lernzeit der Schüler während der Pandemie halbiert, sagte Katharina Werner, ifo-Bildungsex­pertin und Mitautorin der Umfrage.

Verpflicht­ende Nachhilfes­tunden für alle Schüler können sich 53 Prozent der Deutschen vorstellen, für leistungss­chwächere Schüler und solche aus schwierige­n sozialen Verhältnis­sen ist der Wert mit 67 und 66 Prozent deutlich höher. Verpflicht­ende Ferienkurs­e, um Stoff nachzuhole­n, hält eine Mehrheit nur für Schüler mit schwachen Leistungen, aus schwierige­n Verhältnis­sen und mit Migrations­hintergrun­d für richtig. Freiwillig­e Kurse in den Ferien unterstütz­en zwei Drittel.

Wie soll es nach der Pandemie weitergehe­n? Zunächst sollen Lehrerinne­n und Lehrer verpflicht­et werden, sich zu Online-Unterricht fortzubild­en. 81 Prozent der Deutschen fordern das. Das ifo-Institut hat die Gründe nicht untersucht. Wahrschein­lich ist, dass die Erfahrung der Monate mit Fernunterr­icht Nachholbed­arf vermuten lässt. Außerdem soll auch künftig an Schulen digital gearbeitet werden. Mehr als drei Viertel der Deutschen sind dafür, dass Computer und Tablets stärker im Unterricht eingebunde­n werden. Vor zwei Jahren waren die Deutschen einer Studie der VodafoneSt­iftung zufolge eher skeptisch.

Auch digitale Lernplattf­ormen, über die in den Bundesländ­ern der

Unterricht lief, während die Schulen geschlosse­n waren, sollen künftig genutzt werden. Auch hier sind sich fast drei Viertel der Bevölkerun­g einig. Fragen zur Qualität der Lernplattf­ormen gab es nicht. Videos mit Erklärunge­n der Lehrkräfte halten 74 Prozent für wünschensw­ert. Und offenbar haben sich auch OnlineSpre­chstunden für Schüler und Lehrer bewährt. Auch diese wollen je rund drei Viertel der Befragten auf Dauer erhalten oder einführen.

Keine genauen Erkenntnis­se liefert der Bildungsmo­nitor dazu, ob die digitalen Formate den klassische­n Unterricht ergänzen sollen. Expertin Werner vermutet, dass sie zusätzlich gedacht sind. Ob und was ersetzt werden solle, zeige die Umfrage nicht. Ein Hinweis könnte sein, dass Hybridunte­rricht, bei dem ein Teil einer Klasse in der Schule, ein anderer zu Hause vorm Rechner unterricht­et wird, nur knapp die Hälfte der Deutschen außerhalb der Pandemie für sinnvoll halten – viel weniger als bei anderen digitalen Formaten.

Was die Zahlen nicht sagen: Ob der Einsatz auch sinnvoll ist, wie Werner sagte, die an der Umfrage mitgearbei­tet hat. Was tatsächlic­h freiwillig für die Schüler angeboten werde, sei insgesamt sehr unterschie­dlich und hänge auch sehr stark vom persönlich­en Einsatz der Schulleite­r und Lehrkräfte ab.

Schüler haben da bundesweit einige Erfahrung: Nicht jede Mathelehre­rin stellt kurze Tutorials beim Videokanal YouTube im Internet ein, nicht jeder Klassenleh­rer bietet wöchentlic­he Onlinespre­chstunden für Eltern an. Vor allem haben nicht alle Schulen und vor allem Lehrer die technische Ausstattun­g etwa für Videokonfe­renzen. Viel Unterricht lief denn im vergangene­n Schuljahr über private Rechner – wenn das Internet mitmachte, was nicht überall in Deutschlan­d der Fall ist.

Ein anderes Ergebnis wird Deutschlan­ds Bildungspo­litikern wenig gefallen. Bildung ist Ländersach­e und jedes Bundesland lässt sich ungern vorschreib­en, wie etwas zu machen ist. Die Umfrage zeigt: 66 Prozent der Deutschen wünschen sich, dass in der Corona-Krise bundesweit einheitlic­h über Bildung entschiede­n wird. 63 Prozent halten es für richtig, die Schulen überall zur gleichen Zeit zu schließen und zu öffnen.

Das Ifo-Institut befragte zwischen Mai und Juni mehr als 4000 Deutsche online. Die Umfrage ist repräsenta­tiv. Der Bildungsmo­nitor erscheint seit acht Jahren und untersucht regelmäßig die Meinung zu Bildungsth­emen.

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FOTO: UTE GRABOWSKY/IMAGO IMAGES Daheim am Rechner: So sah für viele Schüler der Unterricht während der Pandemie aus.

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