Der große Schlussknall bleibt aus
Finaltag des wilden Transfersommers verläuft weitgehend unspektakulär – VfB verstärkt sich auf den letzten Drücker
STUTTGART - 14 Minuten verblieben noch auf der Uhr, als die erlösende Nachricht kam: Kurz vor Ende des Transferfensters in Deutschland am Dienstagabend um 18 Uhr hat der VfB Stuttgart noch einmal Verstärkung für die stark gebeutelte Offensive geholt. Der dänische U21-Nationalspieler Wahid Faghir kommt vom dänischen Erstligisten Vejle BK und unterschreibt beim schwäbischen Bundesligisten einen Vertrag bis 30. Juni 2026. Die Ablöse für den 18-Jährigen soll rund vier Millionen Euro betragen.
„Wir beobachten Wahid Faghir schon über einen längeren Zeitraum. Sein bisheriger Weg ist sehr vielversprechend und wir sehen bei ihm noch viel Entwicklungspotenzial“, sagte Sportdirektor Sven Mislintat über den 1,85 Meter großen Neuzugang. „Wir freuen uns, dass sich Wahid trotz mehrerer Angebote von anderen Clubs für uns und den Weg des VfB entschieden hat.“Faghir war für den obligatorischen Medizincheck und den Vertragsabschluss am Dienstag kurzfristig aus dem Trainingslager des dänischen U21-Nationalteams nach Stuttgart gereist. „Ich fühle mich bereit für diesen Schritt und habe mich deshalb für einen Wechsel in die Bundesliga zum VfB entschieden“, sagte das Sturmtalent, das bei der U21Europameisterschaft im Sommer unter anderem gegen die DFB-Auswahl getroffen hatte, bevor er die Rückreise nach Dänemark antrat.
Die Verpflichtung von Faghir war eine der letzten in diesem bewegten Transfersommer, in dem sich die Bundesliga-Clubs im europäischen Vergleich überwiegend zurückhielten. Anders als die Topclubs aus Paris, Manchester und Madrid, die mit den Verpflichtungen von Lionel Messi und Cristiano Ronaldo sowie Spekulationen um Kylian Mbappé für eine Wechselperiode der Superlative sorgten, trugen die heimischen Vereine bei ihren Kaderplanungen zum Großteil der Corona-Krise Rechnung. Zwar haben auch die 18 deutschen ErstligaClubs in den vergangenen Wochen rund 412 Millionen Euro in neue Spieler investiert, als einzige der fünf europäischen Topligen hat die Bundesliga aber nach Ende der Transferperiode am Dienstagabend sogar einen Überschuss erwirtschaftet.
Davon ist die Premier League weit entfernt. Rund 1,27 Milliarden Euro haben die 20 englischen Clubs in ihre Neuzugänge gesteckt, möglich gemacht durch reichlich Fernsehgeld und reiche Investoren. 1,27 Milliarden Euro – das ist nur unwesentlich weniger, als die Clubs auf den Plätzen zwei (Italiens Serie A mit 545 Millionen Euro) bis vier (Frankreichs Ligue 1 mit 354 Millionen Euro) zusammen ausgegeben haben. In England scheint Geld keine Rolle zu spielen. 118 Millionen Euro waren Manchester City die Dienste von Jack Grealish wert, 115 Millionen investierte ChampionsLeague-Sieger FC Chelsea in Angreifer Romelu Lukaku. Dagegen wirken die bis zu 23 Millionen Euro, die Manchester United an Juventus Turin als Ablöse für Cristiano Ronaldo zahlte, geradezu läppisch – vor allem vor dem Hintergrund, dass die Heimkehr des Superstars zu seinem früheren Club die beste aller Geschichten erzählt.
„Jeder, der mich kennt, weiß um meine unendliche Liebe zu Manchester United“, schrieb Ronaldo am Dienstag in einer ersten Botschaft an die Fans der Red Devils: „Ich bin wieder da, wo ich hingehöre!“
Nicht dort gelandet, wo er gerne sein würde, ist hingegen Superstar Kylian Mbappé. Nach Tagen mit wilden Spekulationen und Angeboten von angeblich bis zu 200 Millionen Euro kamen Mbappés Arbeitgeber Paris Saint-Germain und der königliche Interessent Real Madrid auch am Finaltag (zumindest bis Redaktionsschluss) nicht mehr zusammen. Was immerhin den englischen Ex-Profi und TV-Experten Gary Lineker freute, dem schon beim Gedanken an eine komplette Saison mit Mbappé an der Seite von Neymar und Lionel Messi das Wasser im Munde zusammenlief: „Das ist eine köstliche Aussicht für Fußballfans in der ganzen Welt.“
Nur eben für Real nicht, das es sich dennoch nicht nehmen ließ, am sogenannten „Deadline Day“doch noch den namhaftesten Transfer zu tätigen. Für 30 Millionen Euro kommt der 18Jährige Franzose Eduardo Camavinga, der auf dem Zettel mehrerer europäischer Topclubs stand, von Stade Rennes zum spanischen Rekordmeister.
In Deutschland hingegen blieb es auch in den sonst traditionell hektischen letzten Stunden vor Ende der Transferfrist wie schon in den Wochen zuvor vergleichsweise ruhig – mit einer Ausnahme: Für den wohl meistbeachteten Last-Minute-Wechsel sorgte RB Leipzig mit dem Fünfjahresvertrag für den erst 18 Jahre alten und angeblich 15 Millionen Euro teuren Mittelfeldspieler Ilaix Moriba, der beim FC Barcelona alle Jugendmannschaften durchlief. Die Bestätigung kam sogar noch ein paar Minuten später als die Nachricht des VfB zur Verpflichtung von Wahid Faghir.