Der Unvollendete hat noch „jede Menge“zu erledigen
Marco Reus kehrt nach fast zwei Jahren zur Nationalmannschaft zurück – Flick baut auf den BVB-Kapitän
STUTTGART (dpa) - Hansi Flick rief – und Marco Reus ist noch mal da. Im reifen Alter von 32 Jahren, nach einer bitteren Verletzungshistorie und mehreren unerfüllten Turnierträumen unternimmt der Kapitän von Borussia Dortmund den wohl letzten Anlauf für ein Happy End im Nationaltrikot. Das Ziel heißt Weltmeisterschaft 2022 in Katar. Startpunkt soll St. Gallen sein, wo Reus am Donnerstag (20.45 Uhr/RTL) nach 23 Monaten sein Länderspiel-Comeback feiern möchte.
„Es hat sich gut angefühlt“, sagte Reus am Dienstag zur Rückkehr in den DFB-Kreis. Ein wenig grübeln musste er, wann er zuletzt für Deutschland spielte. Es war am 13. Oktober 2019 beim 3:0 in Tallinn gegen Estland. Nun sei er beim „sogenannten Neustart“dabei: „Ich hoffe, dass wir eine erfolgreiche Zukunft haben.“
Der neue Bundestrainer legte Reus verbal den roten Teppich aus, nachdem der BVB-Kapitän in Abstimmung mit Flicks Vorgänger Joachim Löw auf die EM verzichtet hatte. Reus wollte seinem empfindlichen und geschlauchten Körper im Sommer genug Zeit zur Erholung geben. Löw warb anscheinend auch nicht so um ihn, wie es nun Flick tat. „Es war keine schwierige Entscheidung“, sagte Reus zum Entschluss, nach dem Gespräch mit Flick das Thema Nationalelf noch nicht abzuschließen.
Flick ist ein Reus-Fan. Schon als Bayern-Trainer gab es für ihn in den Topspielen gegen den BVB zwei Offensivakteure, vor denen er sein Münchner Team eindringlich warnte: Erling Haaland und – Reus. „Er hat einfach eine enorme Qualität, gerade im letzten Drittel. Marco ist einer, der den letzten Pass spielen kann, der immer in die Tiefe geht, der im Direktspiel auch eine tiefstehende Abwehr knacken kann. Für mich steht seine Qualität außer Zweifel“, singt der
Bundestrainer eine Hymne auf Reus. Flick glaubt, dass dieser dem DFBTeam noch viel geben kann. „Er hatte letzte Saison eine schwierige Phase, aber er hat die Vorbereitung komplett mitgemacht, deswegen ist er topfit“, sagte Flick. Im Gespräch mit Reus habe er dessen „Lust“gespürt, noch mal dabei zu sein: „Das war für mich auch ausschlaggebend.“
Reus’ Spielfreude ist beim Training gleich zu sehen. Am Ende der ersten intensiven Einheit plauderte er, entspannt auf einem Ball hockend, minutenlang mit Flick. Die Chemie scheint zu stimmen. Flick zeichnet als Chef die Fähigkeit aus, Menschen mitzunehmen, jedem das Gefühl zu vermitteln, wichtig zu sein. Ein fitter Reus könnte beim Neuaufbau des Nationalteams durchaus wichtig werden. Und der BVB-Kapitän ist zurückgekommen, um „eine wichtige Rolle“einzunehmen. „Ich fühle mich frisch und fit. Und wenn ich eingeladen werde, bin ich der Typ, der auch spielen möchte“, sagte er deutlich.
Reus fühlt sich auch körperlich bereit, nachdem seine bisherige DFBLaufbahn von viel Pech geprägt war. Bitterster Moment: Am Tag vorm Abflug nach Brasilien 2014 verletzte er sich im letzten Testspiel schwer am Fuß und musste am Fernseher verfolgen, wie sich seine Mannschaftskameraden ohne ihn zum Weltmeister krönten. Schon sein LänderspielDebüt ließ auf sich warten. Viermal musste er verletzt passen, bevor er am 7. Oktober 2011 in Istanbul gegen die Türkei auf dem Platz stand. Nur bei zwei großen Turnieren trug der 44malige Nationalspieler den Adler auf der Brust: bei der EM 2012 und der WM-Schmach 2018. Im kommenden Monat feiert er sein Zehnjähriges als Nationalspieler, nach bislang 13 Toren als weiter Unvollendeter. Das will er ändern. Auf die Frage, was er als Nationalspieler noch zu erledigen habe, antwortete Reus spontan: „Ich hoffe, jede Menge.“