Eine Idee, die die Spaltung vertieft
Ohne dass Bürger einen Teil ihres Einkommens an den Fiskus zahlen, kann ein Gemeinwesen nicht funktionieren. Der Staat in Person von Behörden und gewählten Politikern nutzt die Steuern, um mit ihnen Infrastruktur und Dienstleistungen zu finanzieren, die für das Prosperieren eines Staatswesens unabdingbar sind. Dazu gehört der Bau von Straßen und Schulen, von Kliniken und Kasernen genauso wie die Entlohnung von Polizisten und Lehrern, von Soldaten und Abgeordneten und die Unterstützung von Bedürftigen durch soziale Hilfsleistungen. Vor diesem Hintergrund ist das Hinterziehen von Steuern kein Kavaliersdelikt, sondern eine kriminelle Handlung, mit der Bürger der Allgemeinheit aber vor allem auch jedem in ihrem Umfeld schaden: der eigenen Familie, den Arbeitskollegen und Nachbarn.
Eine Plattform, auf der nun jeder anonym und ohne großen Aufwand potenzielle Steuervergehen von Mitbürgern anzeigen kann, ist dennoch der völlig falsche Weg. In Zeiten, in denen der Zusammenhalt der Gesellschaft, in denen das Verständnis der Menschen für Positionen, Meinungen und Ansichten anderer sowieso abnimmt, birgt der Vorstoß die Gefahr, die Spaltung weiter voranzutreiben. Hinzu kommt, dass das deutsche Steuersystem sowieso so kompliziert ist, dass Laien in der Regel nur sehr schwer einschätzen und beurteilen können, wann ein Steuervergehen vorliegt oder nicht. Beschäftigt der Nachbar den Maler schwarz oder ist die Hilfe gedeckt, weil sie unter Freundschaftsdienst läuft? Deutet der Gebrauch von Bargeld bei größeren Anschaffungen auf verschleierte Nebeneinkünfte hin? Ist die Anzeige einer ohne Rechnungen beschäftigten Putzfrau begründet?
Südwest-Finanzminister Danyal Bayaz argumentiert, dass dem Staat jedes Jahr rund 50 Milliarden Euro an Steuergeldern vorenthalten werden. Besser als eine Denunzianten-Plattform wäre es, die Finanzbehörden so zu stärken, damit sie in der Lage sind, die Steuerhinterzieher zu entlarven, um die Milliarden auf diese Weise für Straßen, Schulen und Polizistengehälter zu retten.