Grüne wegen Steuerplattform am Pranger
Land setzt im Kampf gegen Betrüger auf Online-Meldeportal – Massive Kritik der Union
STUTTGART - Die Grünen sind im Endspurt zur Bundestagswahl wegen der bundesweit ersten Online-Plattform für Hinweise auf Steuerbetrüger in Baden-Württemberg massiv in die Kritik geraten. Union, FDP und AfD warfen den Grünen am Mittwoch vor, mit dem „Steuerpranger“im Internet dafür zu sorgen, dass Menschen ihre Nachbarn denunzieren. CDU und CSU warnten, so etwas drohe womöglich auch bundesweit, wenn die Grünen in eine Bundesregierung einzögen. „Da zeigt sich schon jetzt einmal, wo die Reise mit rot-grün-roter Regierungsverantwortung hingehen würde“, sagte etwa der CDU-Landesvize Thorsten Frei. „Die Linkspartei würde dann mit der noch immer bestehenden Kommunismus- und Stasi-Erfahrung vieler ehemaliger SED-Kader zum Turbolader für Denunziantentum.“
Auch in den anderen Bundesländern sind anonyme Anzeigen möglich – allerdings nicht digital. Dabei soll es nach Ansicht des bayrischen Finanzministers auch bleiben. Von einem Online-Portal nach badenwürttembergischen Vorbild hält er nichts. „Eine solche Aufforderung in Richtung Denunziantentum lehnen wir strikt ab“, sagte Albert Füracker (CSU) am Mittwoch. „Hierfür auch noch eine staatlich beworbene Plattform zu bieten, ist eine typisch grüne Kontrollstaatsidee.“
Grünen-Chef Robert Habeck reagierte: „Wer Steuern hinterzieht, verspottet die Redlichkeit all jener Bürgerinnen und Bürger, die ehrlich ihre Steuern zahlen“, sagte er. Habeck attackierte indirekt die „Bild“-Zeitung, die getitelt hatte: „Grünen-Minister führt Steuer-Stasi ein“. Er sagte: „Wer aber den Kampf gegen Steuerbetrug
mit dem Agieren der Stasi vergleicht, verharmlost die Diktatur der DDR.“Im Finanzministerium in Stuttgart wird derweil versichert, es gehe vor allem um Steuerhinterziehung im großen Stil, nicht darum, ob der Nachbar für seine Reinigungskraft Sozialabgaben entrichte. Die Jagd auf Steuersünder sei zuletzt erfolgreich gewesen: Die Fahnder hätten im Jahr 2020 im Südwesten etwa 250 Millionen Euro mehr an Steuern hereingeholt. Nur ein Bruchteil davon war aber nach Zahlen der Oberfinanzdirektion auf anonyme Hinweisgeber zurückzuführen.