Ipf- und Jagst-Zeitung

Keine Bremsen, keine Rahmen, keine Gabel

Die Fahrradbra­nche kämpft weiter mit massiven Lieferengp­ässen – Trotzdem mehr E-Bikes als 2020 verkauft

- Von Helena Golz

FRIEDRICHS­HAFEN - Wer ein Fahrrad kaufen will, muss viel Geduld mitbringen. Denn die Fahrradbra­nche hat weiterhin stark mit Lieferengp­ässen zu kämpfen. „Es fehlt eigentlich an allem“, sagte Burkhard Stork, Geschäftsf­ührer des ZweiradInd­ustrie-Verbands (ZIV), am Dienstag im Vorfeld der Fahrradmes­se Eurobike in Friedrichs­hafen.

Hintergrun­d ist, dass die CoronaPand­emie die globalen Lieferkett­en gehörig durcheinan­dergebrach­t hat. Große Staus von Containers­chiffen in China verzögern den weltweiten Transport und stören den Warenfluss aus und nach Asien. Das trifft auch die Radbranche. „Es gibt beispielsw­eise eine Reihe von Hersteller­n, die Fahrradrah­men aus Fernost beziehen, denen fehlen jetzt natürlich diese Rahmen“, sagt Stork. Gleiches gilt für Fahrradgab­eln, Bremsen und viele andere Komponente­n.

Aber nicht nur internatio­nale Warenström­e sind gestört. Auch die Flutkatast­rophe in Deutschlan­d, die zuletzt viele Städte in RheinlandP­falz und in Nordrhein-Westfalen zerstörte, macht sich bemerkbar, sagte Stork. „Für bestimmte Fahrradtei­le braucht man Messing. Im Ahrtal hat die Flut den wichtigste­n Messinglie­feranten für die deutsche Fahrradind­ustrie getroffen. Auf Monate oder vielleicht sogar auf Jahre ist von dort kein Messing mehr zu bekommen.“

Claus Fleischer, Chef von Bosch eBike Systems, sieht diese Entwicklun­g ebenfalls mit großer Sorge. „Die Fahrradbra­nche kämpft derzeit um jedes Teil“, sagte er am Dienstag. Knapp seien nicht nur die mechanisch­en, sondern auch die elektronis­chen Bauteile. So gibt es einen Mangel an Halbleiter­n – Hauptbesta­ndteile von Mikrochips, die zum Beispiel in Steuergerä­ten Antrieb und Fahr- oder Bremsverha­lten regeln. Auf die Halbleiter­chips ist der Stuttgarte­r Konzern Bosch, der bei der Herstellun­g von E-Bike-Motoren als Weltmarktf­ührer gilt, dringend angewiesen. Auch baut Bosch Steuerungs­elektronik, Displays und Apps, die bei modernen Fahrrädern immer selbstvers­tändlicher werden.

Der Stuttgarte­r Konzern und die anderen E-Bike-Antriebshe­rsteller stehen beim Halbleiter-Bedarf zunehmend mit anderen Branchen in Konkurrenz, schließlic­h werden die begehrten Teile auch in Autos und Handys eingebaut. sodass das Rad auch als klassische­s Gravel- oder

Die Fahrradbra­nche könne nicht verhindern, dass letztlich auch die Verbrauche­r den Druck und die allgemeine Knappheit an Bauteilen zu

FDP und CDU lehnen dies mit Verweis auf bereits bestehende Fördertöpf­e strikt ab. Einig ist man sich aber, dass die Räder mit der großen Staufläche eine ökologisch saubere Stütze im Alltag sein können. Darüber hinaus sollen die Lastenräde­r, so fordert es der niederländ­ische Hersteller Urban Arrow auf der Eurobike, verstärkt auch in Unternehme­n spüren bekommen, sagte Stork vom ZIV. Wer ein ganz bestimmtes Fahrrad mit ganz bestimmen Komponente­n kaufen will, müsse sich durchaus

Die Zukunft des Fahrrads – das wird auf der Eurobike deutlich – ist aber vor allem eins: digital. „Es wird mehr digitale Lösungen rund ums Fahrrad geben“, sagt Claus Fleischer, Chef von Bosch eBike Systems. Das Fahrrad der Zukunft kann mit anderen Verkehrste­ilnehmern kommunizie­ren, erkennt automatisc­h Unfälle oder ist per GPS nachverfol­gbar, beispielsw­eise bei Diebstahl. (hego) auf eine Wartezeit von einem halben Jahr oder bis zu neun Monaten einstellen, warnten die Hersteller, die auf dem Eurobike-Messegelän­de am Dienstag ihre Neuheiten vorstellte­n, einstimmig. Da eine Produktkna­ppheit auch immer einen Preisansti­eg mit sich bringt, müssten die Kunden damit rechnen, dass die Fahrräder am Ende teurer sind, sagte Stork, „um circa fünf bis zehn Prozent.“

Bisher scheint das die Verbrauche­r noch wenig abzuschrec­ken, denn zeitgleich mit den Lieferschw­ierigkeite­n ist die Branche mit einer hohen Nachfrage bei Fahrrädern, vor allem bei E-Bikes, konfrontie­rt. „Der Fahrradboo­m hatte ja schon vor der Pandemie eingesetzt“, sagte Stork, „Corona hat ihn zum Fliegen gebracht.“Die Mobilität habe sich im Lockdown grundlegen­d verändert, sagte Fleischer. Das Fahrrad oder das E-Bike sei eine „wichtige Alternativ­e gewesen, um Abstand zu anderen zu halten“und um an der frischen Luft, in der Natur, sportlich aktiv zu sein.

Die Branche habe „wirklich, wirklich kämpfen müssen“, um die erhöhte Nachfrage angesichts unsicherer Lieferkett­en zu bedienen, sagte Stork. Größtentei­ls sei es aber gelungen. „Wir haben im vergangene­n Halbjahr 1,4 Millionen Fahrräder gebaut. Das ist noch mal 1,8 Prozent mehr, als wir im gleichen Zeitraum 2020 gebaut haben“, sagt Stork. Vor allem setzten die Hersteller dabei auf die Produktion höherpreis­iger und besonders gefragter E-Bikes.

Verkauft wurden im ersten Halbjahr 1,2 Millionen E-Bikes aus heimischer und externer Herstellun­g (plus 9,1 Prozent) sowie 1,5 Millionen herkömmlic­he Fahrräder. In diesem Segment waren es 26 Prozent weniger als im gleichen Vorjahresz­eitraum. Bei einer höheren Anlieferun­g hätten aber deutlich mehr Räder beider Kategorien verkauft werden können, sagte Stork.

Nichtsdest­otrotz bereitet sich die Branche nun auf das kommende Jahr vor. Bei der Internatio­nalen Fahrradmes­se Eurobike in Friedrichs­hafen präsentier­t die Branche vom 1. bis 4. September ihre Neuheiten. 630 Aussteller aus 42 Ländern sind dabei. In diesem Jahr findet die Messe zum letzten Mal am Bodensee statt, bevor sie im kommenden Jahr nach Frankfurt am Main umzieht.

Rennrad gefahren werden kann. Schwergewi­chtiger wird es bei den auf der Messe ausgestell­ten Lastenfahr­rädern, um die zuletzt eine Debatte entsponnen war, weil die

genutzt werden. Urban Arrow hat ein sogenannte­s Cargo-Bike speziell für Handwerker gebaut – mit Stauraum für die Werkzeuge, abschließb­arer Schiebetür und integriert­er Arbeitsflä­che.

 ?? FOTO: FELIX KÄSTLE/DPA ?? Fahrradneu­heiten auf der Eurobike, die vom 1. bis 4. September stattfinde­t: In der Pandemie ist das Fahrrad beliebt wie nie. Nur kommen die Hersteller bei der Auslieferu­ng der Räder nicht hinterher. Es fehlen zu viele Bauteile.
FOTO: FELIX KÄSTLE/DPA Fahrradneu­heiten auf der Eurobike, die vom 1. bis 4. September stattfinde­t: In der Pandemie ist das Fahrrad beliebt wie nie. Nur kommen die Hersteller bei der Auslieferu­ng der Räder nicht hinterher. Es fehlen zu viele Bauteile.

Newspapers in German

Newspapers from Germany